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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
In Deutschland scheint eine idealisierte Vorstellung vom Kampf gegen den Klimawandel zu dominieren. Wir Deutschen schreiten voran in Richtung Klimaneutralität, die EU folgt uns und dann die ganze Welt. "The Economist" meint:
The eu fancies itself as a standard-setter: if the eu goes green, other countries will follow, runs the logic. What the eu lacks in hard power, it makes up for with regulatory clout. The “Brussels effect” allows eu regulations to ripple out from Belgium to Borneo. A combination of the eu’s economic size and its (usually) exacting standards means that other governments tend to adopt its rules too to save their businesses from having to abide by multiple codes.
Das könnte sich als Irrtum herausstellen. Was auch ein Unvermögen signalisiert, sich in die Situation, die Strategien, das Denken und Fühlen anderer Nationen hineinzuversetzen. Eric Gujer formuliert zum aktuellen Programm zur Reduktion der Treibhausgase in der NZZ:
Eines ist gewiss: Der Wunschzettel von Ursula von der Leyen treibt einen Keil zwischen die Mitgliedsländer und hat das Zeug dazu, die Union weiter zu schwächen. Denn die klimapolitischen Ambitionen und Interessen unterscheiden sich zwischen den EU-Staaten so stark, dass mit dem üblichen Brüsseler Kuhhandel keine Kompromisse möglich erscheinen.
Natürlich gelten diese unterschiedlichen Ambitionen auch für Staaten außerhalb der Union. Bisher setzte die europäische Klimapolitik einerseits strenge Ziele, verschob andererseits die Umsetzung und damit die Kosten in die Zukunft. Die Belastung für Staaten und Bürger blieb unscharf. Das wird nun anders.
Alles soll schneller und noch ambitionierter kommen als bisher geplant. Die versteckten Kosten werden jetzt sichtbar und spürbar. Sie sind massiv. Das betrifft auch die privaten Haushalte, da der Emissionshandel auf Verkehr und Gebäude ausgeweitet werden soll.
Im „Economist" findet man eine dramatische Kostenabschätzung der Netto Null Strategie für Großbritannien:
Reaching the net-zero target by travelling along the trajectory laid out by the government’s climate-change committee would, the report estimated, cost £321bn, around 15% of annual pre-pandemic gdp. That is made up of spending of £1.3trn over the next three decades, partially offset by savings of £991bn. Coming up with such a figure requires heroic assumptions. But amid the uncertainty, one thing is clear: the spending comes long before the benefits.Man kann sich vorstellen, was auf die europäischen Staaten zuläuft, insbesondere die armen. Z.B. ist Luxemburgs BIP mehr als zehnmal so hoch wie das Bulgariens. Dort stellt sich die Gerechtigkeitsproblematik von Klimapolitik also ungleich schärfer. Es gilt, der Westen ist im Durchschnitt viel reicher als der Osten.
Die Osteuropäer haben deshalb … Widerstand gegen weitere Belastungen angekündigt. Und es ist nicht unbedingt Gleichgültigkeit oder reaktionäres Gedankengut (auch wenn Brüssel solches den Osteuropäern inzwischen gewohnheitsmässig unterstellt), welches die Regierungen so reden lässt. Die Verheerungen der sozialistischen Mangelwirtschaft lassen sich auch in 30 Jahren nicht kompensieren. Selbst in Ostdeutschland wurde mit milliardenschweren Transferleistungen die Gleichwertigkeit der …Lebensverhältnisse noch nicht hergestellt.Wen wundert es da, dass Polen sein Kohlerevier erst 2049 endgültig zu machen will und dann auf Atomkraft setzt? Versuchen sich nun die EU-Kommission und die wohlhabenden Ländern in der Klimapolitik durchzusetzen, wird sich der Streit mit den östlichen Mitgliedern nicht über das Verständnis von Rechtsstaat und Demokratie um die richtige Strategie beim Klimaschutz erweitern. Und dieser Konflikt würde wohl viel erbitterter geführt, geht es doch um viel Geld und um die unmittelbare Stabilität der Länder. Nd selbst Frankreich ist kein williger Partner bei der harten Linie von der Leyens. Als Emmanuel Macron
die Steuern auf Treibstoffen erhöhte, brachte der Zorn der Gelbwesten seine Präsidentschaft ins Wanken. ….Ausserdem möchte Macron die Kernenergie als klimafreundliche Technologie in der EU anerkannt sehen.
Alle spielen also mit dem Feuer. Und könnten so
endgültig an den Punkt gelangen, an dem sie sich nichts mehr zu sagen haben. Im nächsten Schritt dieses Szenarios würden sich die geopolitischen Rivalen China und Amerika gegenüber dem blockierten Europa einen Vorteil sichern, weil ihre weniger anspruchsvolle Klimapolitik die jeweiligen Volkswirtschaften weniger belastet.
