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Zeit und Geschichte

Noch immer ein Tabu: sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe

Michaela Maria Müller
Autorin
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Michaela Maria MüllerMontag, 19.02.2018

Sexuelle Gewalt wurde im 20. Jahrhundert oft als Kriegswaffe eingesetzt: im Zweiten Weltkrieg, in Bosnien, im Kongo oder Ruanda. Und sie ist es heute noch immer in Syrien oder im libyschen Bürgerkrieg.

Der Umgang mit den Folgen sexualisierter Gewalt ist schwierig. Viele Opfer schweigen, aber die Folgen werden in Familien und Gemeinschaften über Generationen weitergegeben. Sie werden dysfunktional, sagt die Militärsoziologin Ruth Seifert.

Die Historikerin Miriam Gebhardt geht dabei auch von einer „Hierarchie der Kriegsopfer aus“, ein Verdrängungsprozess, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch in der wissenschaftlichen Aufarbeitung niederschlägt:

"Erst mal waren die ‚heroischeren‘ Kriegsopfer, die Kriegsversehrten wichtig. Dann die Trümmerkinder. Das hat auch mit der personellen Zusammensetzung der Geschichtswissenschaft zu tun. Dass sich dann vor allem die vaterlosen Söhne zu Wort gemeldet und ihr Leid zum historischen Thema gemacht haben. Und die Frauen, fürchte ich, kommen als wenig ‚heroische‘ Kriegsopfer erst am Ende dran."

Die Zahl der Missbrauchsopfer ist schwer zu beziffern. Sexualisierte Kriegsgewalt trifft meist Frauen und Mädchen, aber auch Männer und Jungen. In welchem Ausmaß, darüber sind schwer Aussagen zu treffen. Gebhardt, die in ihrem Buch „Als die Soldaten kamen“ über sexualisierte Gewalt in der Nachkriegszeit forschte, sagt:

Wenn ein junger Mann behauptete, vergewaltigt worden zu sein, wurde erst mal nachgeschaut, ob er vielleicht homosexuell ist. Und das wurde dann auch nicht Vergewaltigung genannt, sondern sexuelle Unzucht. Also insofern haben wir da dieses Kategorienproblem. Dass es eine Vergewaltigung an Männern gar nicht geben konnte.

Die Resolution 1820 der Vereinten Nationen, die 2008 im Kraft trat, sieht vor, dass sexualisierte Gewalt als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu werten sei. Doch Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass es eine nachgewiesene Kriegstaktik ist. Der Nachweis lässt sich etwa im Syrienkrieg nur schwer erbringen.

Noch immer ein Tabu: sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe

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Kommentare 1
  1. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor mehr als 6 Jahre

    Das ist ein harter Text, den zu lesen mir schwergefallen ist, den ich aber sehr wichtig finde. "Konservativ geschätzt gab es demnach mindestens 860.000 Vergewaltigungen im und nach dem Zweiten Weltkrieg – durch Westalliierte und Rotarmisten" - wohlgemerkt auch durch Westallierte wesentlich häufiger, als das bisher zugegeben wurde. Das wusste ich nicht.

    Schwer erträglich auch die Antwort auf die Frage, welchen "Zweck" Vergewaltigungen im Krieg haben. "Die Regensburger Militärsoziologin Ruth Seifert sagt, dass sie schon in Friedenszeiten auf den Kern des Individuums zielen, auf die Vernichtung der Persönlichkeit. Wer Vergewaltigungen massenhaft und strategisch einsetzt, wie dies in Kriegen geschieht, will nicht nur Einzelne damit schädigen".

    Das perfide daran ist, " dass die Auswirkungen auf das Kollektiv andere sind. Das Kollektiv hat Probleme, diese schambehafteten Opfer wieder zurück zu integrieren in das Kollektiv. Was es als, wenn man dieses Wort benutzen will, als Kriegswaffe besonders geeignet macht."

    Genau das passiert gerade mit unzähligen Frauen und auch Männern, die sich auf der Flucht nach Europa befinden.

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