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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Seit einem Jahr gibt es das Bürgergeld als "Grundsicherung". Zu Beginn des neuen Jahres ist es um 12 % gestiegen, nachdem es bereits Anfang 2023 um den gleichen Prozentsatz erhöht worden war.
Das Bürgergeld für rund 5,5 Millionen Erwachsene und Kinder in der Grundsicherung wird 2024 um gut zwölf Prozent erhöht. Das ist die größte Erhöhung überhaupt. Für Alleinstehende heißt das 61 Euro mehr und damit ein neuer monatlicher Regelsatz von 563 Euro. Erwachsene, die mit einem Partner zusammenleben, bekommen 506 Euro (vorher 451 Euro). Für Kinder liegen die Sätze je nach Alter zwischen 357 und 471 Euro. 2025 soll die Steigerung dann nur noch sehr gering ausfallen.
Dabei waren Jahr 2023 durchschnittlich 3,9 Millionen erwerbsfähige Personen Bezieher, was bei insgesamt 45,9 Millionen arbeitenden Menschen immerhin 8,5 % unserer aktiven Arbeitskräfte sind.
Das muß natürlich zu kontroversen Diskussionen führen. Die ursprüngliche Idee für die Ablösung von Hartz IV (Arbeitslosengeld II) durch eine Grundsicherung war es, Arbeitssuchende zu fördern statt zu gängeln. Und genau darum geht die Diskussion: Das Bürgergeld in Deutschland ist in einem Jahr um 24 Prozent gestiegen, wodurch der Abstand zu niedrig bezahlter Arbeit, zumindest im Niedriglohnbereich, sinkt. Womit der Anreiz zur Erwerbstätigkeit abnimmt. Es wird vermutet bzw. auch exemplarisch beobachtet, dass viele Menschen lieber mit dem Bürgergeld zu Hause bleiben und zusätzlich ggf. auch noch schwarzarbeiten. Und so, wohl um die Kontroverse etwas zu beruhigen, plant Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
schärfere Strafen, wenn Bürgergeld-Empfänger Arbeitsangebote komplett verweigern. Heil hat der Bundesregierung vorgeschlagen, das Bürgergeld dann für bis zu zwei Monate zu streichen. Die Kosten für Unterkunft und Heizung sollen aber weiter gezahlt werden. Aktuell dürfen die Jobcenter maximal 30 Prozent des Bürgergelds kürzen. Laut den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit wurden von Januar bis August 2023 rund 8.500 Fälle registriert, bei denen nicht auf Arbeitsangebote reagiert wurde.In der ZEIT diskutieren z.B. Thorsten Alsleben (Geschäftsführer der von den Arbeitgeberverbänden finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)) und Bettina Kohlrausch (wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbunds) - Soll man beim Bürgergeld kürzen?
Auf das Argument von Alsleben, der Staat könne in Zeiten hoher Inflationsraten nicht allen den Erhalt der Kaufkraft garantieren, antwortet Kohlrausch:
Das sehe ich anders. Wir haben ein in der Verfassung verankertes Existenzminimum. Daraus leitet sich das Recht auf eine Grundsicherung ab. Bei den unteren Einkommensgruppen gibt es wenig Spielraum für zusätzliche Einschränkungen, weil die Betroffenen sonst unter das Existenzminimum fallen würden. Das entspricht nicht meiner Vorstellung von Sozialstaatlichkeit. Und wir wissen aus der Forschung auch, wie wichtig das Sozialstaatsprinzip für den sozialen Frieden und die Akzeptanz der Demokratie ist.
Alsleben: Stimmt, aber das in der Verfassung verankerte Existenzminimum schlägt sich auch im Grundfreibetrag der Einkommensteuer nieder. Das ist der Teil des Einkommens, der nicht versteuert werden muss. Er steigt im kommenden Jahr mit gut sechs Prozent deutlich weniger stark als das Bürgergeld. Der soziale Friede ist aus meiner Sicht eher gefährdet, wenn normale Arbeitnehmer das Gefühl haben: Jemand, der arbeitet, hat nicht viel mehr Geld als jemand, der auf Kosten der Steuerzahler lebt und vielleicht nebenher schwarz arbeitet. Das kann man den Leuten nicht vermitteln.
Es ist also ein komplexes Problem mit vielen Unschärfen. Kohlrausch versucht dies beispielhaft mit konkreten Zahlen auszuräumen (oft versucht und oft mit anderen Zahlen konterkariert):
Jemand, der arbeitet, hat immer mehr Geld als jemand, der Bürgergeld bezieht. Bei einem alleinstehenden Vollzeitarbeitnehmer, der Mindestlohn verdient, liegt das verfügbare Einkommen um 532 Euro über dem Einkommen eines Bürgergeldbeziehers. Bei einer Familie mit zwei Kindern sind es zwischen 412 und 640 Euro mehr, je nach Alter der Kinder. In den Vergleichen dieser Gruppen wird oft nicht berücksichtigt, dass auch Menschen mit niedrigem Einkommen Anspruch auf Sozialleistungen wie zum Beispiel Wohngeld haben. Wir haben das im WSI einmal berechnet, das war ziemlich aufwendig.
