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Kamala Harris - Demokratie ist kein Zustand, sie ist eine Handlung

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSonntag, 15.11.2020

Einen Blick auf das Weltbild der neuen Vizepräsidentin der USA Kamala Harris versucht das Magazin "Philosophie". Diese zitierte den im Juli verstorbenen Bürgerrechtler und einstigen Abgeordneten des Repräsentantenhauses John Lewis mit dem in der Überschrift stehenden Aussage. 

Dessen Satz, so fuhr Harris fort, bedeute, „dass die Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist. Sie ist nur so stark, wie unser Wille für sie zu kämpfen, sie zu beschützen und sie niemals für gegeben hinzunehmen. Der Schutz unserer Demokratie verlangt Streit. Er verlangt auch uns viel ab. Aber er macht auch Freude und erzeugt Fortschritt.“

Diese Sätze erinnern an den Philosophen und Reformpädagogen John Dewey (1859-1952). Für diesen, einen der wichtigsten Vertreter des amerikanischen Pragmatismus, war Demokratie eine Lebensform und nicht nur eine Regierungsform mit speziellen institutionellen Strukturen bzw. nicht nur eine Technik zur Organisation von Gesellschaft. Was für ihn auch hieß: 

 „Die Demokratie muss in jeder Generation neu geboren werden und Bildung ist ihre Hebamme.“

Damit befindet sich Demokratie in einer permanenten Metamorphose. Immer neue Aufgaben und Möglichkeiten erfordern ständiges Entscheiden und Problemlösen, permanente Dynamik und Erneuerung. Ob das gelingt, hängt ab von der Bildung und der Partizipation jedes Einzelnen. Deweys sieht Demokratie als eine verbindende Praxis menschlicher Gemeinschaft. 

Deshalb stehen bei ihm Fragen der Wirtschaft, Politik und Bildung in enger Beziehung zu gemeinschaftlichen Handlungsweisen. Die gewöhnlichen Erfahrungen der Menschen bilden den Ausgangspunkt für mögliche Veränderungen, statt ferne Utopien, Leitideen oder theoretische Modelle wie z. B. der „Homo oeconomicus“, der dem klassischen Modell der Wirtschaftswissenschaften als Vorlage für die praktische Ausgestaltung des wirtschaftlichen Handelns dient. Anders ausgedrückt: Theorien scheitern oft am realen Leben der Menschen, wenn sie nicht an das darin praktizierte Leben anknüpfen. 

Soweit so gut. Interessant, was sich daraus in den 1920er Jahren in der Zeit der Massenmedien für eine Diskussion um die öffentliche und die Meinung der Massen daraus entspann:

Walter Lippmann bestritt in Public Opinion 1922, dass die Lebensform Demokratie unter den Voraussetzungen einer hochgradig vernetzten Konsumgesellschaft und von beherrschenden Massenmedien funktioniere. Die Vulgarität der Medien spreche den einfachen Herdeninstinkt an, den die Masse im Sinne Le Bons entwickele. Die Erziehung ist demgegenüber hilflos, der einzelne Bürger greife in seiner Meinungsbildung über schwierige Fragen einfach auf Stereotypen und Parteigefühle zurück. Dewey antwortete mit Rückgriff auf Nickolas Butler 1927 in The Public and its Problems: Eine Erziehung zur citizenship müsse in der Vorbereitung auf die schwierigen, oft widersprüchlichen Geschäfte der Demokratie bestehen. „The difficulties of democracy are the opportunities of education.“ Unter der Voraussetzung einer freien und offenen Meinungsbildung sei eine „great society“ immer noch möglich. Entscheidend sei eben das Erziehungssystem.

Was würden die beiden Kontrahenten wohl heute, in den Zeiten des Internets und der sozialen Medien, sagen?


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