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Volk und Wirtschaft

Habeck, der zur Mitte drängt – eine Rezension

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMontag, 01.02.2021

Robert Habecks Bücher verkaufen sich offensichtlich gut. Der Mann ist gebildet, kann denken, er formuliert gut und er hat eine Mission – Kanzlerkandidat. Und so formuliert der Rezensent zum neuen Buch "Von hier an anders. Eine politische Skizze" des Co-Vorsitzenden der Grünen:

Das mittlerweile sprichwörtliche Rütteln am Zaun des Kanzleramts ist bei Habeck auf jeder Seite, fast in jeder Zeile, zu spüren. Geschenkt – kein Wort mehr dazu, also zum Politischen am Persönlichen. Soziologisch wie gesellschaftspolitisch interessant ist ja vielmehr, wie sich, verborgen zwischen jeder Zeile des Buches, eine grün-schwarze Zweckehe anbahnt, wie hier – im Namen der Gesellschaft, der Gemeinsamkeit, des Ganzen – die ideellen Fundamente jener nach der kommenden Bundestagswahl anstehenden Kiwi-Koalition gelegt werden, ...

So ist es, was hätten wir also zu erwarten? Offensichtlich, so der Rezensent Stephan Lessenich, eine Politik mit Blick auf die Mitte. Und zwar nicht so sehr auf die ökonomische und politische Mitte. Es geht um die kulturelle, die „normative Mitte“ der Gesellschaft. Das ist

für den Grünen-Chef der Ort jenes gesellschaftszersetzenden, potenziell zerstörerischen Treibens, dem er politisch mit aller Macht entgegenzuwirken und idealerweise Einhalt zu gebieten trachtet.

Seine Warnung im vorliegenden Buch ist es „das Mitte-Versprechen nicht verächtlich [zu] machen“ , um nicht die Axt an die deutsche Demokratie zu legen. Er wendet sich dabei auch an das links-alternativ-progressive Lager, das er wohl in einem gesellschaftspolitischen Egotrip sieht und damit auch als ein Quell der Polarisierung.

Was die Ökonomie betrifft, ist Habeck ein Marktwirtschaftler. Lessenich ordnet ihn ein in die „Denkschule" seines Parteifreundes Ralf Fücks. Der stand schon als Vorstand der Heinrich Böll Stiftung für eine starke liberale Position und für die Vereinbarkeit von Ökologie und Freiheit:
Ange­sichts der Zuspit­zung öko­lo­gi­scher Krisen stehen wir vor drei abseh­ba­ren Optio­nen. Die erste liegt in der Radi­ka­li­sie­rung einer Umkehr­be­we­gung. Sie sucht die Rettung in der frei­wil­li­gen oder erzwun­ge­nen Umpro­gram­mie­rung des Men­schen, in Ver­zicht und Verbot. Ihr Gegen­pol ist ein trot­zi­ges „weiter so“. Slo­ter­dijk nennt das eine „kom­ple­men­täre Welle der Resi­gna­tion, des Defä­tis­mus und des zyni­schen Nach-uns-die-Sint­flut“. ... Die dritte Mög­lich­keit liegt in einer neuen Syn­these zwi­schen Natur und Technik, einer Ko-Evo­lu­tion zwi­schen Bio­sphäre und tech­ni­scher Zivi­li­sa­tion. Ange­sichts der Belas­tungs­gren­zen des Erd­sys­tems bleiben uns zwei große Quellen des Fort­schritts: Die Ein­strah­lung von Son­nen­en­er­gie auf die Erde und die mensch­li­che Krea­ti­vi­tät. 
Ökonomisch geht Habeck auch konform mit dem jüngst verabschiedeten Grundsatzprogramm der Grünen, das die „Dynamik und Schaffenskraft“ der Märkte lobt.
Auch in Habecks Buch kann, soll und wird es der Markt richten – selbstverständlich aber, so viel rheinischer Kapitalismus muss sein, ausgestattet mit dem geeigneten Regelwerk.
Dieses Regelwerk muss dann die Märkte ökologisch strukturieren. Hier, da kann man Lessenich zustimmen, liegt sicher ein Ansatzpunkt für Grün-Schwarze-Koalitionsgespräche. Insgesamt lässt sich dann die Aussage des Buches so interpretieren:  
Wer grün wählt, „wählt moralisch einwandfrei, ohne dass konkreter Verzicht droht“.
Habeck formuliert also im Buch seine politische Äquidistanz zwischen „linken Umverteilern“ und „marktradikalen Liberalen“. Damit steht er für die größtmögliche wirtschaftspolitische Mitte. Ist das der Weg zur Volkspartei? Lessenich sieht hier jedenfalls einen „mehr oder weniger aufgeklärten, 'grünen' oder 'linken' Neonationalismus.“ Und im Buch eine mögliche Präambel zum kommenden Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und den Grünen:
 „Dieses Land ist heute das beste und freieste, das es bisher auf deutschem Boden gab. […] Keine Zeit war besser.“
Wunderbar, ich könnte damit leben. Wohl wissend, das die Worte vor der Wahl noch nicht die Tat sind.

