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Kurator'in für: Medien und Gesellschaft Kopf und Körper Flucht und Einwanderung Fundstücke Feminismen
piqd für euch die Perlen unter den Radio Features. (Bis Ende 2017 für Deutschlandfunk Kultur, inzwischen unabhängig und senderübergreifend).
Lebt und arbeitet als freie Autorin, Regisseurin und Produzentin mit Schwerpunkt künstlerisches Feature in Berlin. Hat alles mögliche an Geisteswissenschaften studiert und ist Absolventin der EBU Master School on Radio Features. Sie veröffentlichte außerdem ein erfolgloses Hip Hop Album, arbeitete sich durch bislang sieben musikalische Stilübungen von Reggae bis Death Metal, und hat trotz aller Widrigkeiten zwei wunderbare Kinder in die Welt gesetzt.
Im brandenburgischen Wiesenburg kämpft ein junger, engagierter Bürgermeister darum, das Landleben wieder attraktiv zu machen. Das ist nicht ohne. Gerade im Osten haben ländliche Gemeinden zu kämpfen. Die Landflucht ist enorm, es gibt mancherorts ernsthafte Probleme mit Neonazis. Zahlreiche Bürgermeister schmeißen das Handtuch und geben auf. Diesem Thema hat sich Tomas Fitzel in seinem spannenden und ermutigenden Feature "Bürgermeister 2.0" zugewandt – eine Coproduktion des RBB mit dem NDR.
Marco Beckendorf ist ein junger Hoffnungsträger. Er sprudelt vor Ideen. Manche Bürger*innen halten ihm vor, er versuche, zu große Brötchen zu backen. Er will nicht nur eine Sanierung des stillgelegten und halb verfallenen Sägewerks vor Ort erreichen und unter schwierigen Bedingungen eine alte Brauerei wieder nutzbar machen. Mit dem "KoDorf" versucht er einen modernen Coworking-Space, und mehr als das – einen attraktiven Ort zum Leben und Arbeiten für junge Leute zu schaffen. Mit all diesen Projekten will er die örtliche Wirtschaft ankurbeln und das Dorf zu neuem Leben erwecken.
Das Problem ist wie so oft die Finanzierung. Ohne Fördermittel ist alles zum Scheitern verurteilt, und an das nötige Geld zu kommen, ist schwierig und ungewiss. Alle Projekte sind eine Herausforderung und hängen irgendwie aneinander. Kippt das eine, droht das andere auch zu scheitern. Zahlreiche Rückschläge musste er bereits in Kauf nehmen, so wie vor einigen Jahren die Schließung der "Drahtzieherei" vor Ort und kurz darauf der Verkauf der "Getränkebude" – dem Mineralwasser-Hersteller der "Fläming-Quellen" – an dessen Konkurrenz.
"Also auch der Getränke-Hersteller hat hier seine Gewinne gemacht und hat uns trotzdem verlassen, weil der Konkurrent einfach mal den doppelten Preis, was dieses Werk wert ist, gezahlt hat. (...) Sie haben nicht nur die Maschinen abgebaut, sie haben sich auch im Grundbuch von dem Käufer absichern lassen, dass keine Getränkeproduktion mehr stattfindet, und haben alle Tiefbrunnen - also solche Tiefbrunnen sind extrem teuer, die auch herzustellen – haben sie gesprengt, so dass keine Getränkeproduktion hier im Fläming mehr stattfinden kann an diesem Standort. (...) Wir haben diesen Gewerbepark, wo dieser Getränkehersteller saß, den haben wir ja errichtet. Die Kredite zahlen wir immer noch zurück."
Ebenso schlecht lief es nach der Wende mit der alten, unter Denkmalschutz stehenden Schloss-Brauerei, die langsam verfällt – das "Negativ-Aushängeschild" für Wiesenburg, wie der Bürgermeister es nennt.
"Die Schlossbrauerei hat eine Geschichte, die leider symptomatisch ist für vieles, was nach dem Fall der Mauer im Osten passiert ist. Erst wurde die Brauerei privatisiert, dann verscherbelt der Investor aus dem Westen alle Maschinen, die Kupferkessel, sogar die Heizung, unter der Hand und setzt sich mit einem Koffer Geld in die USA ab. Und die Treuhand? Die Treuhand lässt die Schulden als Last in das Grundbuch eintragen. Das heißt, wer immer die Brauerei übernehmen will, muss erst einmal die Schulden eines anderen tilgen, was niemand kann, zumal die Brauerei offiziell immer noch im Besitz des untergetauchten Betrügers ist. Die Gemeinde muss so machtlos dem Verfall zusehen."
Aber Marco Beckendorf verliert nicht die Hoffnung. Er hat einen Plan. Im Zuge einer Zwangsversteigerung des Geländes will er die Brauerei nun zurückerwerben. Dabei würde dann auch die Schuldenlast aus dem Grundbuch getilgt werden. Das Ereignis lässt sich der Autor des Features nicht entgehen. Obwohl bei der Versteigerung keine Aufnahmen gemacht werden dürfen, wird die Hörerschaft auch dank der geschickten akustischen Umsetzung durch die Regisseurin Clarisse Cossais mitgenommen zu einem aufwühlenden Bieter-Krimi, dessen Ausgang ich hier nicht verrate.
Ein Hoffnung machendes Feature über Ideen und Lösungen für Orte, die es schwer haben, auf einen grünen Zweig zu kommen. Und natürlich ein Feature über einen Bürgermeister, der ein absolutes Vorbild ist, und von dessen Engagement und Kreativität sich andere ruhig etwas abschauen können.
Quelle: Tomas Fitzel Bild: Tomas Fitzel www.rbb-online.de
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