Quelle: Eric Gujer www.nzz.ch
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Nur zur Kenntnis, damit keiner sagt, er hätte es nicht wissen können:
"… ein nennenswerter Teil unserer Spitzenpolitiker wohnt im deutschen Romantik-Tal. Ein „klimaneutrales Deutschland“ verspricht die SPD. „Mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm führen wir unser Land auf den 1,5-Grad-Pfad“, behaupten die Grünen. Die Union will da an Schwärmerei nicht hintenanstehen: Wir setzen verbindlich die Treibhausgasneutralität Deutschlands bis 2045 um. “
Man kann diese Aussagen ehrgeizig nennen. Oder auch naiv. Oder, falls hier doch Vorsatz im Spiel sein sollte, auch als Fall von politischer Hochstapelei. Denn obwohl die Freunde einer nationalen Klimapolitik viel Wert auf ihre Nähe zur Wissenschaft legen – „Follow the Science“ – so ignorieren sie zugleich relevante Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaft. Irrtum 1: Der Verbraucher entscheide über die Klimafreundlichkeit der Welt, glauben viele. Deshalb setzt die Politik fast ausschließlich auf der Nachfrageseite an: Sie möchte also bei den Energie-Konsumenten eine Verhaltensänderung herbeiführen. Hausbauer, Autofahrer und Inhaber von Fabriken sollen mit Anreizprogrammen in die alternativen Energien gelockt und mit einem möglichst hohen CO2-Preis an der Fortsetzung ihrer fossilen Tradition gehindert werden. Die Politik bearbeitet den Verbraucher mit Zuckerbrot und Peitsche.
Doch die Angebotsseite wird ignoriert – in den Programmen und in der praktischen Politik auch. Öl-Multis wie Saudi Aramco und National Iranian Oil Co., Gasimperien wie Gazprom und die hinter diesen Konzernen stehenden Staaten Saudi-Arabien, die Islamische Republik Iran und Putins Russland denken nicht daran, die ihnen gehörenden fossilen Bodenschätze zu versiegeln und ihre Geschäftsmodelle einzustampfen.
Sie kämpfen aktiv gegen die europäische Klimaschutzbewegung, indem sie versuchen, ihre Produkte über den Preis und angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung in immer neuen Zielstaaten anzubieten. Das Öl-Kartell OPEC und seine Partnerländer (OPEC+) einigten sich erst am Wochenende auf eine deutliche Erhöhung der Ölproduktion. Ab August will die Öl-Allianz ihre Tagesproduktion bis auf Weiteres um monatlich 400.000 Barrel steigern. Sollten die Marktbedingungen es zulassen, werde die noch bestehende Produktionskürzung im September 2022 generell aufgehoben.
Die Angebotsseite weiß, was sie tut: Sollte die Klimaerwärmung ein Grad übersteigen, seien die Auswirkungen „unumkehrbar“; es bestehe die Gefahr, dass dann nur „wenig getan“ werden könne, „um die Situation zu korrigieren.” Das schrieb M.B. Glaser, ein Manager des amerikanischen Ölkonzerns ExxonMobil, in einem internen Memo an die Konzernspitze. Das Memo datiert vom 12. November 1982.
Irrtum 2: Durch die Vorbildfunktion der Europäischen Union würden weltweite Nachahmer-Effekte ausgelöst. Das ist gewissermaßen die Prämisse der milliardenschweren Programme von EU und EZB. Nur leider ist das Gegenteil derzeit richtig.
Durch die Abkehr Europas von den fossilen Brennstoffen dürften die Preise am Öl-, Gas- und Kohlemarkt auch weiterhin fallen, sodass der Pfad einer klimaschädlichen Industrialisierung für viele aufstrebende Staaten und auch für die Länder Osteuropas erst so richtig attraktiv. …." Usw.
https://news.gaborstei...
Ach die Kommentare aus der konservativen Ecke sind doch immer wieder herrlich zu lesen. Schwierigkeiten werden thematisiert, aber anstatt nach Lösungen zu suchen schaut man lieber in die Vergangenheit, in der alles besser war. Versucht anstatt die Schwierigkeiten zu überwinden die Zeit zurückzudrehen und Weiterentwicklung zu verhindern (z.B. Kampagne gegen Erneuerbare unter dem Deckmantel der Energiearmut um 2012, aktuelle Diskussion ums Fliegen).