Habeck, der zur Mitte drängt – eine Rezension

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Kommentare 4
  1. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor fast 4 Jahre

    eine Zweckehe, die sich für mich schon sozusagen mein ganzes Leben klang anbahnt. Beide wollen etwas "konservieren". Und immer mehr verstehen, dass man die gesellschaftlichen Werte nicht erhalten wird, wenn die Lebensgrundlagen zerstört werden und andersrum, dass der ökologische Wandel nur aus einer starken, gesunden Gesellschaft heraus funktioniert. Die Bemühungen der politischen Konservativen, die aufstrebenden Grünen als "links" zu stigmatisieren, fand ich genauso langweilig, wie die Fundis, die das Gegenteil befürchteten.

    Und trotzdem: den nächsten großen Stich macht die Partei, die sich glaubwürdig positioniert für Solidarität und Partizipation. Die aufräumt mit dem Industrie- und Finanzmarkt Lobbyismus und die Einhaltung des Leistungsversprechens wieder stark macht.

    Glaub ich.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 4 Jahre · bearbeitet vor fast 4 Jahre

      Ja, das mit der Zweckehe sehe ich im Grunde auch so. Nur mit den großen Allgemeinbegriffen wie Solidarität, Partizipation oder gesunde Gesellschaft kann ich immer weniger anfangen. Das führen die Politiker seit 100 und mehr Jahren im Munde. Das Leben ist aber immer konkret. Also was ist Solidarität, wer ist konkret mit wem solidarisch und was kostet das. Und warum gerade die Industrie, ohne die wir gar keine Zukunft haben, ohne Lobby auskommen soll, das macht mich fassungslos. Industrie ist doch weder der Bösewicht, der an allem Schuld ist, noch die Melkkuh, die man einfach beauftragen kann gefälligst hohe Löhne und Arbeit zu schaffen. Natürlich ohne die Umwelt zu belasten. Glaub ich .... 🤔

    2. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 4 Jahre

      @Thomas Wahl 1. finde ich Solidarität und Partizipation keine Allgemeinbegriffe und dass Politiker*innen damit seit 100 Jahren Schlitten fahren macht sie auch nicht zu welchen. Ich finde das sehr konkret und aktuell denkbar relevant. Auch wenn sich der Frust in den blödsinnigsten Kanälen sammelt, er ist echt. Er wird wirklich wahrgenommen und nicht nur in den USA sammeln sich eben immer mehr, die das was wir haben nicht mehr wollen, weil sie nicht mitspielen dürfen. "Linke" Politik oder eben solidarischer Liberalismus ist jetzt konservative Bürgerpflicht.

      2. Lobby ist per se nicht böse und klar darf Industrie welche haben. Aber eben nicht nur Industrie. oder eben nicht nur, die die Aktionäre haben. Und es muss extrem transparent und begrenzt sein, damit die Interessen aneinander abgewogen werden können und nicht einfach kakophonisch eine letztlich zufällige Realpolitik verursachen.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 4 Jahre

      @Marcus von Jordan Sicher sammelt sich Frust und Angst. Warum auch immer, wie immer. Wie unter Mc Carthy und Stalin, wie bei M.L.King oder den Black Pantern, wie bei der RAF und ihren Sympathisanten. Oder im kalten Krieg, der drohende Atomtod. 1968 der Prager Frühling und seine Ausläufer. Wir haben da schon einiges hinter uns an Apokalypseszenarien. Und jede Generation meint, so schlimm war es fast noch nie. Ich weiß nicht, ob sich das durch Solidarität beheben läßt. Feindbilder sind hartnäckig. Unterschiedliche Weltbilder und Interessen sind real wie der Frust. Und mit viel medialer Hysterie gespeist. Wir werden sie m.E. nicht los durch Aufrufe zur Solidarität. Und erzwingen läßt sich diese eher nicht, glaub ich.

      Die ganze Komplexität kennen wir nur gefiltert durch die unterschiedlichsten überhitzten medialen Diskurse in allen möglichen Medien. Wer soll da wie "extreme" Transparenz hinkriegen? Wer kann in die Köpfe sehen, wer hat Zeit und Ressourcen diese Transparenz herzustellen, nachzuhalten und zu bewerten? Der normale Bürger sicher nicht. Und wer garantiert dann die Transparenz der Transparenz? Die Metatransparenz? Ich denke, die totale Transparenz führt zur Intransparenz durch Informations-Overload und Verweigerung ....

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