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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Ich finde es schon spannend, wenn wir über einen bewusst geschaffenen Mechanismus in einem menschengemachten System streiten und offensichtlich nicht genau sagen können, was er nun sei. Sind Target-Salden denn nun Kredite oder sind es bloße Verrechnungssalden? Ich weiß es auch nach dem Lesen des Artikels immer noch nicht. Aber ich würde dem Schluss des Autors zustimmen,
dass sich mit dem Thema Target-Salden Aspekte verbinden, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind und ein wenig zur Zurückhaltung mit starken Meinungsäußerungen mahnen sollten…
Jenseits der Debattenkultur bleibt es trotzdem beunruhigend, dass selbst kluge Köpfe wie Hans Werner Sinn oder Martin Hellwig nicht zu einer Einigung kommen, ja völlig gegenteilige Einschätzungen propagieren. Wir also gar nicht wissen, ob die Milliarden nun in irgendeiner Form "real" sind oder nicht. So schreibt Sinn:
Es ist eine irreführende Verharmlosung, hier von bloßen Gegenbuchungen im Rahmen des Zahlungsverkehrs zu reden, denn die Target-Salden messen Nettoüberweisungen anderer Länder nach Deutschland, die die Bundesbank zwangen, im Auftrag anderer Notenbanken Zahlungsaufträge auszuführen.
Darauf antworten Hellwig und Isabel Schnabel in einem gemeinsamen Papier:
Bei den Target-Forderungen handelt es sich nicht um Kredite auf einzelvertraglicher Grundlage, sondern um Positionen in einem ESZB-internen Kontensystem [ESZB steht für: Europäisches System der Zentralbanken]; sie ergeben sich aus der im EU-Vertrag festgelegten Gesamtverantwortung des ESZB für die Funktionsfähigkeit der Zahlungssysteme, ... Die Target-Forderungen in der Bilanz der Deutschen Bundesbank begründen keinerlei Ansprüche. Die Zahlen entsprechen nicht dem Zeitwert der jeweils zu erwartenden Zahlungen.
Real ist das Europäische System der Zentralbanken offensichtlich ein hybrides Konstrukt, in dem die nationalen Zentralbanken wie die Deutsche Bundesbank einerseits Bestandteil eines politischen Systems, andererseits aber rechtlich selbständige Einheiten mit unterschiedlichen Eigentümern sind. Und die einzelnen Nationen können als Folge politischer Entscheidungen sogar aus dem System aussteigen und oder bankrott gehen. Was dann?
In der sehr interessanten Lesermeinung von Ingo Kampf zu dem Artikel kommt darauf u. a. folgendes Argument:
Aber wenn selbst Herr Draghi seinen Landsleuten ins Stammbuch schrieb, daß Italien beim Verlassen des Eurosystems die Target-2-Salden ausgleichen müßte, dann ist doch wohl der Ex-Chef des Systems von der Kredit-Funktion der Salden selbst überzeugt.
Dazu meint Christian Wrobel in seinem Leserkommentar, dass es bei einem Austritt viele Varianten gäbe, präferiert aber selbst folgendes Szenario:
Im Falle eines Austritts aus dem Euro überträgt die italienische Zentralbank in Höhe des Target-Saldos italienische Staatspapiere an die EZB und streicht im Gegenzug den Target-Saldo aus der Bilanz. Die EZB wiederum überträgt die Papiere (gem. dem Eigentumsschlüssel) an die anderen Zentralbanken. Bei der Bundesbank würde in der Bilanz ein Aktivtausch stattfinden. Der Bestand an Wertpapieren würde sich erhöhen und der Target-Saldo (oder auch Forderung gegenüber der EZB) würde sich verringern. Nun wäre es aber so, das italienische Staatspapiere nach einem Austritt Italiens hohe Bewertungsverluste erfahren würden. Und diese Bewertungsverluste würden dann nach geltenden Regeln zu einem hohen Verlust bei der Bundesbank führen.
All diese Unklarheiten klingen nach Diskussionsbedarf, sind doch inzwischen (Juni 2010) die Forderungen der Deutschen Bundesbank aus dem Target-2-System auf den neuen Rekord von 995 Milliarden Euro gestiegen. Im Vergleich dazu verzeichnen die Verbindlichkeiten der Banca d’Italia mit 537 Milliarden Euro ebenso eine Rekordhöhe. Im Einzelnen wird über die Ursachen gestritten. Dass dahinter grundsätzlich die expansive Geldpolitik der EZB steht, wird jedoch kaum in Frage gestellt. Nun können wir hoffen, dass Italien nicht austritt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Aber es wäre trotzdem gut, für den Fall der Fälle eine Klärung zu haben – der Brexit lässt grüßen.
Quelle: Gerald Braunberger blogs.faz.net
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Interessantes Thema. Ich neige eher zu Sinn. Hellwig argumentiert mit einer verbogenen Realität: Die EZB ist eigenständig und es gibt keine nationalen Zentralbanken. Die EZB ist nicht das selbe wie die Summe aller europäischen Zentralbanken. Interessant fände ich zwei Gedankenexperimente:
1. Was passiert wenn ein EU Land pleite geht?
2. Was passiert wenn der Euro abgeschafft würde?
Hatten Länder mit Forderungen dann Nachteile hat Sinn wohl recht.
Wenn Forderungen keine Ansprüche begründen, sind es dann noch Forderungen?