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Kurator'in für: Fundstücke Liebe, Sex und Wir Kopf und Körper
Theresa Bäuerlein schreibt am liebsten über die Hintergründe gesellschaftlicher Phänomene für verschiedene deutsche Medien. Themen, die sie dabei immer wieder faszinieren, sind Liebe und Sex mitsamt der dazugehörigen Industrie und Ernährungsfragen. Genau so gerne gräbt sie sich aber in jedes andere Thema ein, das ihren Kopf zum Surren bringt.
Die Ernährungswissenschaft ist eine noch junge und in ihren Ergebnissen manchmal recht wankelmütige Disziplin. Dieser Artikel liefert ein ziemlich lustiges, aber auch sehr lehrreiches Beispiel dafür:
Im Jahr 2018 präsentierte ein Harvard-Doktorand namens Andres Ardisson Korat seinem Dissertationskomitee seine Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen Milchprodukten und chronischen Krankheiten. Eine seiner Studien hatte ihn zu einer ungewöhnlichen Schlussfolgerung geführt: Bei Diabetikern war der Verzehr eines halben Bechers Eiscreme pro Tag mit einem geringeren Risiko für Herzprobleme verbunden. Unnötig zu erwähnen, dass die Idee, ein Dessert, das mit gesättigten Fetten und Zucker angereichert ist, tatsächlich gut für uns sein könnte, in der einflussreichsten Abteilung für Ernährung des Landes einige Augenbrauen hochgehen ließ.
Zuvor hatte der Vorsitzende der Abteilung, Frank Hu, Ardisson Korat angewiesen, weitere Nachforschungen anzustellen: Könnte seine Forschung durch ein Artefakt des Zufalls, eine versteckte Quelle von Verzerrungen oder einen Rechenfehler in die Irre geführt worden sein? Wie Ardisson Korat am Tag seiner Verteidigung darlegte, waren seine Entlarvungsversuche weitgehend vergeblich gewesen. Das Eiscreme-Ergebnis war stabil.
In seiner Dissertation erklärte er Korat, dass er nicht der erste war, der gesunde Effekte von Eiscreme entdeckt hatte. Den Autor dieses Artikels macht das neugierig und er bat Korat um ein Interview.
Ich schrieb ihm viermal eine E-Mail -, erhielt aber keine Antwort. Als ich mich an die Tufts University wandte, an der er jetzt als Wissenschaftler arbeitet, teilte mir ein Mitarbeiter der Presseabteilung mit, dass er „dafür nicht zur Verfügung steht“. Unweigerlich nahm meine Neugierde eine andere Schattierung an: Warum sollte ein junger Wissenschaftler nicht mit mir über seine Forschung sprechen wollen? Wie viel tiefer könnte diese bizarre Eissache noch gehen?
Der Autor des Artikels steigt immer tiefer in die Recherche hinein. Anhand des Eiscreme-Effekts zeigt er die Mechanismen, mit denen Studien interpretiert werden, und was passieren kann, wenn Forschende Ergebnisse erhalten, die nicht zu dem passen, was sie für richtig und erwiesen halten.
Im Jahr 2004 schrieb der englische Epidemiologe Michael Marmot: „Wissenschaftliche Erkenntnisse fallen nicht auf leere Köpfe, die sich daraufhin etwas ausdenken. Die Wissenschaft hat es mit beschäftigten Köpfen zu tun, die starke Ansichten darüber haben, wie die Dinge sind und sein sollten.“ Marmot schrieb darüber, wie Politiker mit wissenschaftlichen Erkenntnissen umgehen – sie kommen immer zu dem Schluss, dass die neuesten Daten ihre bestehenden Ansichten unterstützen -, aber er räumte ein, dass Wissenschaftler nicht so anders sind.
Die Eiscreme-Saga zeigt, wie sich dies in der Praxis auswirkt. Über jede wissenschaftliche Untersuchung können viele Geschichten erzählt werden, und die Auswahl einer davon ist ein komplizierter, wertebeladener Prozess. Ein Wissenschaftler kann sich Gedanken darüber machen, wie seine Geschichte mit dem gesunden Menschenverstand vereinbar ist und ob er genügend Beweise hat, um sie zu untermauern. Er kann sich auch Sorgen machen, dass er die öffentliche Gesundheit gefährdet oder seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt. Wenn es eine Lehre gibt, die man aus dem Gleichnis von der unbequemsten Wahrheit der Diätwelt ziehen kann, dann die, dass wissenschaftliche Erkenntnisse selbst ein verpacktes Gut sind. Die Daten, egal was sie zeigen, sind nur Zutaten.
Quelle: David Merritt Johns Bild: Levi Brown / Trun... EN www.theatlantic.com
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Danke, liebe Theresa, das ist ein ganz toller Text, in dem ziemlich viel drin steckt. Besonders bedenkenswert finde ich die Frage, wie man Messwerte in ihrem natürlichen Lebensraum interpretieren sollte.
Wenn ich in USA lebe und schlechte Essgewohnheiten habe, die das Risiko für Diabetes extrem erhöhen und ich esse dann regelmäßig Eiscreme und lasse dafür richtig ungesunde Sachen weg, hat Eiscreme dann einen anderen Effekt auf die Risikoreduktion als bei einem Menschen, der in Europa lebt und andere Ernährungsgewohnheiten hat?
Deshalb finde ich die Frage putzig: Schützt Eiscreme vor Diabetes? So als ob ein einziges Lebensmittel die Lösung sein kann. Und wie viel davon muss man essen, um nie Diabetes zu bekommen?
Ich glaube, bei allem, was irgendwie mit Ökosystemen zu tun hat, kommt man mit so einer Art Frage möglicherweise nicht besonders weit – und Menschen sind Ökosysteme. Das stört mich auch insgesamt an den Ernährungswissenschaften: Selbstauskunft kombiniert mit einmalig erhobenen Messwerten liefert möglicherweise keine ganz so robuste Grundlage für allgemeingültige Aussagen.
Und wenn dann noch verschiedene Arten von Bias dazukommen, die man schwer dingfest machen kann, wie zB die Erwartungshaltung der Forscher:innen und die Schere im Kopf der Wissenschaftskommunikatör:innen, dann stelle ich mir grundsätzliche Fragen darüber, was man für gesund halten sollte und was nicht, auch wenn es wissenschaftlicher Konsens ist.
Damit will ich nicht die Ernährungsforschung an sich in Frage stellen, dafür kenne ich mich damit zu wenig aus. Aber die Schlussfolgerungen, die kursieren, mit denen habe ich schon öfter auch Probleme.