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Volk und Wirtschaft

Die 68er und Fridays for Future – Versuch eines Vergleichs

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMittwoch, 04.09.2019
Zwei Jugendbewegungen mit 50 Jahren Abstand, was ist anders geworden, wie verstehen bzw. verstanden die Protagonisten Wirtschaft und Gesellschaft? Gibt es Gemeinsamkeiten? Thomas Schmid fasst die Unterschiede zunächst so zusammen:

Es geht nun nicht mehr darum, wie es 1968 mit Herbert Marcuse hieß, endlich die Bedingungen für die volle Entfaltung des gesellschaftlich-technologischen Reichtums für alle zu schaffen. Es geht Greta Thunbergs Bewegung vielmehr darum, diese Reichtums- und Bedürfnisbefriedigungsproduktion zugunsten des Klimas zu stoppen. Damals sollten die Tore zum allgemeinen Wohlstand aufgestoßen werden. Heute sollen sich diese Tore wieder schließen.

War 1968, bei aller „Verschrobenheit“ im Theoretischen ein Aufbruch zu einer neuen liberalen Kultur, zu freiheitlichen Werten, zu Lust auf Leben, so geht es heute nicht mehr um Revolution. FfF ist keine Revolte am Rande der Gesellschaft, sondern reicht mitten ins Herz der Gesellschaft. Die heutigen Bürgerkinder wollen bürgerlich bleiben. Ziel ist es, die globale Politik dazu zu bringen, den Klimawandel zu stoppen. Egal, ob die das kann oder will. Was sind nun laut Schmid die Parallelen?

Beide Bewegungen standen und stehen auf Kriegsfuß mit dem Zweifel, mit der unabgeschlossenen Meinungsbildung, der Skepsis, dem nicht Hundertprozentigen. Beide eignet ein gläubiger Zug, sie haben einen religiösen Drall. Sie erinnern an Erweckungsbewegungen. Wie diese haben sie ihre Heiligen: Rudi Dutschke und Greta Thunberg. 

Das macht die Analyse der Gesellschaft beider Bewegungen unterkomplex. Man kann hochvernetzte und arbeitsteilige Gesellschaften nicht einfach und schnell umstrukturieren, Infrastrukturkomponenten nicht im Eilverfahren abschalten, so lange neue nicht ein funktionales Äquivalent bilden. Disruptionen hätten katastrophale Folgen. Und die Menschen wollen „das gute Leben“ mit materiellem Wohlstand – weltweit. Die Kunst wird darin bestehen, Klima und Lebensgenuss unter einen Hut zu bringen.

Die 68er und Fridays for Future – Versuch eines Vergleichs

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Kommentare 5
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

    Stimme meinen Vorrednern hier zu. Auch ich halte die FFF für sehr bürgerlich, im guten sinne. Ihnen wie den 68ern Unterkomplexität vorzuwerfen halte ich allerdings für falsch. und in dieser Hinsicht zudem für nicht vergleichbar: die FFF sind keine Studenten keine mitt-zwanziger und mitt-dreißiger wie damals. Sie sind mehrheitlich Schüler und keine Wähler.
    FFF hat auch wirklich nur "ein thema" - die Forderung dass die Klimaschutz-Ziele die Wissenschaft und Politik (!) längst beschlossen hatten, auch durchzusetzen. Insofern brauchen und müssen sie keine Lösungen vorlegen keine (anti)kapitalistische theorie-unterfütterung bringen (wie das 68 völlig beherrschend war), im Gegenteil. nicht nur dass das (!) Aufgabe der Erwachsenen ist und sein wird, diese Aufgabe ist ebenso längst getan. Und auch im Grunde von Erwachsenen von Parteien sogar zgrT von Unternehmen (wenn auch oft sicher als Lippenbekenntnis) längst akzeptiert. Das bezeichnet der irgendwie gescholtene mainstream - es geht schließlich um s überleben.
    der Vergleich hinkt also gewaltig...

  2. Hansi Trab
    Hansi Trab · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

    Noch interessanter als die Parallelen finde ich die Unterschiede, die der Autor herauszuarbeiten beginnt, als er bemerkt, dass er mit den Parallelen nicht wirklich weiterkommt. Die bürgerlichen Wohlstandskids haben den Genuß der Werte und Freiheiten, für die die 68er gekämpft haben, längst als selbstverständlich verinnerlicht, weil ihre Eltern diese quasi verbürgerlicht haben (hilfreich in diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse der Sinus-Jugendstudie 2016, die darauf hindeuten, dass Jugendliche heute recht abgeklärt ein bürgerliches Selbstverständnis zeigen. Siehe Zusammenfassung beim Spiegel: https://www.spiegel.de...).

    Sie müssen also nicht mehr revoltieren, sondern haben den Luxus, die Vermeidung des Klimawandel ganz fundamentalistisch und monothematisch von der Politik fordern zu können. Die 68er hatten bei ihrem Protest die gesamte Gesellschaft im Blick, FFF nur den Klimawandel. Aber dafür sind FFF Mainstream und sie wollen das auch sein.

