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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
grob gesagt zwischen Deutschland und Österreich auf der einen, Russland auf der anderen Seite liegenden Länder?Länder, deren "Grenzen und Herrschaftsverhältnisse" im Laufe der Geschichte ständig auch von außen verändert wurden. Sie erscheinen in der Tat oft als
ein hybrides Dazwischen, das sich vom Westen weder als Eigenes vereinnahmen noch als Fremdes exotisieren lässt. So argumentierte der 2015 verstorbene polnische Kunsthistoriker Piotr Piotrowski, Osteuropa sei nicht das „ganz Andere“ (real other), sondern das „nahe Andere“ (close other). Polen ist das beste Beispiel dafür.Was kennen wir etwa an polnischer Musik, Literatur oder Philosophie? Gibt es diese überhaupt als eigenständige Kultur? Wie viele von uns haben polnische Freunde?
Und tatsächlich scheint im Westen nun so langsam in der Breite durchzusickern, dass man nicht mehr alleine den Ton angibt wie in den Jahrhunderten des europäischen Triumphalismus, Kolonialismus, Exzeptionalismus. Eine Erfahrung, die viele Osteuropäer in den Randzonen der Macht nur zu gut kennen. Sollen die Indifferenz oder die latente Überheblichkeit gegenüber der osteuropäischen „Peripherie“ vielleicht darüber hinwegtäuschen, dass vieles in Westeuropa selbst im Begriff ist, an die geopolitische Peripherie zu rutschen?
Aber scheinbar gilt, je ferner die Probleme, je größer die Differenz, desto größer die mediale Aufregung und je stärker die Solidaritätskundgebungen. Der Artikel zeigt z. B., wie dominant US-amerikanische Diskurse und soziale Kämpfe in Europa sind. Und vergleicht das mit der SPD in den 1980er-Jahren, die
dem Freiheitskampf der polnischen Gewerkschaft Solidarność ablehnend begegnete, während sich die Partei heute mit Black Lives Matter solidarisiert. Die polnischen Todesopfer durch rechtsextreme Gewalt während der „Baseballschlägerjahre“ ..., wer kennt sie noch? Wie fühlen sich Polen, deren Vorfahren zwei Jahrhunderte lang kolonialisiert, ausgebeutet, bekriegt wurden, wenn Akademiker heute mit neoessenzialistischer Verve von „white privilege“ sprechen? Und hat man letztlich, als in Deutschland oder der Schweiz Tausende trotz Corona in Solidarität mit Black Lives Matter demonstrierten, Veranstaltungen von ähnlicher Dimension in Solidarität mit Weißrussinnen oder der polnischen Opposition gesehen? Wer das eine gegen das andere ausspielt, ist ein Demagoge. Wer das eine nicht in Relation zum anderen setzt, ein Ideologe.
Die Gefahr besteht doch darin, dass die weniger deutliche Binnenmultikulturalität und Binnendiversität Europas gar nicht als solche erkannt wird.
Es sind genau die subtileren Formen von Diversity, die in Diskursen über Globalisierung, Migration, Transkulturalität einen festen Platz haben sollten. Die 1991 auf den Trümmern der Sowjetunion errichtete Republik Moldau etwa hat eine genuin hybride Vergangenheit: Mal war sie ungarisch, mal osmanisch, mal russisch, mal rumänisch, mal sowjetrussisch, oft vieles zugleich. Im 19. Jahrhundert lebten Deutsche, Russen, Armenier, Ukrainer, Bulgaren, Polen, Rumänen, Gagausen auf dem heutigen Staatsgebiet. Um 1900 war die Bevölkerung der Hauptstadt Chișinău fast zur Hälfte jüdisch. 1903 schürten Rechtsextreme ein Pogrom … Die Geschichte Chișinăus zeigt, dass Multikulti gelingen kann, aber stets die Gefahr besteht, dass ethnische Gruppen gegeneinander ausgespielt werden.
Solche alten Kulturen sitzen heute zwischen allen westlichen und östlichen Stühlen. Sie könnten dazu beitragen, unsere Zivilgesellschaft neu zu erfinden, besser zu gestalten. Im Gegensatz zu unseren westlichen Staaten, mit den bürokratischen und institutionellen Routinen, den erstarrten medialen Diskursen, ist die Verhandlung der Zukunft im postkommunistischen Raum noch ein lebendiger, offener Prozess. Wir sollten viel unvoreingenommener auf Osteuropa schauen. Uns nicht auf die „Rückständigkeit“ konzentrieren, sondern
auf die Resilienz, das Geschick, den Realitätssinn und die Multiperspektivität, die es erfordert, um unter prekären Umständen zu überleben.
Es ist nicht falsch, in Westeuropa philosophische Schriften von K. A. Appiah zu lesen und sich mit dem afrikanischen Volk der Ewe zu befassen. Aber man sollte auch wissen, wo die Republik Moldau liegt.
Quelle: Jörg Scheller www.philomag.de
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Na ja, Thomas Wahl, dann erklären Sie mal Tschechen oder Polen, dass Sie sie für "Osteuropäer halten. Aber ziehen Sie sich dafür lieber warm an 😆.
Vielen Dank für den piq!
Für mich war die Lektüre von Albert O. Hirschman sehr inspirierend, dessen Kombination aus Zweifel, intellektueller Offenheit, moralischen Werten und Pragmatismus am besten mit dem Begriff des "Possibilismus" beschrieben werden kann. Hirschman bietet eine unermessliche Quelle dafür, wie unsere Demokratien funktionieren oder sich durchschlagen müssen. Dies gilt nicht nur für Osteuropa.
Ja, danke für den piq!
@Georg Wallwitz: Ich komm auch mit.. Eine Zwischenlandung in Chisinau 1990 wartet noch auf ihre Enttraumatisierung. Und dann ein Abstecher ans schwarze Meer, ok?
Mein Freund Andreij, längst in Kiev, kommt aus dem Küstenort Tatarbunari, zwischen Donaudelta und Odessa. Da ist es noch so ähnlich wie in Moldawien, sagt er..
Danke für den Piq, das ist ein sehr erhellender Text. Meine nächste Urlaubsreise muss wohl an die Moldau gehen …