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Volk und Wirtschaft

Rente – von Schweden lernen?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSonntag, 13.06.2021

Schweden und Dänemark gelten mit ihren Rentensystemen oft als Vorbild für Deutschland. Ein Grund, einmal genauer hinzusehen – was die NZZ in diesem Artikel auch tut. Zumal hierzulande ja das Rentenalter eher tabu ist und die Rentenhöhe nur nach oben gehen sollte. So allerdings hat Schweden 1998 sein Pensionssystem zukunftssicher gemacht: Es basiert darauf, dass sowohl die Konjunkturentwicklung als auch die durchschnittliche Lebenserwartung auf die Höhe der gezahlten Altersrenten durchschlagen. Zumindest im «allgemeinen Sektor», der ersten Säule des Pensionssystems (was in D die gesetzliche Rente ist).

Immer wenn es Frühling wird, flattert allen Schwedinnen und Schweden das sogenannte orange Couvert in den Briefkasten. Es ist der Jahresauszug der staatlichen Rentenbehörde (Pensionsmyndigheten), der Auskunft gibt über das persönliche Konto und darüber, ob man nun noch im Erwerbsalter ist oder bereits in Pension. Das Dokument ist für viele nicht nur etwas umständlich zu entziffern, sondern kann auch unangenehme Überraschungen bereithalten für diejenigen, die ihre Rente schon beziehen. Denn diese kann plötzlich kleiner geworden sein.

Was in der globalen Finanz- und Schuldenkrise von 2008 auch funktionierte. Die automatischen Stabilisatoren taten, was sie tun sollten. Was für die Rentenbezügler ein Schock war. 

Plötzlich erlebten sie hautnah, dass die Höhe ihrer Rente nicht mehr in Stein gemeisselt war.

Daneben gibt es noch die nach dem Kapitaldeckungsverfahren angesparte Pension aus der beruflichen Vorsorge. Die trägt bei mittleren Erwerbseinkommen später etwa 15–25 % zu den Bezügen im Rentenalter bei. 

Dass diese Systemänderung zustande kam, ist einer krassen schwedischen Wirtschaftskrise in den 90er Jahren „zu verdanken“. Die Kosten für den riesigen öffentlichen Sektor und das ausgedehnte Sozialsystem wurden untragbar. Dazu kam die ungünstige demographische Entwicklung. 

Bei der Pensionsreform ging es also weniger um unmittelbare soziale Gerechtigkeit, „sondern die Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des gesamten Systems“. Ohne die zukünftig überhaupt keine gerechte Gesellschaft möglich gewesen wäre – Verantwortungsethik eben. Und so mussten auch

die Sozialdemokraten einer einschneidenden Generalüberholung des von ihnen selbst geschaffenen Systems zustimmen und sich damit ideologisch teilweise verleugnen.

Dänemark hat ein dem schwedischen Modell ähnliches System installiert. Allerdings wird die erste Säule nicht durch ein Umlageverfahren, sondern direkt aus dem Staatsbudget finanziert. Man steuert über die Relationen von Rentenalter und Lebenserwartung (wobei sicher auch eine demographische Variable eingebaut ist).

Dazu ist in mehreren Reformschritten eine Art Indexierung des Renteneintrittsalters verabschiedet worden. Der Mechanismus wird alle 5 Jahre überprüft und tritt jeweils 15 Jahre nach der Bestimmung der Variablen in Kraft. Das heisst, dass 2030 der Beschluss von 2015 Gültigkeit erlangt, das Renteneintrittsalter dann auf 68 Jahre anzuheben... Dennoch könnte bis 2070 das reguläre Pensionsalter damit in Dänemark bei 74 Jahren liegen.

Zwar gelten Schweden und Dänemark mit ihren «eingebauten Stabilisatoren» weltweit als Vorbilder in punkto Nachhaltigkeit. Aber Probleme und erbitterte Diskussionen bleiben. 

Denn wenn die Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht Schritt hält mit der Erhöhung der allgemeinen Lebenserwartung, heisst das, dass ihre Pensionen genau deshalb schwinden. Rund 300 000 schwedische Rentenbezüger (15% aller Pensionäre) leben heute im Bereich der Armutsgrenze.

Auch sonst sind die Parameter des schwedischen Systems unseren deutschen Strukturen nicht unähnlich:

Die Beitragshöhe liegt bei 18,5% des Lohns bzw. anderer steuerbarer Einkünfte; die Zahlung verteilt sich auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Grossteil fällt der Finanzierung der laufenden Rentenauszahlungen zu; lediglich 2,5 Lohnprozente werden als «Premium-Pension» einem individuellen Konto gutgeschrieben, wo der Arbeitnehmer über die Anlagestrategie selber bestimmen kann. Tut er das nicht, erhält er ein Konto bei einem staatlichen Standardfonds.

Die kapitalgedeckte Säule ist also dort nicht freiwillig, sondern vorgeschrieben. Sicher sinnvoller als Riester und Co.

Die Sozialstaaten suchen gezwungenermaßen nachhaltige Lösungen für die Renten ihrer Bürger. Den abschließenden großen Wurf gibt es dabei nicht – wie Schweden und Dänemark zeigen. Und nachhaltig ist nicht gleich reichhaltig – wie der Artikel treffend formuliert.

Rente – von Schweden lernen?

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