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Volk und Wirtschaft

Die Steuererklärung im Internet – Chance oder Risiko?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
Zum Kurator'innen-Profil
Thomas WahlMontag, 15.06.2020

Datenschutz ist in Deutschland eine heilige Kuh. In Schweden oder Norwegen ist das zumindest bei der Steuererklärung anders – die Eckdaten stehen offen im Netz. Brandeins schildert das am Beispiel Norwegens:

Dort findet er die skattelistene, die Steuerlisten, die für jeden Bürger einsehbar sind. Sie enthalten neben Namen, Geburtsjahr und Wohnort drei zentrale Elemente der Steuererklärung: das steuerpflichtige Einkommen, das Netto-Vermögen sowie die Höhe der Steuern, die der jeweilige Bürger bezahlt hat. Die Listen sind über eine Website der Steuerbehörde durchsuchbar, zudem gehen sie komplett an die Medien, die daraus Ranglisten der Topverdiener im Land und den Regionen erstellen.

Auch wenn die Aussagekraft im Detail begrenzt ist – kann man sich so was für die Bundesrepublik überhaupt vorstellen? In Norwegen hat das lange historische Wurzeln bis zurück ins beginnende 19. Jh.:

Es war eine egalitäre, auf Gleichheit gerichtete Gesellschaft, die sich 1814 eine demokratische Verfassung gab, den Adel abschaffte und jeden skeptisch betrachtete, der aus ihr hervorragte. So ist es noch heute – geprägt von vielen Jahrzehnten, in denen sozialdemokratische Regierungen an der Macht waren und den Wohlfahrtsstaat schufen.

Diese Gesellschaft  wurde dominiert von Bauern und Fischern, die einen eigenen Staat aufbauen wollten. Und so entstanden öffentliche Steuerlisten, die in den Ämtern auslagen. Jedermann konnte so die Zahlen prüfen und sehen, was andere, und vor allem reichere, Mitbürger an Steuern zahlten. Diese Historie und das damit verbundene grundsätzliche Vertrauen in den Staat erklärt, warum viele Norweger keine Probleme mit der steuerlichen Offenheit zu haben scheinen. 

Aber es scheint auch, dass die Transparenz und die hohen Sozialausgaben zwar zu einer hohen Einkommensgleichheit führen, nicht jedoch zu einer egalitären Vermögensverteilung. Es zeigt sich, wie auch bei anderen Nationen mit ausgebauten Sozialsystemen – je höher die kaufkraftbereinigten Sozialausgaben eines Landes, desto geringer der Vermögensanteil der unteren Hälfte der Bevölkerung (Studie S. 17)

Die Steuererklärung im Internet – Chance oder Risiko?

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Kommentare 4
  1. Dieser eine
    Dieser eine · vor mehr als 4 Jahre

    Danke für den spannenden Piq!
    Nichtsdestotrotz muss ich hier darauf hinweisen, dass es sich bei dem angeblichen Beleg des Zusammenhangs von Sozialausgaben und Vermögensungleichheit um den Klassiker Korrelation statt Kausalität handelt. Die Zahlen des IW zeigen schlicht, dass reiche Länder sich stärker ausgebaute Sicherungssysteme leisten können und zeitgleich eine höhere Vermögensungleichheit aufweisen.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 4 Jahre · bearbeitet vor mehr als 4 Jahre

      Ich habe ja auch geschrieben "es zeigt sich, wie auch bei anderen Nationen mit ausgebauten Sozialsystemen ....". Ein strenger Beweis für eine Kausalität ist es zunächst natürlich nicht. Für eine gewisse Kausalität spricht allerdings, das es eben ein typisches Muster ist für westliche Sozialstaaten. Und es läßt sich erklären, wird auch diskutiert wo die Kausalität liegen könnte. Große Teile der Bruttoeinkommen fließen in Sozialversicherungen bzw. Steuern, insbesondere auch für Gesetzliche Renten. Wenn man in Deutschland auch Ansprüche an die Gesetzliche Rentenversicherung in der Vermögensverteilung berücksichtigt, so wird diese bedeutend gleichmäßiger. Zählen doch die privaten Renten der Selbstständigen als Vermögen.

    2. Dieser eine
      Dieser eine · vor mehr als 4 Jahre

      @Thomas Wahl Sicherlich beeinträchtigen höhere Sozialabgaben die private Vermögensbildung, aber, wie Sie ja selbst sagen, erwirbt man damit auch Ansprüche. Der Gedanke dahinter ist halt, Einkommensvolatilität zu glätten. Im Gegensatz dazu sind die USA (ohne nennenswerte soziale Sicherungssysteme) beispielsweise auch ohne Miteinbeziehung der deutschen Rentenansprüche noch deutlich ungleicher. Weiterhin ist es wenig erstaunlich, dass in kapitalistischen Systemen Wachstum auch eine gewisse Vermögenskonzentration mit sich bringt (siehe bspw. Variation d. Renditen mit Vermögenshöhe).
      Dies ist auch anhand der Zahlen des IW die wahrscheinlich gewichtigere Erklärung (ohne die Abgabenlast hier ausklammern zu wollen).

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 4 Jahre

      @Dieser eine Nicht nur in kapitalistischen Systemen kommt es zu einer Vermögenskonzentration. Das war doch in feudalen Systemen nicht anders - bei aller Schwierigkeit die Werte bzw. die Größe der Vermögen in den historischen Epochen (und innerhalb) zu messen und zu vergleichen. In der DDR waren 80% der Spareinlagen auf 20 % der Konten. Immobilien- und Produktivvermögen weitgehend unter staatlicher Hoheit oder direktes Staatseigentum. Darüber bestimmten dann ein dutzend Spitzenfunktionäre - eigentlich eine sagenhafte Konzentration von Vermögen und Macht.

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