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Volk und Wirtschaft

Leben auf dem Donut – die Vision vom Nullwachstum

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSamstag, 01.05.2021

Ökonomie scheint am überzeugendsten, wenn sie in einfachen Metaphern daherkommt. Von der unsichtbaren Hand des Marktes über den Kapitalisten als Funktionär des Kapitals, der Laffer-Kurve bei den Steuereinnahmen bis zur aktuellen Donut-Theorie für eine Wirtschaft ohne Wachstum – immer sind es suggestive Bilder, die Bürger, Aktivisten, Experten und Politiker beeindrucken.

Laffer zeichnete eine abenteuerliche Kurve auf seine Serviette, die in die Wirtschaftsgeschichte eingehen sollte. Entgegen jeder wissenschaftlichen Evidenz zeigte sie, dass der Staat ab einem gewissen Punkt die Steuern stark senken und trotzdem mehr Einnahmen generieren könnte. Es war ein verlockendes Versprechen, so verlockend, dass die Laffer-Kurve Anfang der 1980er Jahre unter Präsident Ronald Reagan zur Grundlage der Haushaltspolitik wurde – nur wahr wurde die Idee dadurch nicht, denn anders als von Laffer vorausgesagt, stiegen die Defizite deutlich.

Gerade kursiert das Bild des Donuts als Metapher für eine Ökonomie, die nach außen durch Ressourcen bestimmt ist und nach innen durch soziale Aufgaben. Das sehr einprägsame Bild stammt von der Ökonomin Kate ­Raworth,

die damit nichts Geringeres verspricht als den Sturz herkömmlicher Wirtschaftsmodelle. ... Und sie beginnt mit der Frage: Was müsste eigentlich unser wirtschaftliches Ziel sein? Die Antwort: ein Leben auf dem Ring des Donuts. Gegen aussen hin wird unser Handeln damit begrenzt, dass wir die Umwelt nicht unwiderruflich schädigen und dass wir nachhaltig mit ökologischen Ressourcen haushalten sollen. Gegen innen ist die Grenze eine soziale: Niemand darf hungern und arm sein, alle sollen Zugang zum Gesundheitswesen und Anrecht auf eine anständige Bildung haben ... Die Aufgabe von Raworth’ nachhaltiger Ökonomie wäre es jetzt, die Wirtschaft in diesen Korridor zu steuern, in die «sichere Zone des Donuts».

Das Einfache, das schwer zu verwirklichen ist? 

Sicher stimmt es, dass die Grenzen für einen tragbaren Umgang im gegenwärtigen Modus unserer Wirtschaften überschritten werden. Eine Fixierung auf lineares Wachstum im Ressourcenverbrauch ist nicht zukunftsfähig. 

Raworths Lösungsvorschlag:
Um zu einer Ökonomie fürs 21. Jahrhundert zu kommen, müsse man anders denken: das Ziel einer «wachsenden» durch eine «prosperierende» Wirtschaft zu ersetzen, in der nicht der Wert der produzierten Waren und Dienstleistungen (Bruttoinlandprodukt), sondern das «Wohlbefinden der Menschen» im Zentrum stehe. 

Wobei es nicht der Wert der produzierten Waren ist, sondern die materiellen und energetischen Ressourcen, die bei Produktion und Konsum verbraucht werden. Damit diese Lösung funktioniert, wird der Homo oeconomicus (der in den neueren Konzepten der Ökonomen auch irrationale Momente einschließt) durch den Homo donut ersetzt. Das ist eine 

in Gesellschaft und Umwelt eingebettete multiple Persönlichkeit, die mehrere Identitäten gleichzeitig hat und sich auf einmal für weniger statt für mehr entscheidet.

Alain Zucker, der kritische Autor des Artikels, hält dagegen. Das Konzept des nicht ganz rationalen Homo oeconomicus scheint eigentlich unsere Welt und unser Verhalten ganz gut abzubilden. 

 «Das Modell kann die Welt gut erklären. Es geht ja nicht darum zu sagen, dass der Mensch ein Egoist ist, sondern nur darum, wie er sich auf dem Markt verhält», sagt kein Neoliberaler, sondern der gewerkschaftsnahe Professor Peter Bofinger. 

