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Zeit und Geschichte

Ein ausgeglichenes Hoffnungsportfolio: Jonathan Franzen über die Massenpsychologie des Klimawandels

Daniel Schreiber
Autor und Journalist
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Daniel SchreiberFreitag, 20.09.2019

Ich muss schon seit einigen Tagen über diesen Text nachdenken, vor allem, weil seine Prämisse so hart ist: Jonathan Franzen, amerikanischer Schriftsteller und Essayist, erklärt hier, warum wir kollektiv endlich zugeben müssen, dass der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten ist. Seine Argumente sind sehr überzeugend und neigen, wie alles, was darüber zu lesen ist, sogar noch zu "konservativen Einschätzungen". Wenn wir die Kippmomente der Ökosysteme der Erde vermeiden wollen, so Franzen, müssen wir unseren Netto-CO2-Ausstoß in den nächsten 30 Jahren auf null reduzieren. 1988, vor etwas mehr als 30 Jahren, wussten wir auch schon vom Klimawandel, seither haben wir allerdings mehr CO2 ausgestoßen als insgesamt in den zwei Jahrhunderten zuvor. Franzen beschreibt, wie das kollektive Festhalten an der Illusion der Aufhaltbarkeit des Klimawandels letztlich für eine kollektive Starre, für fehlgeleitete Projekte und auch für die Annahme, dass unsere individuellen Handlungen nicht ins Gewicht fallen, sorgt. Stattdessen plädiert er für ein "ausgeglichenes Hoffnungsportfolio" aus kurzfristigen und langfristigen Hoffnungen. Als Beispiel dafür zieht er die Reformationszeit heran. Jedes lebbare Jahr, jede ausbleibende Dürre, jeder Wirbelsturm weniger falle heute ins Gewicht, so Franzen. Er endet den Text mit einer Beobachtung zu einem Projekt namens "Homeless Gardens" in seinem Wohnort Santa Cruz, bei dem Obdachlose zur Arbeit auf einem Bio-Bauernhof zusammenkommen. Seine Botschaft: Solche Projekte könnten für viele von uns bald essentiell werden, wenn die Systeme von Handel und industrieller Landwirtschaft zusammenbrechen und es auf der Welt mehr Obdachlose als Menschen mit einem Dach über dem Kopf geben wird.    

Ein ausgeglichenes Hoffnungsportfolio: Jonathan Franzen über die Massenpsychologie des Klimawandels

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Kommentare 5
  1. Rico Grimm
    Rico Grimm · vor 5 Jahren

    Diesen Text von Franzen kann man lesen, aber danach unbedingt diesen, der zeigt: Franzen macht grundlegende Fehler - "Shut up, Franzen!" https://blogs.scientif...

    1. Daniel Schreiber
      Daniel Schreiber · vor 5 Jahren

      Hast du die Entgegnung wirklich gelesen? Die Fehler, die die Wissenschaftlerin ihm vorwirft, sind philosophischer und emotionaler, nicht wissenschaftlicher Natur. Ihr Hauptargument: "But I am a scientist, which means I believe in miracles. I live on one." No kidding. Ist jetzt nicht das allerüberzeugendste Argument, um jemandem zu sagen, dass er die Klappe halten solle ...

    2. Hansi Trab
      Hansi Trab · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

      @Daniel Schreiber Philosophischer Natur? Ihr Argument ist doch klar:

      Teil 1: "Science offers something close to certainty on many fronts, but on doom, it is ambiguous. The definitive things we can say are rooted in basic physics and clear measurements."

      Teil 2: "All of these things are magnified as the temperature increases, but if there is a sharp break, it will not come at a degree and a half or two degrees. Degrees are a human construct, a way of measuring and recording differences and changes. Nature does not think in Fahrenheit or Celsius. When we pass the 2° limit, as we certainly will without immediate action, we will receive no warning sign. Things will carry on much as before. A frog in the pot can ignore an alarm and carry on boiling. It is not in the nature of frogs to heed such warning signs."

      Sich auf die Apokalypse einrichten und damit zurechtkommen ohne etwas zu tun ist keine Option, denn dann wird die Menschheit, wie der Frosch im kochenden Wasser, auf keinen Fall überleben, zumindest nicht als lebenswerte, der jetzigen vergleichbare Zivilisation in einer lebenswerten Umwelt. Das sagt uns die Physik. Wenn wir etwas dagegen tun, wird die Menschheit vielleicht überleben. Das ist ihre Hoffnung.

    3. Daniel Schreiber
      Daniel Schreiber · vor 5 Jahren

      @Hansi Trab Ja, vielleicht sollten Sie erst einmal Franzens Text lesen, denn das, was Sie da sagen, ist genau das Gegenteil von dem, was er sagt. Die konstruktivistischen Argumente der Wissenschaftlerin sind klar philosophisch-theoretisch, nicht physikalisch, biologisch, chemisch oder in einem weiteren Sinne naturwissenschaftlich. Dass die "Natur nicht in Temperaturgraden denkt" , hat Franzen in seinem Text auch beschrieben, und zwar sehr viel besser. Dem Frosch-Klischee stimmt sein Text sinngemäß ebenfalls zu, auch wenn er niemals so tief sinkt, solch ausgeleierten Bilder zu verwenden. Ich kann total verstehen, dass man Franzen als Schriftsteller oder öffentliche Figur blöd finden kann. Aber bevor man ihn - wie diese Autorin - beschimpft oder sich zum Verteidiger einer pseudoempörten wissenschaftlichen Bloggerin aufschwingt, die "an Wunder glaubt", anstatt wissenschaftlich zu argumentieren, sollte man sich vielleicht darüber informieren, was er tatsächlich schreibt.

    4. Hansi Trab
      Hansi Trab · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

      @Daniel Schreiber Hoppla, langsam mit den jungen Pferden. Ich habe nicht ihre Meinung verteidigt oder Franzen angegriffen, sondern nur ihren Argumentationsstrang noch einmal erklärt, der mit "an Wunder glauben" einfach nichts zu tun hat. Das war doch lediglich ein launiger Nachsatz und selbstverständlich stützt sich ihr Argument auf die Autorität der Physik und ist kein konstruktivistisches.

      Unabhängig davon sehe ich es übrigens ähnlich wie Franzen, nämlich dass es neben dem Einsparen von CO2 noch sehr viele bisher stiefmütterlich behandelte Ansatzpunkte gibt, wo man durch bessere, gerechtere Politik das Klima deutlich beeinflussen kann. Ich sehe nur nicht, dass ausgerechnet eine Aufgabe des 2-Grad-Ziels diesen notwendigen Wandel auslösen sollte. Ist denn dann der Himmel plötzlich weniger blau oder die Illussion unberührter Natur oder gesellschaftlicher Normalität weniger intensiv?

      Wahrscheinlich würde auch dann erstmal einfach so weitergemacht, dann aber möglicherweise unter dem Vorzeichen eines allgemeinen gesellschaftszersetzenden Defätismus. Nicht gerade ein gute Voraussetzung für die dann so dringend benötigte Kooperation.

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