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In Bonn geboren, bei Heidelberg lebend. Freier Historiker mit Schwerpunkt in der digitalen Public History, dort Kopf von und hinter @9Nov38, @DigitalPast und @Gefluechtet. Interessiert sich vor allem für europäische Zeitgeschichte, Amerikanische Geschichte und Geschichtsbilder der politischen Außenrandgruppen
Wir betrachten gerade auch in diesem Piqd-Kanal oft Geschichte in größeren Zusammenhängen, internationalen Beziehungen, kulturellen Brüchen. Es lohnt sich aber mitunter auch, in die Niederungen der Lokalpolitik hinabzusteigen, um ein Gespür für den Zustand des kollektiven Gedächtnisses der Bundesrepublik zu erlangen, so belanglos es auch erst einmal scheinen mag. Denn im hier gepiqten Artikel der Neuen Presse Coburg passiert zunächst einmal – gar nichts. Ein Antrag im Stadtrat wird gestellt und abgelehnt, alles bleibt wie vorher.
Es geht dabei um die Geschichte des Nationalsozialismus in Coburg. Die soll nämlich, so ein Beschluss von Januar 2016, endlich wirklich aufgearbeitet werden. Das wird auch insofern Zeit, weil die Stadt in Oberfranken die erste war, die schon in den 1920er Jahren der NSDAP eine absolute Mehrheit verschaffte und ganz folgerichtig auch die erste, die 1932 Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde verlieh. Solch Eifer blieb nicht unbelohnt: ab 1939 durfte sich Coburg ganz offiziell „Erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands“ nennen, eine Bezeichnung, an die man sich nach 1945 nicht mehr so gern erinnern wollte.
Dass es nun überhaupt zu dem Beschluss kam, 300.000€ für eine Historikerkommission auszugeben, ist auch eher einem politischen Kuhhandel geschuldet. Denn zur selben Zeit wollte man den erfolgreichsten Unternehmer der Stadt ehren – Max Brose, dessen immer noch am Ort ansässige Fahrzeugteile-Firma mittlerweile 6 Milliarden Euro Umsatz verzeichnet und Coburg zwischenzeitlich zur Welthauptstadt der elektrischen Fensterheber machte. Doch dieser Max Brose war eben auch überzeugter Nationalsozialist gewesen, ab 1938 sogar Wehrwirtschaftsführer. Ihn zu ehren ist politisch im Jahr 2016 zumindest nicht ohne Ausgleichsmaßnahme möglich.
Dass die CSU nun erfolglos versuchte, diesen Ausgleich wieder zurückzunehmen, lässt tief blicken. Auch wenn die Coburger Haushaltslage sicher angespannt ist, das war sie auch vor zwei Monaten schon. Entlarvt wird das Ansinnen endgültig durch das zu Protokoll gegebene Argument des CSU-Fraktionschefs Jürgen Oehm, dass „Geschichte etwas statisches“ sei, die ja auch 2020 noch da sei. Vielleicht hat Oehm dabei gar nicht so sehr das jährlich schwindende Reservoir an ZeitzeugInnen, an Quellen in Privatbesitz und abgerissenem Baubestand im Blick gehabt – aber er zeigt deutlich, dass ihm die Geschichte eine Pflichtaufgabe ist, kein Weg zur Demokratiefestigung, der besser heute als morgen beginnt.
Quelle: Wolfgang Braunschmidt, Thomas Heuchling np-coburg.de
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