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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Wir haben es hier und heute mit einem "de ja vue" - Erlebnis zu tun. 1990, kurz nach dem Mauerfall, veröffentlichte Konrad Seitz sein Buch "Die japanisch-amerikanische Herausforderung: Deutschlands Hochtechnologie-Industrien kämpfen ums Überleben". In dem Buch hatte Seitz minutiös den historischen Verlauf und den Stand des Wettbewerbs in den Hochtechnologiebereichen analysiert. Damals (wie heute) ging es um die Informationstechnologien (sowie um die darauf aufbauende Konsum- und Investitionsgüterelektronik) um die Telekommunikation und die Biotechnologie über neue Werkstoffe, Energietechniken bis hin zur Luft- und Raumfahrt. Der Titel sagt es bereits, Seitz sah die deutsche und europäische Industrie damals in der Gefahr, den Wettbewerb gegen Japan und gegen die USA zu verlieren. Und in einigen Bereichen hat Europa durchaus verloren. Trotz der geforderten und z.T. auch betriebenen Industriepolitik.
Wenige Jahre später, in einem nächsten Buch, schreibt Seitz dann, als Botschafter in Peking, bereits:
Das japanische Wachstumsmodell . . . hat ausgedient. Aber die Krise der Japan AG läßt sich nicht auf die Wirtschaft beschränken. Vor unseren Augen spielt sich der politisch-moralische Zerfall des Modells Japan ab. Japan steht vor der gewaltigen Herausforderung, ein neues Wirtschaftssystem zu entwickeln. Japan muß sich neu erfinden . . .
Die nächste Herausforderung war für ihn damals schon folgerichtig China.
Die Krise Ostasiens legt die Machtverschiebung offen, die sich seit Mitte der neunziger Jahre in der Region vollzieht: ein alterndes, mut- und ziellos gewordenes Japan dankt ab . . . Aber die chinesische Regierung ist handlungsfähig und weiß, was sie will. Sie kann Strategien entwerfen und diese Strategien durchsetzen.
Zumindest diese Prognose hat sich bewahrheitet. Die Globalisierung seit den 90er Jahren war stark geprägt von chinesischen Strategien, deren (verborgenen?) Zielstellungen der Westen wohl nicht immer richtig interpretiert hat. Wie auch immer, die Welt hat sich - so der Economist in dem hier empfohlenen Schwerpunktbericht - durchaus in Richtung eines globalen Dorfes entwickelt:
Angetrieben vom Glauben an die Macht der Märkte nahm die Globalisierung in den 1990er Jahren Fahrt auf. Die Regierungen lockerten die Kontrollen für Reisen, Investitionen und Handel. Im Jahr 2001 trat China der Welthandelsorganisation bei, was den Handel zwischen Asien und dem Westen ankurbelte. Die Veränderungen brachten viele Vorteile mit sich, reduzierten Armut und Ungleichheit und gingen mit einer wachsenden politischen Freiheit weltweit einher.Ein Prozess mit oft unerwarteten Wendungen. Und doch hat er - wenn auch mit Friktionen - die Welt vorangebracht. Der Anteil der Menschen in der Welt, die von weniger als 2,15 $ am Tag leben mußten, sank von knapp 40% auf unter 10%. Die Einkommen der bestverdienenden 10% der Weltbevölkerung betrugen 1990 das 42-fache der unteren 50%. 2020/21 lag dieser Wert immerhin "nur" noch bei etwa dem 32-fachen. 1990 lebten noch fast 40% der Menschheit in geschlossenen Autokratien, gegenwärtig (mit leider steigender Tendenz) sind es noch gut 25%.
Vier Schocks der jüngeren Vergangenheit - so der Economist - unterbrechen nun diesen Prozess. Angefangen bei der Pandemie und die dadurch zerstörten Lieferketten über geopolitische Krisen (Konfrontation China-USA, Ukrainekrieg), dem Energieschock und laut Economist die generative KI, die eine Bedrohung für viele Arbeitsplätze darstellen könnte.
signalisiert, dass sich die Kontrolle über die Wirtschaft auf die Geostrategen verlagert hat. Andere Führer haben ähnliche Aussagen gemacht. Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, rühmt sich, dass die Europäische Union (eu) "die erste große Volkswirtschaft ist, die eine Strategie zur wirtschaftlichen Sicherheit entwickelt hat". Emmanuel Macron spricht von "strategischer Autonomie" für Frankreich; Narendra Modi, Indiens Premierminister, mag wirtschaftliche "Selbständigkeit".
Die "Homeland Economy" will damit die eigene Nation und die Welt in Zukunft vor weiteren Schocks schützen.
Es sollen die Vorteile der Globalisierung, mit dem Schwerpunkt auf Effizienz und niedrigen Preisen, beibehalten werden. Aber gleichzeitig sollen die Nachteile des vorherigen Systems - Unsicherheit und Ungerechtigkeit - vermieden werden. Dies erfordert die Verflechtung der nationalen Sicherheit und der Wirtschaftspolitik.
