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Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Sobald ein Verlag 1 Million Dollar Vorschuss für ein Debüt hinlegt, werden weitreichende Werbe- und Verkaufsstrategien gesetzt, um das Geld entsprechend wieder hereinzuspielen. Imbolo Mbues Erstling "Das geträumte Land" wurde so weltbekannt. Die in den USA lebende, aus Kamerun stammende Autorin beschreibt darin die Probleme von Migranten in einer einst für Einwanderung offenen Gesellschaft. Die Kehrseite des amerikanischen Traums also, veröffentlicht in der Ära Trump. Der zweite Roman "Wie schön wir waren" widmet sich unüberbrückbaren Differenzen zwischen traditionellen „afrikanischen“ Strukturen und einem ausbeuterischen, global agierenden System. Mbue schildert ein Dorf mit fiktivem Namen in einem unbenannten Land, das sich in Westafrika befinden könnte, denn ihre Protagonistinnen tragen regionale Namen, wie Cotonou, Juba, Lusaka oder Bamako. Pexton, die Bezeichnung des unheilbringenden Global Players mit Sitz in den USA, ist hingegen erfunden. Basierend auf realen Geschehnissen wie der rücksichtslosen Ölförderung entwirft die Autorin zwei gegensätzliche Welten und führt ihre Erzählung von der verzweifelten Lage des Dorfes, das unter den tödlichen Auswirkungen der Umweltverschmutzung aufgrund der Bohrungen leidet, zur Utopie eines Befreiungskampfes bis hin zum Scheitern dieser eher naiv ausgeführten Revolte.
Als Leserin ist man immer froh, literarische Zeugnisse aus afrikanischen Ländern zu erhalten, doch werden sie auffällig oft über den Umweg USA publiziert. Die Autorinnen haben dort häufig eine Hochschulausbildung durchlaufen und richten ihren Fokus dementsprechend auf eine Kommunikation zwischen dem Land, in dem sie leben und ihrem Herkunftsland. Die von Autoren in afrikanischen Verlagen veröffentlichten Werke erzählen meist andere Geschichten auf andere Weisen und sind nicht auf westliche Vorlieben abgestimmt. Sie erscheinen auf Deutsch in kleinen, engagierten Verlagen, wie bei Das Wunderhorn, Peter Hammer- oder Unionsverlag. Die diesjährige Friedenspreisträgerin des deutschen Buchhandels Tstsi Dangarembga etwa, publiziert im winzigen Orlanda-Verlag. Diese Häuser haben leider nicht die finanziellen Kapazitäten für eine weiträumige Sichtbarmachung ihrer Publikationen. Auch das Verlagswesen ist von einer ungerechten Verteilung von Ressourcen betroffen und unser Bild von Literatur aus afrikanischen Ländern wird davon mitgeprägt.
Zurück zu Mbue: Sie beschreibt im Roman dörfliche Traditionen in verschiedenen Stimmen und es gibt darin schöne Passagen zu lesen, wie etwa die Gefühle, die Frauen ihren Ehemännern entgegenbringen: So erzählt die Mutter der Heldin Thula von ihrer innigen Verbundenheit mit ihrem Mann, der auf der Suche nach einem Dialog mit der Ölfirma verschwunden ist. Auch Großmutter Yaya schwärmt zärtlich von ihrem verstorbenen Mann. Eine politische Komponente transportieren diese Äußerungen dennoch: Liebe und Gemeinschaft wurden schon von Martin Luther King als Praxis der Befreiung gepriesen, da es stets den Interessen der Herrschenden diente, Familien auseinanderzureißen.
Thula bekommt als einzige des Dorfes die Chance zu studieren, noch dazu in den USA. Auch Bildung stellt eine Möglichkeit zur Emanzipation dar, die von den Dorfbewohnern aber anfangs nicht geschätzt wird, weil ihre Kinder dadurch dem einfachen Leben entfremdet werden. In New York radikalisiert sich Thula in revolutionären Zirkeln. Denkmodelle dazu werden aber nie genau benannt, Ideen umschrieben. Mbue will damit Zeitlosigkeit und Allgemeingültigkeit suggerieren, und nur so kann es gelingen, den anfangs gesetzten naiven Ton beizubehalten. Das liest sich dann aber oft umständlich oder gar platt: „Wir haben über zurückliegende Bewegungen geredet und was ich mir von ihnen abgucken kann. Sie haben mir Bücher zu diesem Thema empfoh¬len. Einer von ihnen hat mich seinem Onkel vorgestellt, ei¬nem Mann, der einer Bewegung in Amerika angehörte, die die Verabschiedung von Gesetzen bewirkt hat, durch die für jeden im Land das Recht auf Gleichbehandlung verankert wurde.“
Je weiter sich die Handlung von der dörflichen Ausgangslage entfernt, desto schematischer wirken die märchenähnlich angelegten Strukturen. Stilistisch zeigt sich das Dilemma, indem die Autorin auf Dialoge verzichtet, stattdessen indirekte Reden setzt. Die Nacherzählung von Diskussionen und Konflikten legt einen Filter über die Geschehnisse und berührt so emotional weit weniger als beabsichtigt. Die indirekte Erzählweise dämpft außerdem den behaupteten Zusammenhalt der Gemeinschaft als Gegenkraft zur Unmenschlichkeit eines ausschließlich auf Profit ausgerichteten globalen Konzerns. Das kollektive Erzählen der Dorfkinder als „Wir“ ändert daran kaum etwas.
Mbues Botschaft ist jedoch von Anfang an klar: Wann immer Fremde ins Land kamen, richteten sie Unheil an. Vor der Ölförderung war es der Anbau von Kautschuk. Junge Männer wurden gezwungen auf Plantagen zu arbeiten. Mit dem Ende des Kolonialismus gab es Hoffnung auf Freiheit, doch dann wurden Diktatoren installiert, die das Land als ihr Eigentum ansehen und die Ausbeutung jahrzehntelang fortsetzen. Meist arbeiten diese Regenten mit den Konzernen Hand in Hand. Die Teilnahme am kapitalistischen System wird am Ende immer mit Tod und Zerstörung des Althergebrachten erkauft. Der Roman bleibt unentschieden zwischen Anklage und Wunsch nach Versöhnung. Konkreter wurden derartige Problematiken bereits in Helon Habilas "Öl auf Wasser“ behandelt. Sein Roman über die Ölkatastrophe im Niger-Delta erschien 2012 bei Wunderhorn. Dort allerdings sind die Protagonisten vor allem Männer. Immerhin nimmt Mbue in ihrer Darstellung auch die Sichtweisen von Frauen und Kindern in den Fokus.
Imbolo Mbue: Wie schön wir waren. Übersetzt von Maria Hummitzsch, Kiepenheuer & Witsch, 2021
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