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Liebe, Sex und Wir

Wie fair war die Beziehung meiner Eltern?

Theresa Bäuerlein
Journalistin. Autorin. Seit (gefühlt) schon immer.
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Theresa BäuerleinMontag, 17.06.2024
Die Frage in der Überschrift stellt sich die Autorin, als sie eines Tages merkt, wie panisch sie reagiert, als ihre Spülmaschine kaputt geht. Sie erinnert sich daran, wie ihre eigene Mutter stets mit der Hand des Geschirr abgespült hat. Als sie dazu eine Weile nicht in der Lage war, aufgrund einer Verletzung,  hätte die Familie sich den Abwasch teilen müssen – der Vater aber bot der Tochter Geld dafür, dass sie den Abwasch machte.

Nach zwei Jahrzehnten stellt die Tochter sich nun erstmals eine Frage, an die sie sich vorher nie herangetraut hat: wie fair war die Beziehung der Eltern?
Ob wir in der zweiten oder zehnten Klasse sind: Meine Mutter wartet auf uns um 6.15 Uhr am Küchentisch, hat Toast und Marmelade bereitgestellt und manchmal auch ein Glas selbst gepressten Orangensaft. Mein Vater liegt währenddessen im Bett. Sein Tag beginnt selten vor 10 Uhr. Das kann er sich erlauben, weil er selbstständig ist – und seine Frau die Care-Arbeit übernimmt. Muss er doch einmal einspringen, betrete ich nach dem Aufstehen immer mit dem gleichen Gedanken die Küche: Kriegt er das hin?

Der Vater weiß noch nicht einmal, wie eine Waschmaschine funktioniert. Dafür punktet er bei der emotionalen Zuwendung. 

Während meine Freundinnen ihre Väter nur am Abend und an den Wochenenden sehen, habe ich immer Zugriff auf meinen, weil er seinen Antiquitätenhandel von zu Hause aus betreibt. Wenn mir langweilig ist, gehe ich in sein Arbeitszimmer und er zeichnet ein Eichhörnchen auf einem Motorrad oder anderen Quatsch vor, den ich danach ausmalen kann. Wenn ich heule, weil ich Streit mit einer Freundin habe, nimmt er mich in den Arm.

Dennoch: Wo war der Vater, als es um den Haushalt ging, um Schulangelegenheiten? 

Der Bruder der Autorin hat dazu eine Meinung: 

„Ich glaube, Papa wusste, was er gut konnte“, sagt Julian. „Und was er nicht so gut konnte, hat er gern abgegeben.“ Was er demnach auch gut konnte: Versicherungen abschließen, grillen, Holz hacken, Regale bauen und unsere Faschings­kostüme designen.

Die Autorin stellt bei ihrer Recherche fest, dass es heute immer noch Schwierigkeit ist, faire Rollenverteilungen in Beziehungen zu erreichen. 

Wie kann es sein, dass selbst solche Eltern nicht vor dem Rückfall in alte Rollenbilder gefeit sind, die diesen unbedingt vermeiden wollen? Anruf beim Journalisten Tillmann Prüfer, der in seinem Buch „Vatersein. Warum wir mehr denn je neue Väter brauchen“ dafür plädiert, den neuen Feminismus als Chance wahrzunehmen, um die männliche Rolle in der Familie neu zu erfinden. „Paare sind von einer Gesellschaft umgeben, die sie in bestimmte Muster hineindrängt“, sagt Prüfer. Deshalb reicht es seiner Meinung nach nicht, wenn Eltern heute für sich beschließen: Wir machen es anders! Vielmehr müsse sich der Rest der Gesellschaft mitbewegen. Passiert das nicht, „wird es die neuen Väter nur in bestimmten Milieus geben“, sagt Prüfer. „Das sind dann die, die im Prenzlauer Berg barfuß mit ihren Kindern auf dem Spielplatz sitzen und in Vätercafés gehen.“

Besonders ungerecht ist, dass die Mütter oft weniger Wertschätzung erfahren, selbst von den eigenen Kindern. 

Laut Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach gründet die Matrophobie, wie die Ablehnung der Mutter auch genannt wird, darin, dass entscheidende Bereiche der Gesellschaft wie Wirtschaft oder Politik männer­dominiert sind und Frauen ab dem Zeitpunkt des Kinderkriegens im gesellschaftlich abgewerteten Bereich der Familie verortet werden. Das mache den Töchtern eine Identifikation mit ihren Müttern schwer.

Wenigstens im Nachhinein könne man die Leistung der Mutter anerkennen, begreift die Autorin – die Leistung der Mütter nachträglich anerkennen – als „Korrektiv“, wie die Politologin Emilia Roig sagt. 

Denn es sei zwar normal gewesen, dass diese sich „stillschweigend erschöpft und aufgeopfert haben, aber nicht richtig“.
Doch wie sieht so eine nachträgliche Anerkennung aus? Vor dem Gespräch mit meiner Mutter habe ich lange überlegt. Ein Brief, ein Geschenk? Als wir uns am Küchentisch gegenübersitzen, bin ich mir auf einmal sicher. Ich will Danke sagen, und zwar ein einfaches, aufrichtiges Danke. Kein Muttertags-Danke, das ich früher auf Karten geschrieben oder bei Whatsapp getippt und am nächsten Tag wieder vergessen habe. Sondern eines, in dem die Trauer darüber steckt, dass die Leistung meiner und so vieler anderer Mütter viel zu lange nicht gesehen wurde.
Wie fair war die Beziehung meiner Eltern?

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