Im Rückgriff auf europäische Erfahrungen der 1950er und 1960er Jahre setzen Regierungen auf die Etablierung nationaler Champions in strategischen Branchen. Natürlich nicht wie damals für Kohle und Stahl, sondern bei Computerchips, Elektrofahrzeugen und KI. Regierungen vergeben riesige Subventionen um die Produktion im eigenen Land zu fördern.
Vieles spricht für diese Strategie aber auch die Warnung ist berechtigt: Überzogene Industriepolitik und Protektionismus könnten letztendlich den Handel gefährden, den Wohlstand senken, ohne die westlichen Volkswirtschaften sicherer zu machen. Offen bleibt auch, wie hier die Energietechnologien unter dem fortschreitenden Klimawandel zu integrieren wären.
Einer der Artikel im Schwerpunkt diskutiert dazu die historischen Erfahrungen mit Industriepolitik. Einerseits gäbe es es nur wenige industriepolitische Erfolge so eine der zitierten Studien.
"Versuche, durch staatliche Leitung und Unterstützung einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen, waren im Allgemeinen erfolglos", argumentiert Geoffrey Owen von der London School of Economics in einer Überprüfung der europäischen Industriepolitik der Nachkriegszeit. Es ist kein Zufall, dass Großbritannien in den 1950er Jahren, als es diesen Ansatz am enthusiastischsten annahm, weit hinter dem Rest Europas zurückblieb.
Andere sagen, dass die Industriepolitik funktionieren kann, wenn man sie wie etwa in Südkorea richtig gestaltet.
In einem neuen Papier untersucht Nathan Lane von der Universität Oxford die Auswirkungen durch den bahnbrechenden industriellen Schub Südkoreas - den Antrieb für schwere Chemie und Industrie (hci) von 1973-79, in dem die Regierung eine Politik einschließlich billiger Kredite zur Steigerung der Produktion und des Exports einführte. Lane vergleicht Branchen, die Hilfe erhalten haben, mit denen, die dies nicht getan haben, und kommt zu dem Schluss, dass "die vorsätzliche Industriepolitik wahrscheinlich eine entscheidende Rolle bei der Schaffung der modernen südkoreanischen Wirtschaft gespielt hat". In den 20 Jahren nach 1973 stieg das reale BIP Koreas pro Kopf um 349%.
Kritiker sagen dazu, es sei zwar möglich, dass in den Anfangsstadien der Industrialisierung solche nachholenden Aktivitäten einer Regierung eine bedeutende Rolle spielen können, das sie aber in reifen und entwickelten Volkswirtschaften nicht so gut funktionieren würden.
Andere Experten verweisen auf die angeblich erfolgreiche Industriepolitik Chinas.
Seit 2015 hat der chinesische Staat unter Xi Jinping und seinem Projekt "Made in China" eine noch aktivere Rolle bei der Steuerung der Wirtschaftstätigkeit eingenommen. Der Umfang der staatlichen Unterstützungen verglichen mit den Gewinnen der in China börsennotierten Unternehmen stieg von 3 % im Jahr 2012 auf 5 % im Jahr 2020. Die Zahl der steuerlichen Maßnahmen zur Förderung der Hightech-Industrie ist sprunghaft angestiegen ….. Hat dies der chinesischen Wirtschaft geholfen? Irgendwie schon. Das Land hat heute in vielen Branchen eine weltweite Monopolstellung. Subventionen haben es den Unternehmen ermöglicht, die Preise zu senken und ausländische Konkurrenten aus dem Geschäft zu drängen.
Es bleiben allerdings Zweifel, ob China als Ganzes von der Industriepolitik profitiert hat. Ein kürzlich veröffentlichtes Papier stellte etwa bei der Untersuchung börsennotierter Unternehmen fest,
dass es in den geförderten Unternehmen "kaum statistische Belege für Produktivitätssteigerungen oder einen Anstieg der FuE-Ausgaben, der Patentanmeldungen und der Rentabilität" gibt. Ein weiteres Papier …, deutet darauf hin, dass die Unterstützung eines Unternehmens durch Subventionen anderen eher schadet.
Wie immer kann man aus der historischen Analyse nicht sicher auf aktuell/zukünftig erfolgreiche Strategien schließen. Der Weg in die Zukunft besteht aus Versuch und Irrtum, gestützt auf Erfahrung. Die Staaten werden gefordert sein ihre Standorte zu unterstützen, sollten aber die Erfolge ihrer Strategien nach jedem Schritt auch kritisch betrachten. Und dabei die Globalisierung nicht ganz vergessen. Ein schwieriger Balanceakt, Zukunft bleibt spannend und nicht ohne Risiko.
Quelle: Economist Bild: Edward Burtynsky/... EN www.economist.com
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Volkswirtschaft und Erfolg in der Makroökonomie hat für mich etwas wie vom Zauberlehrling. Mittlerweile wissen wir, dass internationaler Handel katastrophale Umweltschäden verursacht, dass invasive Arten weltweit verteilt werden und ganze Ökosysteme gefährden. Dies hatte die Makroökonomie wohl anscheinend dummerweise nie auf dem Schirm, was da noch auf unseren Wohlstand, unsere Sicherheit und Gesundheit zukommen wird. Beschäftigt sich mit solchen wichtigen Zukunftsthemen denn niemand?