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Die Journalisten-Plattform torial ist das erste Projekt der Schwingenstein Stiftung gGmbH. In Zeiten des Internets gewinnt die Findbarkeit des Einzelnen und der Austausch unter Kollegen eine neue Dimension.
Kostenfrei soll torial Bühne für die Allgemeinheit der Journalisten sein und ihnen den Kontakt untereinander ermöglichen.
torial ist digitales Kollektiv für Journalisten. Durch die Bündelung von journalistischer Expertise und durch ihre semantische Ordnung entsteht auf torial etwas, das der einzelne digitale Auftritt niemals leisten kann: eine dynamische Grundlage für die themenbezogene Netzwerkarbeit unter Journalisten; ein Pool aus Experten, in dem die Kunden schnell und spontan die Kompetenz finden, die sie gerade brauchen.
Im März waren wir wieder für Euch auf Tauchfahrt im Netz unterwegs und haben die wichtigsten Diskussionen, Highlights, Entwicklungen und Erkenntnisse zusammengetragen.
Vor acht Jahren haben wir uns noch über den Satz von Angela Merkel amüsiert, als sie sagte: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Nun müssen wir feststellen: Ihr Satz stimmt immer noch. Einerseits ist es grausig um die digitale Infrastruktur im Land bestellt. Andererseits lässt die digitale Informations- und Nachrichtenkompetenz nur einen Schluss zu: Für viele Menschen ist das Netz immer noch Neuland.
Demokratien sind auf gut informierte Bürgerïnnen angewiesen. Können sie Informationen angemessen hinterfragen, Nachrichten auf Vollständigkeit prüfen, Quellen einordnen? All das kann Einfluss darauf haben, ob Menschen anfällig sind für Populistïnnen, ob sie Vertrauen in Institutionen verlieren oder Falschnachrichten millionenfach an Freundïnnen und Familie verbreiten.
Die (digitale) Nachrichten- und Informationskompetenz der Bevölkerung hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Denn durch den Medienwandel haben Journalistïnnen und Medien ihren Einfluss als Gatekeeperïnnen verloren. Wir sind mehr denn je auf uns allein gestellt. Wer in sozialen Netzwerken unterwegs ist, muss für jede einzelne Nachricht jedes Mal aufs Neue selbst darüber entscheiden, ob eine Quelle oder Information vertrauenswürdig ist. Ob wir sie lesen, liken, oder sogar weiterleiten – und das inmitten einer Flut von Informationshäppchen, die uns um die Ohren fliegen.
In der bundesweiten Studie „Quelle: Internet?“, deren Mitautor ich (Alex) bin, haben wir 4191 Personen über 18 Jahren in Online-Interviews zu ihrer Nachrichtenkompetenz befragt und vor allem: getestet. Dabei ging es unter anderem um die Fähigkeit zur Navigation in digitalen Medienumgebungen, die Beurteilung der Qualität von Nachrichten und Inhalten, das Prüfen von Informationen und Quellen, die Diskursfähigkeit sowie Kenntnisse über die Funktionsweise von digitalen Öffentlichkeiten.
Und das Ergebnis? Die meisten Menschen besitzen lediglich Grundkenntnisse. 46 Prozent der Teilnehmenden erreichten geringe oder sogar sehr geringe Kompetenzwerte, 33 Prozent erreichten mittlere und nur 22 Prozent erreichten hohe oder sehr hohe Werte. Von 30 möglichen Punkten holten die Befragten im Schnitt nur 13,3 Punkte. Dabei hat das Alter großen Einfluss auf die Nachrichtenkompetenz: 18- bis 29-Jährige schneiden mit 15,2 Punkten im Durchschnitt besser ab, Menschen im Alter zwischen 40 und 49 erreichten 13,2, Menschen zwischen 60 und 69 nur noch 12,9 Punkte. Gleichzeitig hängt die Kompetenz auch stark von der Schulbildung ab: Personen mit niedriger formaler Bildung erreichten im Schnitt 11,2 Punkte, mit mittlerer 12,7 und mit hoher 16,2.