Für viele Ökonomen führt Nullwachstum in der heute existierenden Wirtschaft in die Abwärtsspirale. Ohne Wachstum machen Unternehmen Verluste, die Nachfrage sinkt, Jobs verschwinden. Unsere Sozialstaaten werden unfinanzierbar.

Die Frage, gibt es auch mit den real existierenden Menschen einen Ausweg – in dem die Wirtschaft wächst, der Wohlstand global steigt und die Natur überlebt, die Klimaerwärmung gestoppt wird? Ja, meint Sir Partha Dasgupta, einer der angesehensten Umweltökonomen.

Er ortet zunächst zwei Ursachen für die Misere: Erstens werde die Natur nicht wie Kapital und Arbeit als Vermögenswert angesehen. ... Zweitens macht er ein «tiefsitzendes und verbreitetes institutionelles Versagen» aus und meint damit die Politik, die es nicht schafft, wirksame Umweltsteuern einzuführen oder durchsetzbare Vereinbarungen zu treffen.

Er sieht vier Wege, die den Preismechanismus beibehalten: den (materiellen) Konsum über Lenkungsabgaben senken, die Natur effizienter nutzen (etwa mit Gentechnik), das Bevölkerungswachstum in Entwicklungsländern stoppen und besonders in ärmeren Ländern in Natur investieren.

Leben auf dem Donut – die Vision vom  Nullwachstum

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Kommentare 8
  1. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

    Leider kann ich den Artikel nicht lesen. Ich bekomme nur den ersten Abschnitt angezeigt und keine weiteren Optionen. Muss ich mich dafür anmelden, oder ist das technisch bedingt?

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      Man muß sich bei NZZ registrieren. Oder im Anonymmodus des Browsers.

    2. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Bin immer "anonym" bei Firefox, geht trotzdem nicht.
      Egal: ich habe das Buch von Raworth gelesen und finde, sie hat eine gute Option entwickelt. Wie so oft, auch z.B. bei der Gemeinwohlökonomie, lässt sich das nicht alles von jetzt auf gleich umstellen. Doch das Interesse an neuen Modellen zeigt, dass das aktuelle nicht mehr für alle passt. Vermutlich wird sich, das haben wir ja an anderer Stelle schon diskutiert, das Ganze langsam und stetig in die eine odere andere Richtung entwickeln. Genau so, wie sich auch das jetzige System entwickelt hat.

      Es gibt ja mittlerweile neue Parameter: Die Karten wurden durch Corona neu gemischt. Soziale Unterschiede zeigen sich noch deutlicher. Trump ist nicht mehr im Amt. Das Bundesverfassungsgericht fordert eine Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes. All das - und vieles andere - hat Folgen.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Gabriele Feile Komisch, ich komme da rein. Ohne Abo oder so?

      Ich bin, was die Zukunft betrifft, gar nicht so pessimistisch. Denke nur, es wird viel länger dauern als 10 Jahre, Sonne und Wind werden nicht reichen und zeitweise werden wir auch die 2 Grad reißen.
      Die großen Unbekannten sind die sich entwickelnden Nationen und Afrika. Wie sich die verschiedenen Akteure zukünftig verhalten, ist offen. Man kann das ja mal spieltheoretisch durch deklinieren. Die Menschheit agiert ja leider nicht als "Kollektiv". Insofern ist das Modell von Raworth eher eine idealistische Kopfgeburt. Genau so wenig wie die Spaltung in Arm und Reich heute wirklich eine gewollte politische Entscheidung ist wird man eine global gerechte Welt bewußt gestalten können. Das ist magisches Denken, keine Wissenschaft. Aber man kann versuchen evolutionär einer besseren Welt näher zu kommen. Wie das ja seit längerem geschieht. Ganz langsam, mehr oder wenig stetig.

      Bei dem Begriff "Gemeinwohl" bin ich skeptisch, gerade bei den globalen Widersprüchen. An die neuen "social adaptable humans" glaube ich auch nicht wirklich. Wenn, dann sind es wahrscheinlich brutale Lernprozesse, die die Welt durchmacht. Und da hat sich der Kapitalismus als Ökonomie eigentlich immer effizient und innovativ an neue Bedingungen angepasst. Jedenfalls besser als alle großen Zukunftsentwürfe.

