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Europa

Corona, die Demokratie, Osteuropa und das (angebliche) Ende des nationalen Zeitalters

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
Zum Kurator'innen-Profil
Thomas WahlMittwoch, 25.03.2020
Demokratie und Liberalismus seien etwas für "Weicheier" und nicht in der Lage schwierige, existentielle Probleme der Staaten zu lösen. So tönt es im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Der ukrainische Präsident  Wolodymyr Selenskyj meint etwa:
Die Erfahrungen aus China zeigen, dass harte Entscheidungen das Virus überwinden und Leben retten können. Die Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass Weichheit und Liberalität Verbündete des Virus sind.
Keine ungewöhnliche Sicht in den osteuropäischen Staaten, auch bei den dortigen EU-Mitgliedern. Und so ist es nicht überraschend, dass etwa Viktor Orbán in Ungarn versucht ein Notstandsrecht zu etablieren, das es ihm ermöglich bis zum Jahresende per Dekret zu regieren. Die Abgeordneten würden derweil in eine "parlamentarische Zwangspause" geschickt. Orbán, das ist bekannt, bekennt sich offen zu einer, wie er es nennt, "illiberalen Demokratie" in Ungarn. Dies ist eigentlich ein Euphemismus für eine autokratische Regierung. Aber in Zeiten von Corona sollte man die Augen offenhalten:

Dabei kann der ungarische Premier öffentlichkeitswirksam auf ähnliche, aber eben nicht identische Notstandsregeln in vielen anderen EU-Staaten und den USA verweisen. Oder auf vergleichbare Forderungen. In Deutschland etwa brachte zuletzt der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius Strafen gegen Falschnachrichten ins Gespräch.
Wer hierzulande vor einer Corona-Hysterie warnt wird schnell in die Ecke eines Verharmlosers und Fakeverbreiters gestellt. Prominente Gegnerschaft zur aktuellen Regierungspolitik findet man in Deutschland kaum. Die Oppositionsparteien - inklusive der AfD - scheinen verschwunden.

Ich bin auch nicht so optimistisch wie der langjährige Oberbürgermeister von Breslau Rafał Dutkiewicz, einer der Hoffnungsträger der Opposition in Polen. Er meinte im Gespräch mit ZEIT ONLINE:
Rechtspopulismus und Nationalismus sind so etwas wie die Agonie, die Todeskrämpfe, die das ultimative Ende des nationalen Zeitalters kennzeichnen, das im 19. Jahrhundert begann. Das tut weh. Aber die nationalistische Welle wird vorübergehen.
Ja, die Welle der Nationalismen könnte vorbei gehen. Aber das Ende des nationalen Zeitalters? Wenn etwas in der Krise halbwegs funktioniert, dann die Nationalstaaten. Von der Europäischen Union war bisher wenig zu sehen. Und das ist logisch. Die Bedingungen in den Staaten sind sehr unterschiedlich, eine Krise braucht kurze Wege und schnelle Entscheidungen. Was wir eher brauchen wäre ein Zeitalter der Subsidiarität, wo jeder das entscheidet und verantwortet, worüber er Kenntnisse hat und was er als Aufgabe überschaut.


Corona, die Demokratie, Osteuropa und das (angebliche) Ende des nationalen Zeitalters

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