    Und genau daraus ergibt sich eine Reihe von Problemen. Erstes bezeichnet der Autor selbst:

    "Kritiker halten der Bewegung gerne vor, sie sei asozial. Denn sie bedenke gar nicht, dass die Kosten der Klimarettung vor allem jene treffen werden, die nicht zu den Wohlhabenden gehören. Dieses Argument ist unfair. Wer beim Kampf gegen den Klimawandel sofort die soziale Frage an die erste Stelle hebt, würgt das Thema ab."

    2. Daneben macht es diese Mainstreamigkeit aber auch rechten und rechtskonservativen Parteien leicht, FFF als von oben gelenkt und freiheitsfeindlich zu diskreditieren

    3. FFF übersieht in seiner Bürgerlichkeit, dass es sehr wohl eine antikapitalistische Bewegung ist. Denn die Klimawende wird es ohne eine umfassende, disruptive Umkehr von den gegenwärtigen Produktions- und Konsummethoden nicht geben!

    Natürlich ist die Zielfunktion eine freie Marktwirtschaft, die Klima und "das gute Leben" unter einen Hut bringen muss. Aber es muss - und das recht schnell - eine generelle gesellschaftliche Debatte darüber stattfinden, was Wirtschaft darf und was nicht. Und neben dem Finden neuer Regeln muss aufgepasst werden, dass die Rechts-Autoritären nicht zwischenzeitlich den Laden zerschießen.

    Und damit sind wir bei noch einem Unterschied zu 68: FFF kann diese Debatte weder leisten, noch formen oder gestalten. FFF kann nur den Ball weitergeben als eine reine Forderung an Politik und Gesellschaft.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

      Soweit sehe ich das auch so. Nur, ob die gegenwärtigen Konsum- und Produktionsmethoden vollständig durch „den Kapitalismus“ induziert sind und „nichtkapitalistische“ Methoden (welche?) die Lösung bringen, das weiß ich nicht. Es ist ja nicht nur die Frage was Wirtschaft darf, sondern auch was sie basiert auf Wissenschaft und Technik tatsächlich kann. Wer das Kommando hat muß also auch wissen was wirklich geht. Bzw. lernen, wenn etwas als Lösung nicht funktioniert. Wie wahrscheinlich die Windkraft ......

    2. Hansi Trab
      Hansi Trab · vor 5 Jahren

      @Thomas Wahl Nein, ich sehe sie eher als dessen neoliberalen Auswüchse der letzten 2-3 Jahrzehnte. Worauf ich hinauswollte, ist, dass es den FFF-Kids nicht bewusst ist, dass Klimawende nicht ohne Kapitalismuskritik denkbar ist, denn um den Austoß der Klimagase nicht nur zu senken, sondern zurückzuführen brauchen wir zwingend Schrumpfungsprozesse. Und die sind mit dem Wachstumsparadigma nicht vereinbar.

      Und daraus ergibt sich auch, dass die Natur zwar nicht unmittelbar begrenzt, was die Wirtschaft potentiell könnte, wohl aber uns Menschen indiziert, was wir der Wirtschaft erlauben sollten und was nicht. Wirtschaft war noch nie schrankenlos, sondern wir haben schon immer soziopolitisch und umweltpolitisch bestimmt, was Wirtschaft darf. Daher sehe ich jetzt nicht unbedingt ein Beschneidung individueller, bürgerlicher Freiheit, wenn wir Unternehmen zukünftig strengeren Regeln unterwerfen.

      Das mögliche Scheitern der Windkraft könnte durchaus ein Beispiel dafür werden, wie man scheitern kann, wenn man die Klimawende unterkomplex nur vom Energieverbrauchsaspekt her denkt und andere Faktoren wie Landwirtschaft, Biodiversität, Konsumverhalten, Produktionsbedingungen, strukturelle Machtverhältnisse etc. außer acht lässt. Der Klimawandel ist ein komplexer Prozess, der auf vielfältigen Faktoren beruht. Wir sollten ihm ebenso komplex begegnen. Wenn wir an vielen Stellschrauben drehen, schaffen wir es vielleicht, sowohl den freien Markt, als auch das "gute Leben" zu erhalten, auch wenn das zukünftig wahrscheinlich weniger als konsumlastig "convenient", sondern eher als tätig zufrieden zu definieren wäre. Und ein wenig auf neue oder verbesserte Technologien dürfen wir ja auch hoffen. Nur eben auf sie als Heilsbringer verlassen möchte ich mich nicht.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

      @Hansi Trab Völlig Einverstanden was die Komplexität betrifft. Bei den Schrumpfungsprozess- und Wachstumsprozesse würde ich nur anmerken, dass auch dies komplexe Vorgänge sind. Also klar muß das Wachstum von CO2-Ausstoß schrumpfen und auch der Verbrauch anderer materieller Ressourcen. Bei der Wertschöpfung mag das schon anders sein, insbesondere durch Dienstleistung. Der Ersatz von Produktion durch Service und Reparatur kann durchaus Wirtschaftswachstum generieren. Und was die Klimawende betrifft, so ist dies m.E. zunächst ein grandioses Wachstumsprogramm ....

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