      Und vor allem, es wird nicht ohne Wachstum gehen.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      Was vielleicht auch hilft - unter Firefox - Einstellungen - Datenverwaltung - die privaten Daten löschen.

  2. Michael Bauer-Leeb
    Michael Bauer-Leeb · vor mehr als 3 Jahre

    Raworth spricht nicht von Nullwachstum, sondern wörtlich davon, dass wir "agnostic about growth" werden müssen. Damit meint sie eine Abkehr vom politischen Ziel unendlichen (super-)exponentiellen BIP-Wachstums hin zu Phasen von Wachstum, Stabilisierung und auch Schrumpfung. Sie kritisiert die nach dem 2. Weltkrieg erfolgte Bedeutungsverschiebung des BIP als Maßzahl wirtschaftlicher Entwicklung zum bestimmenden Ziel von Wirtschafts- und damit auch Gesellschaftspolitik. Dies hat zur Folge, dass wichtige Fragen nicht mehr gestellt werden (dürfen): Was soll wachsen, wofür und wie weit, was muss gehen, wie viel ist genug?

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      Na ja, das BIP-Wachstum wird ja rein monetär gemessen. Und ist damit erst mal nicht problematisch. Diese Kritik halte ich daher so für nicht gerechtfertigt, für nicht ganz logisch. Die Frage ist, was versteckt sich dahinter an Ressourcenverbrauch. Und die Frage "Was soll wachsen, wofür und wie weit, was muss gehen, wie viel ist genug?" wird eigentlich ständig gestellt und beantwortet. Auch wenn die Antworten oft nicht richtig, nicht schnell genug oder auch die falschen umgesetzt werden. Jedenfalls glaube ich nicht, dass wir unsere Infrastrukturen, unsere Gesellschaften für die Klimapolitik ohne Wachstum (monetär und auch von den Ressourcen) anpassen können. Global schon gar nicht und national wird es auch teuer und materialintensiv.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      Das Märchen vom exponentiellen Wachstum?
      "Das Erstaunliche am exponentiellen Wirtschaftswachstum – von den einen als unverzichtbar gefordert, von den anderen als unverantwortlich abgelehnt – aber ist nun: Es existiert nicht. Stattdessen wuchs die bundesdeutsche Volkswirtschaft in jedem Jahrzehnt um etwa 300 Milliarden Euro, also linear. Natürlich gab es das konjunkturelle Auf und Ab, wodurch das Wachstum in einigen Jahren etwas über-, in den nächsten Jahren etwas unterdurchschnittlich ausfiel. Doch wie in der Grafik dargestellt, folgen diese Zyklen einem Wachstumspfad, der einer Geraden entspricht. Ein lineares Wachstum aber hat zwangsläufig zur Folge, dass die Wachstumsraten, also das Wachstum in Prozent, langfristig sinken – und zwar unabhängig von verschiedenen Wirtschaftspolitiken oder zwischenzeitlichen Krisen und Aufschwüngen.

      Die Grafik zeigt auch, wie sich gemäß früherer Erwartungen das deutsche BIP hätte entwickeln müssen und wie es sich tatsächlich entwickelt hat. Diese Erwartung eines exponentiellen Wachstums weicht von der linearen Wirklichkeit immer stärker ab. Dementsprechend fallen etwa auch die Wachstumserwartungen geradezu ‚chronisch‘ falsch aus: Ein Vergleich der Projektionen nach den Finanzplänen des Bundes mit dem tatsächlichen Wachstum zeigt, dass die Erwartung in 23 von 26 Projektionen deutlich zu hoch angesetzt gewesen ist.

      Der permanente Widerspruch zwischen Wachstumserwartung und tatsächlichem Wachstumsverlauf legt die Frage nahe, ob es sich bei dem linearen Trend um ein deutsches Phänomen handelt. Die Antwort lautet: Nein. Anhand von Datenmaterial der OECD konnte das Institut für Wachstumsstudien zeigen, dass sinkende Wachstumsraten kein deutscher Sonderfall sind, sondern typisch für industrialisierte Volkswirtschaften. Nur zwei von zwanzig untersuchten Ländern, nämlich Großbritannien und – bis vor einigen Jahren – Irland, konnten über lange Phasen hinweg mit (niedrigen) konstanten Wachstumsraten aufwarten." ...."
      https://www.fr.de/fr-s...
      https://www.deutschlan...

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