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Volk und Wirtschaft

Wer trägt wessen Verantwortung wohin?

Volker Hoff
IT-Consultant

Liest und schreibt über eine gute Zukunft, Gemeinwohl, Resilienz, Subsistenz und Suffizienz. Seit 2021 Mitglied der Utopistas.

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Volker HoffMontag, 29.11.2021

Der hier empfohlene mehr oder weniger zufällige Fund stammt aus der transcript-Reihe Soziologie.

Er trägt den eingängigen Titel "Reflexive Responsibilisierung. Verantwortung für nachhaltige Entwicklung".

Aus dem umfangreichen Band habe ich ausgerechnet zwei Standpunkte ausgewählt, weil sie mir die Diskussion um Verantwortung gut wiederzugeben scheinen. Und weil wir früher oder später wohl alle solche oder ähnliche Debatten werden führen müssen, habe ich mir erlaubt, die Beiträge von Armin Grunwald ("Warum Konsumentenverantwortung allein die Umwelt nicht rettet") und Niko Paech ("Überforderte Politik – warum nur individuelle Verantwortungsübernahme die Ökosphäre rettet") zu einem Dialog zusammenzufügen.

Ausgangspunkt ist also die Frage, wer die Verantwortung für notwendige Veränderungen hin zu einer auf Nachhaltigkeit beruhenden Weise des Lebens und Wirtschaftens tragen soll. Und nicht zuletzt die Frage, wohin uns die notwendigen Transformationen überhaupt führen sollen. Das Gespräch führen die rein fiktiven Charaktere Armin und Niko.

A: "Verantwortung kann doch nur übernehmen, wer in seinen Handlungsmöglichkeiten völlig frei ist, sich also frei entscheiden kann."

N: "Und das können wir nicht?"

A: "Natürlich nicht! Wie wir konsumieren hängt doch von Lebensstilen, Gewohnheiten, Werten und Anerkennung ab. Darauf haben wir praktisch keinen Einfluss."

N: "Komisch, den Systemzwang sehe ich nicht. Stattdessen geradezu überbordende Auswahlmöglichkeiten, Individualität bis ins kleinste Detail, dramatische Kaufkraftentwicklung und eine politische Allergie gegen alles, was mit Autorität oder punktueller Freiheitseinschränkung auch nur verwechselt werden könnte. Welche Rahmenbedingungen zwingen uns, Urlaubsflüge zu buchen, Häuser zu bauen oder SUVs zu kaufen?"

A: "Zum Beispiel Moden, die kommen und gehen. Wer soll da eine stabile Orientierung an Grundsätzen nachhaltiger Entwicklung durchsetzen?
Und generell: Maximal 20 Prozent des Konsums finden unter Beachtung von Umwelt- oder Nachhaltigkeitsüberlegungen statt. 80 bis 90 Prozent oft einfach nach dem Preis.
Es hält sich einfach niemand an Empfehlungen oder gar Vorgaben, also nützen sie nichts."

N: "Nach der Logik könnten wir uns jeglicher Verantwortung entledigen, indem wir ihr nur hinreichend oft zuwiderhandeln, um damit den empirischen Befund zu erbringen, dass der Zweck offenbar nicht erfüllt ist."

A: "Es fehlt aber doch schon am notwendigen Wissen über die systemischen Zusammenhänge hinter dem individuellen Handeln, dass z.B. weniger Fleisch weniger Wasserverbrauch bedeutet.
Eine nachhaltige Lösung würde den Konsum den Konsument:innen überlassen und ihnen volle Konsumentensouveränität zugestehen – aber gleichfalls dafür sorgen, dass dieser Konsum »quasi automatisch« nachhaltig und umweltverträglich wäre."

N: "Und wer sorgt dafür?"

A: "Wir müssen die Rahmenbedingungen, Systemzwänge und Anreizsysteme ändern. Die müssen Gegenstand einer öffentlichen Debatte werden und mittels transparenter und demokratisch legitimierter Verfahren für alle verbindlich gemacht werden.
Das kann ja auch durch Engagement auf öffentlichen Plattformen, in Dialogen, den (Massen-)Medien, oder auch in Organisationen passieren."

N: "Bloß wird keine demokratisch gewählte Regierung einem Wandel vorauseilen, sondern aus Furcht vor überforderten Wählern bestenfalls hinterher. Und wenn alles, was mehrheitsfähig ist, langfristig ins Desaster führt, was nützt dann die Politik?Geht aber viel einfacher: Transformation beginnt typischerweise in Nischen, wo sich Neuerungen zuerst als Minderheitenphänomen bewähren können. Die Vorreiter:innen (Pioniere, »early adopters«) geben sie dann der Kohorte mit der nächsthöheren Adoptionsschwelle weiter. Bei immer mehr beobachtbaren Adoptionen kann die nächsthöhere Adoptionsschwelle genommen werden."

A: "Das nützt aber schon deshalb nichts, weil China, Indien, Brasilien und Südafrika mehr statt weniger konsumieren, ohne viel Rücksicht auf Umwelt und Nachhaltigkeit."

N: "Mag sein, aber möglichst viele Individuen resilient werden zu lassen, um in einem »by design or by desaster« heraufziehenden Zeitalter der reduzierten Wohlstandsansprüche ein würdiges Dasein meistern zu können, ist die demokratische Alternative zu einer Strategie, die auf unerreichbare Mehrheiten oder makroökonomische Strukturveränderungen setzt."

Lust auf mehr? Der vollständige Sammelband ist als kostenloses PDF auf der verlinkten Seite erhältlich und hiermit - auch für tiefergehende Beiträge - wärmstens empfohlen.

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