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Studium der Philosophie, Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg und Paris, Promotion in Frankfurt am Main. Er lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Siegen und lebt als freier Autor und Dozent in München. Radiobeiträge für Bayerischer Rundfunk, Deutschlandfunk und Südwestrundfunk, Artikel unter anderem für Blätter für deutsche und internationale Politik, Der Freitag, Jungle World, Telepolis.
Jüngste Buchveröffentlichungen: Richtig falsch. Es gibt ein richtiges Leben im falschen (2019); Kulturarbeit. Progressive Desillusionierung und professionelle Amateure (2022)
Der Artikel gibt einen bemerkenswert klaren Überblick über die relevantesten politökonomischen Theorien der Gegenwart. Er stammt aus 'Side Car', dem Blog der Zeitschrift 'New Left Review'. Den Ausgangspunkt bildet die historisch revolutionär zu nennende wirtschaftspolitische Wende der USA unter Biden, und der sich andeutende weltweite Bruch mit der neoklassischen Wirtschaftstheorie.
Es gelingt dem Beitrag, sowohl die langen Wellen kapitalistischer Entwicklung als auch die evolutionären Sprünge und Krisen sehr anschaulich in aktuellen theoretischen Modellen zu erläutern. Insgesamt verdichtet sich das Bild zu einer historischen Rückkehr eines stark die Wirtschaft regulierenden demokratischen Staates: der dritten großen Welle nach der um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert und der in den 1940er und 1950er Jahren beginnenden.
Besonders bemerkenswert, ja schockierend, ist mit Blick auf die Entwicklungen in den USA mit ihren starken Zeichen wirtschaftlicher und sozialer Umverteilung von unten nach oben (und der Rückkehr eines starken Staates) die Blauäugigkeit und Naivität der großen politischen Akteure im deutschen Wahlkampf. Insbesondere die Wahlprogramme von CDU und FDP können als geradezu anachronistische neoliberale Luftschlösser gelten – und diejenigen der Parteien der linken Mitte und der Linken als immer noch viel zu zahme wirtschaftspolitische Projekte.
Die historische Wende gegen den Neoliberalismus wird mit Bezug auf die Arbeiten von Michalis Nikiforos so dargestellt:
He argues that the instability of income distribution is due to class struggle dynamics: the more power a class has, the greater its potential to appropriate a larger share of societal income. But the power of each class in turn rests on ‘its potential effects on the macroeconomic performance of the economy’. When excess profit begins to damage the economy in general, the political pressure mounts for an arrangement more favorable to wages. And vice versa.
Am Beispiel Frankreichs wird das heraufziehende historische Ende der neoliberalen Ära verdeutlicht, das sich nicht zuletzt am nach rechts ziehenden Widerstand der Massen ankündigt:
The progressive disarticulation of the strongly coordinated national model, which took place over four decades of incremental neoliberal reform, disappointed the expectations of popular classes. This led to a disaggregation of the traditional right-wing and left-wing blocs, paving the way for a full-bloodedly neoliberal-bourgeois movement, embodied by Macron. However, the lack of popular support for this movement hinders is ability to pursue radical neoliberalization. This was forcefully demonstrated by the gilet jaunes, even before the Covid-19 crisis rendered the neoliberal playbook obsolete.
Insofern wird es spannend sein, wann endlich die politischen Akteure die Zeichen der neuen Ära erkennen werden und dem demokratischen Wahlpublikum neue Angebote für einen zivilisierten und eingebetteten Kapitalismus machen. Anstatt weiterhin, wie paradigmatisch am Fall Frankreichs deutlich wird, auf eine fatale Alternative zwischen einem blutleeren und veralteten Neoliberalismus auf der einen und einem zunehmend die Wut und die Enttäuschung der Massen bündelnden Rechtspopulismus zuzusteuern.
Der Artikel endet mit der hellsichtigen Beobachtung darüber, welche Alternativen hier im Spiel sind:
A key obstacle to capitalist development arises not within the accumulation process per se but ‘between capitalist production relations (and productive forces) and the conditions of capitalist production’, due to ‘capitalism’s economically self-destructive appropriation and use of labor power, urban infrastructure and space, and external nature or environment’. The ecological crisis, the rising price of healthcare and education, the deterioration of physical infrastructure – all this indicates increasing costs on the supply-side that could further hamper the accumulation process. Dealing with these issues is by no means out of reach of human agency. But it would be foolish not to ask whether the additional systemic constraint of profit-making may have set the bar too high.
Quelle: Cédric Durand EN newleftreview.org
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