Quer über alle Kompetenzfelder hinweg gab es massive Probleme, auch bei einfacheren Aufgaben: Eine unvollständige Meldung wurde kaum als solche erkannt, Faktencheck-Labels auf sozialen Netzwerken übersehen. Die Teilnehmenden hatten große Probleme, Meinungen von Informationen zu trennen oder zu erkennen, welche Medien öffentlich-rechtlich und welche privat sind. Mehr als ein Drittel der Befragten hielt etwa die Süddeutsche Zeitung für ein öffentlich-rechtliches Medium.
Die Probandïnnen zweifeln dabei auch an der Unabhängigkeit der Medien. Ein alarmierend großer Anteil unterstützt „Lügenpresse“-Vorwürfe. Der Aussage, dass Medien und Politik Hand in Hand arbeiteten, um die Bevölkerung zu manipulieren, stimmte ein Viertel zu. Weitere 28 Prozent sagten „teils/teils“. 24 Prozent der Befragten glaubten, dass Medien sie systematisch belügen. Wer kein oder kaum Vertrauen in Medien hat, dem gelingt es auch seltener, im Netz souverän falsche von richtigen Nachrichten zu unterscheiden.
Ebenfalls dokumentiert die Studie, wie wenig die Befragten über das deutsche Mediensystem wissen. Nur die Hälfte der Teilnehmenden konnte korrekt beantworten, dass Bundestagsabgeordnete keinen direkten Einfluss auf die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben. 35 Prozent der Befragten denken, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Staatsministerin für Kultur und Medien unterstellt sei (weitere 40 Prozent gaben hier „weiß nicht“ an).
Wer noch weiter in die Ergebnisse eintauchen will, ohne sich die 130 Seiten lange Studie anzuschauen zu müssen, kann beim Spiegel die Ergebnisse im Detail nachlesen. Und wer sich selbst testen will, wie es um die eigene Nachrichtenkompetenz bestellt ist, kann unseren Test ausprobieren.
Doch wie entwickeln wir uns nun von Einwohnerïnnen Neulands zur digitalen Wissensgesellschaft? Man kann gar nicht an genug Stellschrauben gleichzeitig drehen, denn es ist ganz gewiss nicht die alleinige „Schuld“ der Bürgerïnnen, dass sich im Netz nur die Wenigsten kompetent zurechtfinden.
Drei konkrete Vorschläge:
NFT, WTF? Was zur Hölle sind Non-fungible Tokens? Und vor allem: Warum spricht das halbe Netz darüber? Selten gab es so einen klaren Kandidaten für diese Kategorie wie im vergangenen März. Twitter-Chef Jack Dorsey verkauft das NFT seines ersten Tweets „just setting up my twttr“ für schlanke drei Millionen Dollar. Eine digitale Collage aus 5000 Bildern des US-Künstlers Beeple geht bei Christie’s für 69 Millionen Dollar weg.
Wohlgemerkt: Der Käufer erwirbt kein haptisches Werk, sondern nur ein paar Pixel, die durch einen Eintrag auf einer Blockchain einmalig werden – und dadurch enormen Wert erhalten. Verrückt? Ja, sagen manchen und erinnern an die Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts. Nein, sind andere überzeugt. Kunst war noch nie rational, ihr Wert lag immer im Auge der Betrachterin.
NFTs bringen das Original zurück ins Netz. Danke der digitalen Kopie kann man Dateien und Dokumente nach Belieben vervielfältigen. Die Tokens erschaffen Einzigartigkeit im digitalen Raum, indem sie die beliebige Verfügbarkeit ins Gegenteil umkehren. Es gibt zwar immer noch beliebig viele Kopien, aber nur ein Mensch besitzt das Original. Die Blockchain gibt digitalen Gütern einen neuen Wert.
