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Volk und Wirtschaft

Silicon Saxony – eine Hoffnung für den Wohlstand von morgen?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
Zum Kurator'innen-Profil
Thomas WahlDonnerstag, 01.09.2022

Florierende, innovative Wirtschaftsstandorte sind letztendlich das Herz unseres Wohlstandes. Und dieses Herz schwächelt seid geraumer Zeit. Gabor Steingart hat das 2004 in seinem Buch "Deutschland – Abstieg eines Superstars" warnend beschrieben. Dazu damals "Die Zeit" in ihrer Rezension:

Nicht mehr militärische, sondern wirtschaftliche Stärke entscheide über Aufstieg und Fall der Nationen. Hier aber, im "Energiezentrum der Wirtschaft", wo investiert und gearbeitet wird und die Wertschöpfung stattfindet, habe in Deutschland schon lange eine "Kernschmelze" begonnen, welche nun, in Verbindung mit einem "überforderten" Sozialstaat, das Land in den Abgrund zu reißen drohe. 

Der Artikel nun gibt einen sehr informativen Einblick in ein modernes Zentrum unserer Wirtschaft im oft unterschätzten Osten und zeigt damit, dass noch industrielle "Glutkerne" vorhanden sind. Es geht um Dresden als wichtigen Standort der deutschen und europäischen Halbleiterindustrie. Wie kam es zu dieser regionalen Schwerpunktsetzung? Warum zog es die Branche damals in die sächsische Hauptstadt? 

Sachsen war in den letzten 200 Jahren immer schon ein Schwerpunkt der Industrialisierung und der Innovation. Hier eine kurze historische Selbstdarstellung:

Schon im 18. Jahrhundert begann in Sachsen mit dem Aufbau der ersten Maschinenbaubetriebe das Industriezeitalter. Die Region war damit Vorreiter auf dem europäischen Festland. Die erste in Deutschland konstruierte Lokomotive, der erste Sechszylinder-Motor, der mittig gesetzte Schalthebel im Auto – alles Innovationen aus Sachsen. Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Industriestädte Chemnitz, Zwickau und ihr Umland die Region Europas mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen.

Tradition ist also wichtig und wurde auch in der DDR nicht völlig verspielt. Mikroelektronik spielt in Dresden seit Anfang der 60er Jahre eine Rolle. 1961 wurde hier die Arbeitsstelle für Molekularelektronik (AME) gegründet, 1976 umbenannt in Institut für Mikroelektronik Dresden (IMD). 1980 entstand durch Fusion mit anderen Forschingseinrichtungen das Zentrum für Forschung und Technologie Mikroelektronik (ZFTM) mit etwa 1550 Angestellten. Die DDR hat in diesen Industriezweig für ihre Verhältnisse als kleiner Staat irrwitzige Summen gesteckt. Die Beherrschung der Mikroelektronik galt als eine Grundbedingung für Wirtschaft und Wohlstand. Was sicher richtig war, aber nur in einer globalen Arbeitsteilung wirtschaftlich machbar ist.

In der Wende 1990 wurde dann das bis dahin volkseigene Forschungszentrum mit insgesamt etwa 3000 Beschäftigten in die ZMD GmbH i.G überführt. Daraus entstand das heutige Unternehmens ZMD, mit noch etwa weltweit 280 Beschäftigten, davon rund 160 Ingenieure, die überwiegend an Produktentwicklungen arbeiten. Vom Anspruch und dem Arbeitskräftepotential natürlich nur ein Schatten seiner selbst. Aber für die folgenden Neugründungen waren die richtigen Fachkräfte vorhanden und die Universität konnte auch schnell qualifizierten Nachwuchs liefern. Dabei wird oft die Rolle 
des CDU-Politikers Kurt Biedenkopf hervor(gehoben), der von 1990 bis 2002 erster Ministerpräsident des Bundeslands nach der Wende war. Wiewohl Westdeutscher, habe er an die Halbleitertradition aus der DDR geglaubt und mit Forschungsförderung und Industrieansiedlungen gezielt versucht, die Branche in Dresden aufzubauen.