Man betont die großartige Innovationskraft der Ingenieure (z.B. um den Verbrenner weiter am Leben zu erhalten, Atomkraft) und wenn es einem nicht in den Kram passt, sagt man, das funktioniert alles nicht (E-Mobilität und fluktuierende Erneuerbare).
Und wenn einem das was man bewahren will vor den Türen wegschwimmt... baut man Deiche :)
Die EU-Kommission ist im Bereich Umwelt- und Klimapolitik meistens erheblich progressiver als Deutschland. Nahezu alle umweltrelevanten Entscheidungen der letzten Jahre kamen aus der EU und Deutschland hat, wo es ging, dagegen lobbyiert. Nur zwei Beispiel aus jüngster Vergangenheit: EU-Abgasnorm + GAP
Bei Herr Gujer (und auch Herrn Wahl?) scheint der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein. Er findet immer wieder neue Gründe, warum das unvermeidliche (rascher Klimaschutz, Umstieg auf Erneuerbare) nun doch nicht stattfinden soll.
Dazu ist Folgendes festzustellen:
1) Die vom Economist zitierten Zahlen sind Investitionen, keine Kosten. Wie bereits im Artikel beschrieben, amortisieren sich die Investitionen zu einem großen Teil bereits durch Einsparungen in späteren Jahren (z.B. durch Energieeinsparung). Weiterhin müssen die nicht getätigten fossilen Investitionen gegengerechnet werden. Etwa vier Fünftel des Investitionsbedarfs kann über Reallokation fossiler Investitionen getätigt werden. Lesen Sie dazu https://socialeurope.e... - dort finden Sie auch das Link zur McKinsey-Studie.
2) Große Investitionen werden überall auf Kredit finanziert. Daher ist es so wichtig, dass die europäische Geldpolitik den Green Deal unterstützt. Das bedeutet eine deutliche Vergrößerung der entsprechenden Kreditprogramme der EIB, die wiederum durch die EZB abgesichert wird. Für Staaten mit Negativzinsen wie Deutschland kann die Kreditaufnahme sogar zum Gewinn werden.
3) Wenn es teuer wird, dann ist Atomkraft sicherlich nicht die Antwort. Selbst die Internationale Energieagentur IEA hat inzwischen festgestellt, dass Erneuerbare Energien die kostengünstigste Form der Energieerzeugung sind. Dass Frankreich auf Atomenergie drängt, ist bei der Pfadabhängigkeit der französischen Energiepolitik kein Wunder. Bei Polen ist es wohl eher der maskuline Traum von der mächtigen Atomkraft, der von den dortigen Rechtspopulisten geträumt wird, denn eine rationale energiepolitische Entscheidung.
Zudem braucht der Neubau von Atomkraftwerken einfach viel zu viel Zeit, die wir bekanntlich in der Klimapolitik nicht haben.
Frankreich versucht seit 2007 ein neues Atomkraftwerk in Flamanville zu bauen. Der Bau sollte 2012 ans Netz gehen. Nun ist 2024 vorgesehen. Die auf 3.3 Milliarden EUR angesetzten Kosten werden heute vom französischen Rechnungshof auf 19 Milliarden geschätzt. Soviel zum teuren Traum von der billigen Atomkraft.
4) Die Fluten der letzten Tage sollten eines klar gemacht haben: Klimaschutz wird teuer. Doch kein Klimaschutz wird noch viel teurer. Er kostet uns eine lebensfreundliche Erde.
In diese Sinne, Herr Wahl, möchte ich doch auch nochmal auf ihre und Herrn Gujers Motivation zurückkommen. Es gibt da das schöne Zitat von Willy Meurer: "Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe." Ich lade Sie ein, Wege zu finden.
Es ist immer wieder schön, die Argumente der konservativen (Economist) und reaktionären (NZZ) Presse kondensiert zusammengefasst zu lesen.
Nicht desto trotz ist es schwer erträglich, die Einseitigkeit dieser Meinungen zu ertragen. Die Kosten des klimaneutralen Umbaus der Volkswirtschaften sind also zu hoch. Weiter machen, wie bisher, ist viel billiger. Und sichert sogar die Wiederwahl.
Ökonomisch ist das natürlich Nonsens. Die Versicherungen sind Profis darin, Zukunftsrisiken monetär zu bewerten. Und deren Aussage ist eindeutig: Nichthandeln ist selbst mittelfristig um ein mehrfaches teurer, als rechtzeitiges Gegensteuern. Das galt schon 1980, und das gilt auch heute. Nur sind die Kosten heute schon viel größer. Deshalb ist die Schlußfolgerung der NZZ schlichtweg interessensgetrieben.
Diese Einordnung/Aussage hätte ich mir im piqd gewünscht.