Allein im März wurden NFTs im Wert von Hunderten Millionen Dollar verkauft. Und da soll noch jemand sagen, Menschen seien nicht bereits, für Inhalte im Netz zu zahlen. Selbst Journalismus wird zum Spekulationsobjekt: Der New-York-Times Reporter Kevin Roose versteigerte eine Kolumne über NFTs als NFT – für 560.000 Dollar. „Will I ever understand the world again?“, fragt Roose passenderweise in seinem Newsletter.
Bei aller Euphorie sollte man zwei Dinge nicht vergessen. Erstens wird es bei diesem digitalen Goldrausch nur wenige Gewinnerïnnen und viele Verliererïnnen geben. Millionen Hobby-Spekulantinnen würden gerne Krypto-Millionäre werden. Doch wenn nicht gerade Künstlerinnen oder Prominente dahinterstehen, bietet für die meisten Auktionen niemand. Ausnahmen bestätigen die Regel – die dann Schlagzeilen schreiben und einen falschen Eindruck vermitteln.
Zweitens gibt es eine echte Schattenseite: NFTs sind eine Bereicherung für die Kunstwelt, aber eine Katastrophe für das Klima. Genau wie Kryptowährungen fressen die Tokens extrem viel Energie. Bereits ein Gebot für ein NFT verbraucht Dutzende Kilowattstunden, im Durchschnitt ist jedes NFT für mehr als 200 Kilogramm CO₂-Ausstoß verantwortlich. Das entspricht einem zweistündigen Flug, 1000 Kilometer Autofahrt – oder der Menge Energie, die eine EU-Bürgerin in einem ganzen Monat verbraucht. NFTs existieren nur virtuell, hinterlassen aber einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck in der analogen Welt.
Katapult macht Dinge gern mal anders. Als alle über die Medienkrise lamentierten, gründete Benjamin Fredrich 2015 ein Printmagazin – und verkauft mittlerweile 150.000 Exemplare pro Ausgabe. Nachdem Katapult mittlerweile auch Bücher herausgibt und zu einem eigenen Verlag geworden ist, brauchte es 2021 also eine neue Herausforderung.
Und die heißt Lokaljournalismus. Mit Katapult MV will Fredrich der Zeitungslandschaft in Mecklenburg Vorpommern die dringend nötige Dosis Vielfalt verpassen. Knapp 3300 Menschen haben bereits ein Abo abgeschlossen und unterstützen das rein digitale Projekt mit mehr als 25.000 Euro pro Monat.
Die etablierten Regionalzeitungen haben es sich selbst zuzuschreiben, dass sie Konkurrenz bekommen, erzählt Fredrich im Deutschlandfunk: „Der ‚Nordkurier‘ hat uns dazu bewogen. Die sind tatsächlich – also meiner Meinung nach – absichtlich fremdenfeindlich, haben rassistische Überschriften, haben Mordaufrufe in ihren Kommentarspalten. (…) Das ist unerträglich, wenn man hier in dieser Region wohnt.“
Eine der besten deutschen Medienjournalistinnen gibt ihren Job auf. Anne Fromm verlässt das Medienressort der taz. Zum Glück bleibt sie der Zeitung und ihren Leserïnnen als Investigativreporterin im Ressort Reportage & Recherche erhalten und soll weiter über Medienthemen berichten.
Ihrem alten Ressort wird Fromm trotzdem fehlen. Als Abschiedsgeschenk hinterlässt sie "Unter Druck", eine lange und lesenswerte Analyse der aktuellen Situation der Pressefreiheit. Auch in Deutschland würden Journalistïnnen immer öfter bedroht und angegriffen, schildern Fromm und ihre Kollegin Sarah Ulrich, Landeskorrespondentin Ost der taz.
Vor allem auf Demonstrationen leben Medienschaffende oft gefährlich, einige Redaktionen schicken Reporterïnnen nur noch mit Bodyguards zu Demos. Auch einige ländliche Gebiete im Osten sind zu No-go-Areas für Journalistïnnen geworden. Ein Großteil der Gewalt kommt dabei aus dem Lager der Rechten und Rechtsradikalen, auch die Querdenker und andere Corona-Leugnerïnnen werden häufig aggressiv.
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