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Kurator'in für: Volk und Wirtschaft Flucht und Einwanderung Europa
Ich kuratiere für piqd europäische Stimmen aus Spanien. Geboren wurde ich in Bukarest, inzwischen lebe ich in Leipzig. Als Journalistin schreibe ich vor allem über soziale Themen, zum Beispiel über Migration, Frauenrechte und Bildungsgerechtigkeit für deutsch- und rumänischsprachige Medien wie Casa Jurnalistului, Decât o Revistă (DoR), Scena9 sowie Krautreporter und Die Furche. Zur Zeit übersetze ich eine Sammlung historischer rumänischer Reportagen ins Englische.
Valentina Nicolae kuratiert für piqd Beiträge aus Ost-Europa.
Angesichts der massiven Abwanderung von Ärzt*innen und anderen Fachkräften aus Rumänien in den Westen und des Fehlens staatlicher Maßnahmen hat die ländliche Bevölkerung keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Dies erschwert die Vorbeugung und Behandlung heilbarer Krankheiten und verkürzt die Lebenserwartung dieser Menschen.
Es gibt jedoch eine 2014 gestartete Initiative, bei der medizinisches Fachpersonal in vernachlässigte Gebiete geht und dort Untersuchungen durchführt. Darüber hinaus ist diese Initiative zum Vorbild für das Gesetz zur mobilen Gesundheitsversorgung geworden, für das derzeit Durchführungsbestimmungen erarbeitet werden – ebenfalls mithilfe von ehrenamtlichen Ärzt*innen. Einer dieser Ärzte ist der Internist Vlad Berbecar. Mit ihm führte Bianca Felseghi ein Gespräch für das rumänische Online-Magazin PressOne. Im Anschluss findet ihr die Übersetzung des Textes.
Wie die Ärztekarawane funktioniert, könnt ihr euch auch in der Videoreportage des NDR anschauen.
Die von freiwilligen Ärzt*innen gestartete Initiative wurde zum Vorbild für ein Gesetz zur Gesundheitsversorgung der rumänischen Landbevölkerung.
von Bianca Felseghi
Ein junger Arzt, einer der Initiatoren des Gesetzes zur mobilen Gesundheitsversorgung, zeigt in seiner Doktorarbeit, wie schlecht es um die Gesundheit der rumänischen Landbevölkerung bestellt ist.
Die ländliche Bevölkerung Rumäniens wird beim Zugang zu medizinischer Grundversorgung vernachlässigt. Das Fehlen gezielter Studien und offizieller Bewertungen dieses Phänomens macht ein Eingreifen des Staates unmöglich, der seit Jahrzehnten keine verantwortungsvolle öffentliche Politik entwickelt hat.
Ein 2014 gegründeter freiwilliger Zusammenschluss von Ärzt*innen hat ein praktikables Modell für einen mobilen öffentlichen Dienst ausgearbeitet, der es spezialisierten Ärzt*innen ermöglicht, in ländliche Gebiete zu reisen. Im März 2022 wurde die Initiative "Ärztekarawane", die bereits in mehr als 150 medizinischen Reisen im ganzen Land erprobt wurde, zum Modell für das Gesetz zur mobilen Gesundheitsversorgung.
Einer der Initiatoren dieser Gesetzesinitiative ist Vlad Berbecar, ein Facharzt für Innere Medizin. Berbecar hat sich auf diese Nische, den Bedarf an medizinischer Hilfe in den Dörfern Rumäniens, spezialisiert. 2022 verteidigte er seinen Doktortitel zum Thema "Bewertung des Gesundheitszustands der Landbevölkerung" an der Universität für Medizin und Pharmazie Carol Davila in Bukarest. Nach der Verabschiedung des Gesetzes sind Durchführungsbestimmungen erforderlich, und die Karawanenärzte haben sich an die Ausarbeitung dieser Bestimmungen gemacht. "Wir wollen ein Hilfsmittel entwickeln. Ich sehe unsere Arbeit als eine soziale Verantwortung", sagt er mir.
