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Zeit und Geschichte

Was macht es für einen Unterschied, ob wir leise oder laut lesen?

Michaela Maria Müller
Autorin
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Michaela Maria MüllerDienstag, 21.11.2017

Wann das Lesen in der westlichen Welt vom Vortrag in der Öffentlichkeit zu einer stillen Beschäftigung wurde, darüber gibt es unter Wissenschaftlern Diskussionen. Manche sagen, dass schon eine Passage aus Augustinus’ Confessiones Ende des 4. Jahrhunderts darauf hindeutet, dass die Hauptfigur Ambrose, der Bischof von Mailand, lieber für sich gelesen habe.

Überdies habe sich das Lateinische wegen der Länge der Worte so gar nicht zum öffentlichen Vortrag geeignet, sagt der Wissenschaftler Paul Saenger. Irische Mönche haben im 7. Jahrhundert Abhilfe geschaffen, indem sie sich Striche in den Textkorpus machten, damit er sich besser zum Vortrag eignete.

Doch Robert Darnton betont, dass selbst im 17. Jahrhundert das Lesen noch eine soziale Angelegenheit war.

For the common people in early modern Europe, reading was a social activity. It took place in workshops, barns, and taverns. It was almost always oral but not necessarily edifying.

Sicher ist jedoch, dass die westlichen Gesellschaften sich immer mehr vom Oralen zum Schriftlichen entwickelten. Aber was macht es überhaupt für einen Unterschied, ob man leise oder laut liest?

Wer still liest, konzentriert sich ganz auf den Inhalt. Und wer früher leise las, konnte Dinge entdecken, die dem öffentlichen Diskurs entgegenstanden und vielleicht sogar sanktioniert wurden.

Wer laut und in Gesellschaft anderer liest, hat eine andere Leseerfahrung, denn er teilt das Gelesene gleichzeitig. Die Reaktion der Mithörer, des Publikums spielt auch eine Rolle. Lesen im digitalen Zeitalter ist ja wieder zunehmend eine soziale Sache. Man ist Mitglied bei Leseplattformen wie Goodreads, teilt auf Facebook und Twitter und diskutiert auf Blogs.

Was macht es für einen Unterschied, ob wir leise oder laut lesen?

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