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Studium der Philosophie, Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg und Paris, Promotion in Frankfurt am Main. Er lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Siegen und lebt als freier Autor und Dozent in München. Radiobeiträge für Bayerischer Rundfunk, Deutschlandfunk und Südwestrundfunk, Artikel unter anderem für Blätter für deutsche und internationale Politik, Der Freitag, Jungle World, Telepolis.
Jüngste Buchveröffentlichungen: Richtig falsch. Es gibt ein richtiges Leben im falschen (2019); Kulturarbeit. Progressive Desillusionierung und professionelle Amateure (2022)
Der Beitrag aus einer Publikation der österreichischen Arbeiterkammer zeigt auf, wie genial das Instrument der Kurzarbeit ist. Und zwar nicht nur in Zeiten von Wirtschaftskrisen mit massiven Einbrüchen in Produktion und Dienstleistung, sondern auch darüber hinaus. Nach Beendigung einer Rezession kann Kurzarbeit dazu benutzt werden, die vorhandene Arbeit insgesamt fairer auf alle Arbeitnehmer zu verteilen. Insofern weist Kurzarbeit weit über die aktuelle Krise hinaus und deutet die Perspektive einer neuen gewerkschaftlichen Offensive für generelle Arbeitszeitverkürzungen an.
Diese Perspektive ist umso wichtiger, als aktuell in Deutschland das Arbeitgeberlager die Krise dazu benutzt, das genaue Gegenteil zu betreiben: Mit Änderungen am Arbeitszeitgesetz soll die Höchstarbeitszeit in ungeahnte Höhen geschraubt werden, um einige Arbeitnehmer zu permanenten Überstunden zu treiben, während andere in Untätigkeit verharren.
Der Beitrag legt sehr präzise anhand von Zahlen dar, dass Kurzarbeit für Staat, Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Win-Win-Situation darstellt. Das grundlegende Argument lautet:
"Um die Auswirkungen von Covid-19 am Arbeitsmarkt abzufedern, haben die Sozialpartner in Österreich ein neues Kurzarbeit-Modell entwickelt, das sowohl den ArbeitnehmerInnen, den Betrieben, aber auch dem Staat große Vorteile bietet. Wer nur die fiskalischen Kosten von Kurzarbeitsbeihilfen diskutiert, ignoriert den hohen volkswirtschaftlichen Nutzen und verschweigt die fiskalischen Kosten der Alternative: Arbeitslosengeld für mehr als 560.000 Menschen zu zahlen. Dabei zeigt sich auch, dass eine Arbeitszeitreduktion für alle weniger kosten kann als Arbeitslosigkeit."
Das großangelegte Experiment mit Kurzarbeit, mit welchem Länder wie Deutschland und Österreich schon während der Finanzkrise sehr erfolgreich waren (der Anstieg der Arbeitslosigkeit konnte in Grenzen gehalten werden) verdient es, über die Krise hinaus erweitert und fortentwickelt zu werden. Stellt der eigentliche Skandal unserer Gesellschaft im Bereich der Arbeitsverhältnisse doch die denkbar schlechte Verteilung von Arbeit dar: die dauerhafte soziale Spaltung in Über- und Unterbeschäftigte. Das betrifft, wie in der Krise nun deutlich wird, nicht nur die bezahlte Arbeit, sondern auch die unbezahlte Arbeit in Haushalt und Familie, die im Kontext von Homeoffice und mangelnder Kinderbetreuung heute immer mehr in den Fokus gerät. Deswegen ist es Zeit, über eine allgemeine und immer weitergehende Verkürzung der Arbeitszeiten nachzudenken – also Kurzarbeit für alle. Damit am Ende vielleicht eines Tages der Traum des Ökosozialisten André Gorz wahr wird: "Weniger arbeiten, damit alle arbeiten, und besser leben können."
"Darüber hinaus bringt die Kurzarbeit auch positive gesellschaftliche Effekte. Es macht sozialpsychologisch einen großen Unterschied, ob ein großer Teil der Bevölkerung in Beschäftigung oder arbeitslos ist. Der Umstand, dass jetzt mehrere 100.000 ArbeitnehmerInnen positive Erfahrungen mit einer Arbeitszeitverkürzung, mit mehr Zeit für Familie und für Privatinteressen haben, kann zu einem Wertewandel und einer generellen Diskussion über Arbeitszeitverkürzung beitragen. Auch nach der Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Erfahrungen mit Kurzarbeit zu dauerhaften Arbeitszeitverkürzungen in manchen Betrieben geführt. So arbeiten beispielsweise in der Voest Alpine seitdem mehr als 1.000 Beschäftigte nur noch 34,4 Stunden. Auf ähnlich positive längerfristige Veränderungen ist auch nach der Corona-Krise zu hoffen."
Quelle: Jürgen Figerl, Dennis Tamesberger, Simon Theurl / A&W Blog awblog.at
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