In einem Artikel von Anfang November habe ich darüber geschrieben, wie das ländliche Rumänien jenseits des Mythos vom gesünderen Leben und Essen aussieht. Ich verfolgte eine Statistik der rumänischen Allianz für chronisch Kranke, die im September 2022 in sieben rumänischen Bezirken eine Reihe von kostenlosen Untersuchungen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes durchführte, die erschreckende Zahlen ergaben.
So gelangte ich zu den Forschungen von Dr. Berbecar, die größtenteils auf seinen Erfahrungen als Freiwilliger in der Ärztekarawane beruhen. Er analysierte Daten von 2.988 Personen in acht Gemeinden und Kleinstädten in den Kreisen Argeș, Olt, Constanța, Tulcea, Buzău und Bacău.
Diese Patienten wurden auf die bei der Konsultation festgestellten Krankheiten untersucht. Für einen Teil von ihnen, der einen vor Ort gestellten Fragebogen beantwortete, wurde ein Wohnqualitätsindex berechnet. Dieser ermittelte eine Statistik über den Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau und der Zahl der regelmäßigen medizinischen Untersuchungen.
"Das ist ein allgemeines Problem des rumänischen Bauern, der immer vernachlässigt wurde. Vor hundert Jahren gab es keine so klare Abgrenzung zwischen Stadt und Land. Aber jetzt, mit dieser Trennung, mit einer Verstädterung, die sich in den letzten Jahrzehnten enorm entwickelt hat, wird es immer offensichtlicher, dass alles, was mit dem Land zu tun hat, in einem Zustand der Vernachlässigung geblieben ist", sagt Vlad Berbecar.
Daten und Statistiken zu ländlichen Gebieten sind sehr rar, obwohl die in diesen Regionen lebenden Rumän*innen zu den am meisten gefährdeten Bürgern Rumäniens gehören.
Wir haben eine Analyse der verfügbaren Gesundheitsressourcen mit ihrer Verteilung nach ländlichem und städtischem Wohnsitz durchgeführt, und es ist klar, dass das gesamte Gesundheitssystem in den Städten konzentriert ist, wo es Krankenhäuser, mehr als drei Viertel der Ärzt*innen und alle verfügbaren Gesundheitseinrichtungen, Praxen und Polikliniken gibt. Es ist ganz natürlich und normal, dass städtische Gebiete besser erreichbar sind, aber es ist nicht normal, die ländlichen Gebiete völlig zu vernachlässigen.
"Es ist nicht normal, dass jemand Dutzende von Kilometern fahren muss, um in eine Arztpraxis zu kommen", fügt der Arzt hinzu.
Und doch ist genau das seit Jahrzehnten der Fall. In den ländlichen Gebieten scheint es, als ob alle Missstände der rumänischen Gesellschaft noch verstärkt werden. Und der demografische Wandel ist in den rumänischen Dörfern deutlicher zu erkennen. Nicht diagnostizierte und unbehandelte Krankheiten sind dort häufiger anzutreffen.
Nur die Apotheken gibt es in den Dörfern und Kleinstädten fast genauso viele wie in den Großstädten und Ballungsgebieten. Die Parität beträgt 60:40 für Apotheken in großen städtischen gegenüber ländlichen Gebieten in den Statistiken von Vlad Berbecaru. Die rumänische Landbevölkerung hat keinen Zugang zu Ärzt*innen, aber sehr wohl zu Medikamenten.
Eine Statistik der Nationalen Gesellschaft für Hausarztmedizin aus dem Jahr 2020 zeigt, dass sich 6 von 10 Rumän*innen bei chronischen Erkrankungen ohne Rezept und ohne vorherige ärztliche Konsultation selbst behandeln.
Ein Drittel der Hausärzt*innen ist in ländlichen Regionen tätig, im Vergleich zu zwei Dritteln in städtischen Gebieten, während die Hälfte der Bevölkerung in ländlichen Gebieten lebt. Im Hinblick darauf ist die Verteilung der Ärzt*innen an der vordersten Front des Gesundheitssystems ungerecht.
