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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Was für ein treffendes Wort - "Erfüllungsaufwand". So nennen Bürokraten die Folgen ihres Tuns,
den Zeitaufwand und die Kosten, die den Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung durch die Befolgung einer gesetzlichen Vorgabe entstehen.
Und natürlich hat die Politik als Mittäter ihre Institutionen bürokratisch angewiesen den Erfüllungsaufwand genau zu messen.
Das sei wichtig für die “Gesetzesfolgenabschätzung” und für die “Auswahl der am wenigsten aufwändigen Regelungsalternative”.
Und schon stecken wir mittendrin in der Bürokratie. Wenn ich mich an mein langes Bürokratenleben erinnere, dann wurde eigentlich immer von Bürokratieabbau gesprochen. Nur nicht danach gehandelt - im Gegenteil, die Akten wurden immer dicker.
Im letzten Jahr soll es Deutschland 10,7 Milliarden Euro gekostet haben, all die Bestimmungen und bürokratischen Vorgaben zu erfüllen.
Der Löwenanteil entfällt auf die öffentliche Verwaltung, wo die Kosten weit über das hinausgehen, was für eine gut funktionierende Gesellschaft notwendig ist. Im vergangenen Jahr sind die Kosten dort noch einmal steil nach oben geschossen ….
Und das sind ja nur die direkt quantitativ meßbaren Kosten (etwa durch Arbeitszeit). Was dazu noch an Frustration, sinkende Qualität oder Projektverzögerungen kommt, vermag ich mir gar nicht vorzustellen.
Was ist da los? Schuld sind lt. der Wissenschaft weniger die Bürkratien als die Politiker mit geringer Weitsicht aber großer Geltungssucht.
Die Theorie dahinter geht so: Regierungspolitiker kommen an die Macht und haben nicht viel Zeit, um etwas zu bewegen. Weil sie gerne wiedergewählt werden wollen, müssen sie ihren Wählern schnell vorweisen, dass sie etwas bewegen können. Nichts eignet sich dafür besser als neue Gesetze. Wenn es eine gut funktionierende Bürokratie gibt – also schnell und effizient arbeitende Ministerien und Behörden -, sind die Folgen einer Reform für die Wähler rasch zu sehen.
Bei häufigen Regierungswechseln, gibt es natürlich häufig "Reformen", was die Institutionen, die die Gesetze auszuformulieren und umzusetzen haben, ans Ende der Kräfte bringt. Die Motivation steigt auch nicht gerade.
Es beginnt ein Teufelskreis: Überlastete Beamte schaffen es nicht mehr, neue Gesetze umzusetzen, Reformen versanden oder greifen erst mit großem zeitlichen Abstand. Unter solch schlechten Voraussetzungen haben vor allem eher inkompetente Politiker den Forschern zufolge einen Anreiz, in noch schnellerer Frequenz schlecht gemachte Gesetze zu erlassen, die beim Wähler Tatkraft signalisieren, das gesamte System aber nur noch weiter überlasten. Es entstehe eine Abwärtsspirale aus schlechten Gesetzen und überflüssiger Bürokratie, die zu einem “kafkaesken Staat” führe.
Ich würde dem italienischen Mitautor einer entsprechenden Studie - Claudio Michelacci - sofort zustimmen:
Wir glauben, dass dieser Zusammenhang zwischen der Qualität von Gesetzen und dem Funktionieren von Institutionen übersehen wurde.”
Das Tückische daran ist in den Augen der Forscher, dass das Abrutschen in den kafkaesken Staat von einem gewissen Zeitpunkt an nahezu zwangsläufig ist und es innerhalb dieser Logik kaum eine Möglichkeit gibt, wieder auf einen grünen Zweig zu kommen.
Wir erwarten alles vom Staat und überfordern ihn dennoch bzw. gerade dadurch um Größenordnungen. Also auf zur nächsten Reform? Wir brauchen einfach mehr Beamte, die den Gesetzesstau endlich abarbeiten. Um dann neue Gesetze umzusetzen?
Man muss wohl kein großer Prophet sein, was in diesem Fall passiert: Der Erfüllungsaufwand würde dann nicht sinken, sondern weiter durch die Decke gehen.
Quelle: Johannes Pennekam blogs.faz.net
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