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Volk und Wirtschaft

China – ein schrumpfendes Volk, eine schrumpfende Weltmacht?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSonntag, 26.02.2023
Das Wechselspiel zwischen Volk und Wirtschaft ist auch ein Wechselspiel zwischen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Beides ist nicht linear gekoppelt, aber doch merklich voneinander abhängig.
Gemäss Angaben der Nationalen Statistikbehörde schrumpfte die Bevölkerung Chinas im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit sechzig Jahren und damit neun Jahre früher als von der Regierung prognostiziert. Die Fertilitätsrate (Geburten pro Frau) sank auf 1,0 bis 1,1 und lag damit deutlich unter der offiziellen Prognose von 1,8. …. die Zahl der Geburten ging stark zurück und erreichte mit 9,56 Millionen den niedrigsten Stand seit 1790, obwohl China 2016 zu einer Zwei-Kind-Politik übergegangen ist.

Für diese demografische Krise gibt es verschiedene Gründe. Die Ein-Kind-Politik, die 36 Jahre lang durchgesetzt wurde, hat die Einstellung zum Kinderkriegen und zur Familie unwiderruflich verändert. Ein Kind oder kein Kind zu haben ist zur gesellschaftlichen Norm geworden. Die Unfruchtbarkeitsrate des Landes ist so von 2 Prozent in den frühen Achtzigerjahren auf 18 Prozent in 2020 gestiegen. 

Von 2013 bis 2021 ist die Zahl der Erstheiraten um mehr als die Hälfte zurückgegangen, bei den 20- bis 24-Jährigen sogar um drei Viertel. Je jünger der Geburtsjahrgang der chinesischen Frauen ist, desto geringer scheint ihre Bereitschaft, Kinder zu bekommen. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass die durchschnittliche Zahl der geplanten Kinder bei Frauen in China bei 1,64 liegt, während sie bei Frauen, die nach 1990 geboren wurden, auf 1,54 und bei Frauen, die nach 2000 geboren wurden, auf 1,48 sinkt.

Der Autor vergleicht das mit Südkorea und Hongkong. Dort plante man mit durchschnittlichen Kinderzahlen von 1,92 beziehungsweise 1,41. Die realen Fertilitätsraten sind aber nur etwa halb so hoch wie die geplanten Zahlen. In Südkorea wird demnach z. B. weniger als ein Kind pro Frau geboren. Die Dramatik betrifft also nicht nur Diktaturen:

South Korea broke its own record for the world’s lowest fertility rate. Last year the number of babies a woman can expect to have during her lifetime dropped to 0.78 from 0.81. The rate required for the population to remain stable is 2.1. By 2100 the country’s population is expected to fall by 53% to 24m. It is the fastest-shrinking population among rich economies.

Yi Fuxian zieht in der NZZ daraus Rückschlüsse für China und meint, das Land werde Schwierigkeiten haben, seine Geburtenrate bei 0,8 zu stabilisieren. Was bedeutet, dass seine Bevölkerung bis 2050 auf weniger als 1,02 Milliarden Menschen und bis 2100 auf 310 Millionen sinken wird.

Die chinesische (Ein-Kind-)Politik hat ja die Wirtschaftsstruktur und auch die Ressourcenverteilung im Land stark geprägt.  

Das verfügbare Einkommen der chinesischen Haushalte entspricht lediglich 44 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), verglichen mit 72 Prozent in den USA und 65 Prozent im Vereinigten Königreich. Der chinesische Wohnungsmarkt wurde 2020 mit dem 4-Fachen des BIP des Landes bewertet, während der amerikanische Immobilienmarkt mit dem 1,6-Fachen des BIP bewertet wird.

Die Kosten für die Erziehung von Kindern sind dramatisch hoch. Für die Politik ist das alles ein komplexes Dilemma. In der Immobilienblase können es sich Familien nicht leisten, zwei Kinder großzuziehen. Doch platzt die Blase,

wird sich das Wachstum von Chinas Wirtschaft verlangsamen, und dies wiederum wird eine globale Finanzkrise nach sich ziehen. Zugleich könnte die Erhöhung des verfügbaren Einkommens der Haushalte auf 60 bis 70 Prozent des BIP zur Steigerung der Geburtenrate die Macht der Regierung schmälern und die wirtschaftlichen Grundlagen ihres derzeitigen Politik-Ansatzes «autoritär im Inland und aggressiv im Ausland» untergraben.

Man könnte nun Japans Maßnahmen zur Senkung der Kindererziehungskosten übernehmen, etwa die Verringerung der Schulgebühren, eine geeignete Kinderbetreuung, Beihilfen nach der Geburt und Mietzuschüsse. 

Doch Japans Ansatz hat sich als teuer und unwirksam erwiesen: Die Fertilitätsrate des Landes stieg vorübergehend von 1,26 im Jahr 2005 auf 1,45 im Jahr 2015, bevor sie 2022 wieder auf 1,23 zurückging.

Dazu hat China das Problem, dass es alt wird, bevor es wirklich reich ist. Die Mittel sind also viel limitierter als in den früheren Industrienationen. Deren Wege sind daher nicht einfach nachzuahmen. Die schnelle Alterung der Bevölkerung wird das chinesische Wachstum früh bremsen und die Staatsverschuldung erhöhen. Immer weniger junge, arbeitsfähige Bürger müssen ältere "versorgen".

Der Anteil der Chinesen, die 65 Jahre und älter sind, wird von 14 Prozent im Jahr 2020 auf 35 Prozent im Jahr 2050 steigen. Während im Jahr 2020 fünf Arbeitnehmer im Alter von 20 bis 64 Jahren auf einen Menschen im Alter von 65 Jahren und älter kamen, wird dieser Anteil bis 2035 auf 2,4 Arbeitnehmer und bis 2050 auf 1,6 Arbeitnehmer sinken.

Der Autor befürchtet wohl zu Recht, dass sich die Krise der Altersversorgung in China zu einer humanitären Katastrophe entwickeln könnte. Um so unverständlicher erscheint mir das globale Agieren der chinesischen Führung. Kennt Xi Jinping die Zahlen nicht, will er sie nicht sehen, will er von dem Problem ablenken? Oder will er den chinesischen Großmachtstatus noch schnell festklopfen, bevor es bergab geht?


China – ein schrumpfendes Volk, eine schrumpfende Weltmacht?

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Kommentare 2
  1. Hermann J. F. König
    Hermann J. F. König · vor fast 2 Jahre

    Wenn die Statistiken ausnahmsweise auch recht haben sollten, die Interpretationen und Mutmaßungen sind m. E. nicht haltbar und zeugen von einer einseitigen eurozentristischen Haltung.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre

      Was daran ist „Eurozentrisch“?

      Der Autor ist übrigens Chinese und lebt, forscht, lehrt in der USA.

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