Außerdem, so Vlad Berbecar, werden die Hausärzt*innen entprofessionalisiert. "Der Schwerpunkt des Systems liegt nicht auf dem, was der Hausarzt tun sollte, nämlich den Patienten zu beraten, sondern auf der Bürokratie. Der Hausarzt ist eher ein Angestellter als ein Arzt. Er muss viel Papierkram ausfüllen, hat viele rechtliche, finanzielle und administrative Verpflichtungen und hat keine Zeit für den Patienten", fügt er hinzu.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hielt Victor Babes auf einem internationalen Kongress zur Bekämpfung der Pellagra [Niazinmangel, Anm. d. Red.] in Bergamo (Italien) eine ausführliche Rede, in der er die Ernährung als soziales Problem bezeichnete. Anders gesagt, die Art und Weise, wie wir uns ernähren, und die Lebensmittel, die wir in unsere Diät einbeziehen, müssen anerzogen werden, und die Erziehung wird tendenziell schlechter, je ärmer die Bevölkerung ist.
Diese Erkenntnis liegt nun schon 100 Jahre zurück und wurde seither durch Tausende von Studien über die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit oder die Entstehung von Krankheiten bestätigt.
"Die Ernährung ist natürlich eines der wichtigsten Elemente, wenn wir über Gesundheit sprechen. Alle Systeme funktionieren oder funktionieren nicht, je nachdem, was wir regelmäßig zu uns nehmen. Dies zeigt sich am deutlichsten in der ländlichen Bevölkerung, wo die Prävalenz des Bluthochdrucks höher ist als in städtischen Gebieten.
Die Landbevölkerung isst mehr Fett, sie hat eine ähnliche Dyslipidämie (Fett im Blut) wie die Stadtbevölkerung, aber sie ist unkontrolliert und unbehandelt. Die Tatsache, dass sie nicht zum Arzt geht und sich nicht regelmäßig untersuchen lässt, bedeutet, dass sie nicht weiß, an welchen Krankheiten sie leidet, und dass sie nicht in der Lage ist, diese zu verhindern.
Die Zeiten, in denen es große Ernährungsmängel gab, wie z. B. Avitaminose, haben wir hinter uns gelassen, wir sind nicht mehr auf diesem Niveau, aber die Ernährung hat immer noch einen großen Einfluss", erklärt der Internist Vlad Berbecar.
Ein wichtiger pathologischer Faktor für das Wiederauftreten dieser Krankheiten ist der Alkoholkonsum. Dies wird auch in Untersuchungen erwähnt, die Ende des 19. Jahrhunderts von Ärzt*innen durchgeführt wurden, um den Herrschern der rumänischen Länder die Bedeutung eines Gesundheitssystems und der Prävention zu erklären.
Dennoch weiß ein großer Teil der Rumän*innen auf dem Lande nicht, an welchen Krankheiten sie leiden, sagt Berbecar. Der Prozentsatz derjenigen, die ihre Krankheiten nicht kennen, ist bemerkenswert, stellt er in seiner Doktorarbeit fest. Dabei handelt es sich um schwerwiegende Krankheiten, die in weniger als einem Jahrzehnt ihr Leben gefährden können.
Bluthochdruck, Dyslipidämie, Fettleibigkeit und Diabetes werden häufig nicht diagnostiziert, bestätigt Berbecar. "Sie sind Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und können mit der Zeit zu einem Schlaganfall oder einer ischämischen Herzerkrankung führen", sagt er.
Weil viele gar nicht wissen, dass sie an diesen Krankheiten leiden, ist es für sie schwieriger oder gar unmöglich, medizinische Standardbehandlungen in Anspruch zu nehmen.Ich habe dem Forscher Vlad Berbecar eine schmerzhafte Frage gestellt: Inwieweit hat dieser Mangel an Wissen zu dem hohen Prozentsatz der rumänischen Todesfälle durch Sars-Cov 2-Infektionen an der offiziell gemeldeten Gesamtzahl der Erkrankungen geführt?
Der Arzt antwortete vorsichtig, denn eine einfache Antwort ist bei einer Pandemie von dem Ausmaß, wie wir sie in den letzten zweieinhalb Jahren erlebt haben, unmöglich zu formulieren.
Das kann man nicht direkt sagen. Die Dinge sind viel zu komplex. Das ist so, als würde man sagen, dass alle Menschen, die in den letzten zwei Tagen gestorben sind, kohlensäurehaltige Limonaden getrunken haben, und dass das etwas mit dem Tod zu tun hat. Man kann nicht sagen, dass das die Ursache war, es ist lediglich eine Beobachtung. Es bedarf einiger sehr komplexer Studien, um einen kausalen Zusammenhang festzustellen.