Was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Aus dem Bundesministerium für Forschung und Technologie sind damals bewusst auch Forschungsmittel nach Dresden transferiert worden. Und so ist wieder ein ganzes regionales "Biotop" aus Halbleiterindustrie, Halbleiterforschung und Bildung entstanden:

GF ist einer von zahlreichen bekannten Namen aus der Halbleiterbranche, die sich hier angesiedelt haben. Auch Bosch und Infineon betreiben in Dresden Chipfabriken; ein führender Zulieferer, die Münchner Siltronic, stellt im nahen Freiberg Wafer her, auf denen Chips gefertigt werden. Und um sie herum hat sich ein ganzes Ökosystem von Herstellern, Zulieferern, Dienstleistern, Startups und Forschungsinstituten aus der Mikroelektronik und der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) mit rund 73 000 Beschäftigten entwickelt.

Zwar hat keiner der großen Konzerne seinen Hauptsitz in Dresden, was oft als Beweis für originäre Standorte gewertet wird. Aber das Silicon Saxony ist trotzdem mehr als eine verlängerte Werkbank. Dafür sorgt u. a. die Technische Universität, eine der speziell geförderten «Exzellenzuniversitäten» in Deutschland sowie zahlreiche spezialisierte Forschungseinrichtungen.

Eine davon ist das … Center Nanoelectronic Technologies (CNT), das einige hundert Meter vom Firmengelände von Globalfoundries entfernt liegt. 2005 wurde es als Partnerschaft mit den Firmen Infineon und AMD gegründet; heute ist es ein Geschäftsbereich des Fraunhofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme (IPMS) – eines von über zehn Fraunhofer-Instituten hier in Dresden. Das CNT beschäftigt über 90 Personen und hat einen eigenen Reinraum; Forschungsthemen sind zum Beispiel effizientere Produktionsprozesse oder umweltfreundlichere Materialien.

Hier haben wir also einige der wesentlichen Erfolgsfaktoren – Tradition, Fachkräfte, enge Kooperation mit Forschung und Bildung sowie Förderung durch Politik. Das ist attraktiv für den wesentlichen Faktor – Investitionen. Bosch z. B. hat in sein Dresdner Werk, das mit 300-Millimeter-Wafern arbeitet und nach Firmenangaben das modernste in Europa ist, eine Milliarde Euro investiert. Und will (bzw. muss wohl, um Wettbewerbsfähig zu bleiben) an seinen beiden Halbleiterstandorten Dresden und Reutlingen bis 2026 gut 3 Milliarden Euro ausgeben. Und das ist noch wenig, verglichen mit der Großinvestition von Microsoft im gut 200 Kilometer entfernten Magdeburg (Sachsen-Anhalt):
Dort will der amerikanische Hersteller Intel zwei Halbleiterfabriken mit 3000 Arbeitsplätzen und einer Anfangsinvestition von 17 Milliarden Euro errichten, wie er im März angekündigt hat.

Ganz wesentlich für die Fortentwicklung solcher Halbleiter-Cluster scheint auch global die öffentliche Unterstützung. Die USA gewähren Milliardensummen für die Standortförderung. Auch China versucht mit aller Macht und viel Geld, an die technologische Spitze vorzustoßen. In Europa ist es aktuell vor allem die Förderungen der Mikroelektronik, im Rahmen des "Important Project of Common European Interest (IPCEI)". Hier ermöglicht die EU nationale Subventionen für die Branche ohne die Verletzung der EU-Beihilferegeln.

Bosch zum Beispiel hat daraus für seine Halbleiteraktivitäten eine Förderung von 200 Millionen Euro erhalten. 140 Millionen Euro davon sind in den Bau des Dresdener Werk geflossen. Bei den im Juli angekündigten zusätzlichen Investitionen setzt der Konzern auf das Nachfolgeprogramm IPCEI 2.

Und trotzdem kommen Halbleiter inzwischen vor allem aus Asien,
wobei die dortige Produktion zum Teil aus Auftragsfertigungen für US-Konzerne besteht. Der europäische Anteil an der weltweiten Produktion hingegen liegt unter 10 Prozent. Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission im Februar ein Halbleitergesetz (European Chips Act) vorgeschlagen, das öffentliche und private Investitionen im Umfang von 43 Milliarden Euro mobilisieren und den Marktanteil der EU bis 2030 auf 20 Prozent verdoppeln soll. Brüssel argumentiert mit der «digitalen Souveränität» Europas, die bedroht sei.
Nichts ist also sicher, aber es besteht Hoffnung. Ich glaube allerdings, wir müssen uns viel stärker die Bedingungen und Voraussetzungen für eine Erfolgreiche Industriepolitik klar machen – mindestens mit der gleichen Leidenschaft und Sachkenntnis, mit der wir über das Gendern oder die Zahl der Geschlechter streiten. 
Silicon Saxony – eine Hoffnung für den Wohlstand von morgen?

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