Darauf Alsleben:
Genau das ist doch das Problem: Viele nehmen diese Sozialleistungen nicht in Anspruch. Man muss sich doch einmal in jemanden hineinversetzen, der aktuell Bürgergeld bekommt. Die Miete wird bezahlt, es gibt automatisch eine Reihe von Vergünstigungen, etwa freie Eintritte in öffentlichen Einrichtungen in vielen Kommunen. Aber niemand rechnet doch eine Woche lang durch, was er womöglich an staatlichen Leistungen bekommen würde, wenn er anfängt zu arbeiten. Er sagt sich: Wenn ich den Job annehme, muss ich 40 Stunden in der Woche arbeiten und verliere meine Vergünstigungen. In so einer Situation ist die rationale Entscheidung: Dann bleibe ich halt im Bürgergeld.
Und das legt etwa eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) auch nahe:
Die erhöhten Sätze des Bürgergeldes in Verbindung mit geringerem Druck zur Arbeitsaufnahme werden in vielen Fällen dafür sorgen, dass die Arbeitsanreize zu gering sind, um zum Verlassen der Grundsicherung bzw. zur Aufrechterhaltung des Arbeitsangebotes zu motivieren.In der Diskussion sind mehrere Stellschrauben, an denen man drehen könnte:
Alsleben: Also, da möchte ich jetzt noch mal widersprechen. Wir wissen, dass Alleinlebende, die sanktioniert wurden, mehr als doppelt so häufig einen Job annehmen im Vergleich zu denen, die nicht sanktioniert wurden. Das heißt: Wir haben eine unmittelbare Wirkung der Sanktion. Und jeder Praktiker sagt Ihnen, dass es insbesondere am Anfang, wenn die Leute gerade ins Bürgergeld reinkommen, wichtig ist, sie so schnell wie möglich wieder in geregelte Arbeit zu bringen, weil sie sich sonst von Arbeit entwöhnen. Wir haben ja auch die Schulpflicht. Manchmal muss man die Leute eben zu ihrem Glück zwingen, zumindest wenn sie von der Allgemeinheit bezahlt werden.
Kohlrausch: Leistungen zu kürzen, um Menschen in Arbeit zu bringen, das hat man bereits versucht. Das Ergebnis ist: Viele Leute ziehen sich aufgrund von Sanktionen komplett zurück oder werden krank. Die sind dann für den Arbeitsmarkt erst recht verloren. Was wir brauchen: eine andere Art der Ansprache, der Beratung in den Jobcentern. Das gilt vor allem für Langzeitarbeitslose und Jugendliche. Wir haben in Deutschland aktuell 630.000 Jugendliche, die weder in Arbeit noch in Ausbildung sind. Das ist eine Nachwirkung der Pandemiezeit. Bei denen einfach zu kürzen, fände ich ignorant, wenn man sich anschaut, was wir ihnen als Gesellschaft angetan haben. Außerdem gibt es auch im Bürgergeld eine Mitwirkungspflicht. Das ist kein bedingungsloses Grundeinkommen.Auf das Argument, das etwa in den Niederlanden ein viel höherer Prozentsatz der ukrainischen Flüchtlinge arbeiten (in D sind es nur 19%) antwortet Kohlrausch:
Das ist in der Tat wahr. Wir haben eine viel geringere Eingliederung. Das liegt daran, dass unser Arbeitsmarkt und auch das Aufnahmesystem sehr unflexibel sind. In den Niederlanden mussten sich die Ukrainer zum Beispiel nur in den Gemeinden anmelden und sind sehr schnell, auch über Instrumente wie Zeitarbeitsagenturen, in den Arbeitsmarkt integriert worden. Hier wird viel Wert auf die Vermittlung von Sprachkenntnissen gelegt, ….Das Gegenargument von Alsleben: die Bürokratie kann hier einen kleinen Anteil des Unterschieds zu den anderen europäischen Ländern erklären. Aber der dominierende Grund bleibe doch das deutsche Bürgergeld. Sehe ich auch so.
Quelle: Deutschlandfunk www.deutschlandfunk.de
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Liegt die geringe Quote arbeitender Geflüchteter nicht auch an der in Deutschland existierenden „Sperrfrist“, die kürzlich erst verkürzt wurde (ich glaube von 1 Jahr auf 3 Monate)? Ich frage mich wie das in den Niederlanden gehandhabt wird
Allgemein fehlt mir bei solchen Texten immer das Zahlengerüst. Wieviele der Menschen, die Bürgergeld bekommen, sind denn Geflüchtete? Und wieviele zB sind Alleinerziehende, etc - verglichen zum „faulen Typen“ aus eingängigen RTL-Sendungen, der keinen Bock hat zu arbeiten … Da Zahlen zu haben fänd ich schon wichtig, denn die Lösungsansätze (Kita-Plätze vs Sanktionen z.B.) sind andere.
Bettina Kohlrausch hat recht, entscheidend ist der Beitrag von Yasmin Fahimi:
https://www.deutschlan...
Aber es ist kein Feld für eine wichtige Diskussion. Die geht darum:
https://www.zeit.de/wi...
Hier habe ich noch keine Meinung, sondern plädiere für Versuche.