Sicherlich haben wir eine vernachlässigte Landbevölkerung, aber das bedeutet nicht, dass wir eine viel kränkere Bevölkerung haben als andere Länder und dass dies eine höhere Sterblichkeitsrate bei der Pandemie verursacht hat.
Der allgemeine Gesundheitszustand der Bevölkerung spiegelt sich sehr gut in der durchschnittlichen Lebenserwartung wider. Und das sind fünf Jahre weniger als im europäischen Durchschnitt. Wir leben weniger als der Durchschnitt der EU-Bevölkerung.
Es ist jedoch möglich, dass aggressivere Virusstämme in unserem Land schon länger verbreitet sind; ich kenne die epidemiologischen Daten dazu jedoch nicht. Auch die Reaktion des Gesundheitssystems auf die Pandemie und die Durchimpfungsrate der Bevölkerung fließen in die Einschätzung ein. Es sind zu viele Faktoren, um zu diesem Zeitpunkt eine Schlussfolgerung zu ziehen.
Der Verein Ärztekarawane nahm 2014 seine Arbeit auf. Für seine Gründer, Ärzt*innen und Medizinstudent*innen, war der direkte Kontakt mit der Landbevölkerung entscheidend. Sie haben verstanden, wie wichtig der erleichterte Zugang zu einer Gesundheitsberatung für Menschen ist, die sonst nie in ihrem Leben eine Arztpraxis betreten hätten.
Deshalb erarbeiteten sie gemeinsam mit dem USR-Abgeordneten Tudor Pop [USR – Uniunea Salvați România, die drittgrößte Partei Rumäniens, Anm. d. Red.], Mitglied des Ausschusses für Gesundheit und Familie der rumänischen Abgeordnetenkammer, einen Gesetzesentwurf, der als Gesetz zur mobilen Gesundheitsversorgung verabschiedet wurde.
Wir haben ein Modell entwickelt, bei dem die Gesundheitsversorgung in den ländlichen Gebieten mobil ist und medizinische Dienste anbietet. Es ist sehr gut, es war sehr erfolgreich und die Auswirkungen waren unglaublich. Im ersten Jahr organisierten wir fünf Karawanen, im nächsten Jahr verdoppelten wir sie und gründeten eine Zweigstelle. Sieben Jahre später hatten wir sechs Zweigstellen, über 150 Karawanen und Zehntausende von Menschen, die konsultiert wurden.
"Das Modell ist sehr gut, und wir haben einen Rechtsrahmen geschaffen, der als Vorbild dienen und von jedem, jeder Gesundheitseinrichtung, verwendet werden kann. Das Gesetz definiert und schafft den Rahmen, in dem sich ein medizinisches Team bewegen kann, um medizinische Dienstleistungen zu erbringen. Jeder kann solche Kampagnen organisieren", erklärt Berbecar, der zu den Initiatoren des Gesetzes gehört.
Bislang wurden die Karawanen als humanitäre Initiative durchgeführt. Für die Zukunft hoffen die Initiatoren, das Gesetz in das Gesundheitssystem zu integrieren, sodass ein Teil der mobil durchgeführten Untersuchungen wie jede ärztliche Konsultation von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt werden kann.
Heute hat die Ärztekarawane sechs Zweigstellen mit jeweils 15–20 aktiven Freiwilligen, die die Karawanen organisieren. Für jede Aktion wird ein Team von rund 20 Freiwilligen benötigt, bestehend aus Ärzt*innen, Student*innen und Assistenzärzt*innen, die an den Wochenenden unterwegs sind. An einem oder zwei Tagen werden bis zu 200 Patient*innen behandelt.
Was motiviert sie?
"Es gibt diesen Bedarf und die Motivation ist ganz einfach: die Auswirkungen auf das Leben der Patienten sind erheblich, der Nutzen für die Menschen ist sehr groß", sagt Vlad Berbecar.
Quelle: Bianca Felseghi Bild: Vlad Berbecar/ Pr... pressone.ro
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