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Klima und Wandel

Wie die Anti-Windkraft-Kampagne funktioniert

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
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Nick ReimerFreitag, 12.02.2021

Die Staaten der EU haben sich gerade auf das Ziel verständigt, bis 2050 klimaneutral zu werden, bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um mindestens 55 Prozent sinken. Der neue US-Präsident Joe Biden will mit einer ähnlichen Erklärung nachziehen. Doch einer Gruppe von Energiesystemforschern geht das nicht schnell genug. In einer Deklaration fordern sie, schon bis 2030 ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen – und zwar weltweit. Andere Bereiche wie Verkehr, Industrie oder Wärmeversorgung sollen möglichst bis 2035 folgen. Der neue Zeitplan "ergibt sich aus der Notwendigkeit, aus dem, was wir von der Klimawissenschaft erfahren haben", sagt Mitinitiator Eicke Weber, ehemals Direktor am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) und heute Vorsitzender eines europäischen Solarverbands.

Tatsächlich verlor der Ausbau speziell der Windkraft zuletzt massiv an Tempo, 2020 kamen in Deutschland lediglich 420 neue Windräder dazu, schlechter war die Rate in den vergangenen 20 Jahren nur einmal: 2019 wurden nur 320 neue Windräder ans Netz geschlossen. Zum Vergleich: 2017 kamen hierzulande 1.792 neue Windräder dazu, 2014 waren es 1.760, im Rekordjahr 2002 sogar 2328. Das zum Jahresende 2020 verabschiedete EEG 2021 sieht bis 2030 für die Windenergie an Land ein Ausbauziel von 71.000 Megawatt vor, aktuell sind knapp 55.000 Megawatt installiert, es müssten also jährlich wenigstens 1.500 Megawatt dazu kommen – und kein Windrad dürfte abgebaut werden, was unrealistisch ist, denn die ersten Anlagen fallen nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung raus.

Es ist wie immer im Klimaschutz: zu langsam, zu wenig. Im Spiegel ist einer der Gründe nachzulesen, warum es so stockt: Klagen – nicht nur von Naturfreunden oder Anwohnern. Es ist ein verdecktes Netzwerk von Gegnern der Energiewende, unterstützt von der Industrie, das massiv gegen neue Windräder vorgeht. Im Zentrum steht der wirtschaftskonservative Flügel der CDU. Das Portal energiewende.eu hat die Zusammenhänge in einer Grafik aufbereitet. Eines der beliebtesten Mittel gegen die Ökoenergie: Klagen vor Gericht, vor allem von echten und vermeintlichen Naturschützern.


In seinem Bericht stützt sich der Spiegel auf eine Greenpeace-Recherche, die verstreute Informationen zu den Akteuren zusammenfasst und dabei auch neue Erkenntnisse zu Tage fördert: Etwa, dass Nikolai Ziegler, der Vorsitzende des Anti-Windkraft-Dachverbands "Vernunftkraft" im Wirtschaftsministerium arbeitet und von dort aus Musterbriefe an Abgeordnete verschickte, in denen gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz protestiert wird.

Mit Klagen gegen 16 Windparks gehört der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz (VLAB) in Bayern zu den aktivsten Initiativen. Der Verein wurde durch einen Eilantrag bekannt, mit dem er die Waldrodungen für das Tesla-Werk in Brandenburg verhindern wollte. Er gehört zum Anti-Windkraft-Netzwerk: Der VLAB ist institutionelles Mitglied bei Vernunftkraft, dessen Vorsitzender Nikolai Ziegler wiederum Mitglied im VLAB ist.

Ähnlich klagefreudig ist die Naturschutzinitiative e.V., die gegen insgesamt 27 Anlagen rechtlich vorgeht. Woher der erst seit 2015 existierende Verein aus einem 500-Einwohner-Dorf die Mittel für die Klagen hat – als Faustregel etwa 20.000 Euro pro Klage – ist genauso unklar, wie er die Geschäftsstelle mit mehreren Mitarbeitern finanziert. Eine SPIEGEL-Anfrage blieb unbeantwortet.

Wie die Anti-Windkraft-Kampagne funktioniert

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Kommentare 1
  1. Michael Praschma
    Michael Praschma · vor fast 4 Jahre

    NUR EINE SEITE DER MEDAILLE?
    Dass auch wirtschaftliche Interessen hinter Kampagnen stehen können, die Errichtung von Windparks und andere im Prinzip ökologisch fundierte Mapßnahmen der Energiepolitik zu bekämpfen, ist unbestritten. Das gilt aber für die Projektwerber und -betreiber genauso. Was zunehmend unter den Tisch fällt ist der Aspekt, dass sich das Ausmaß des Energieverbrauchs nicht immer weiter steigern darf. Jedenfalls, solange nicht das Perpetuum Mobile erfunden oder die eine unerschöpfliche Energiequelle (inklusive natur- und sozialverträglicher Übertragungswege!) entdeckt worden ist.

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