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Hollywoods Zukunft: Drehbuchautoren als Handlanger der KI

Karsten Lemm
Reporter
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Karsten LemmDienstag, 12.12.2017

Shakespeare war ein Versager. Jedenfalls bei Cymbeline – da hat der große Poet einfach die Dramaturgie vermurkst; deshalb schauen heute alle auf Othello und King Lear.

Solche Meisterwerke lassen sich berechnen: Sie fangen ihr Publikum ein, indem sie klaren Mustern folgen, ihre Hauptfiguren ins Abenteuer stürzen, ins Elend oder in auch ins Glück (oft zum Schluss fürs Happy End), um bei den Menschen, die diese Geschichte konsumieren, Gefühle auszulösen – idealerweise einen Zahlreflex.

So nüchtern stellt sich das Handwerk von Schriftstellern und Drehbuchautoren aus der Sicht von McKinsey-Beratern und MIT-Forschern dar. Sie ließen ihre Computersysteme mehr als 2000 Hollywood-Filme und Internet-Videos betrachten, um zu analysieren, wie die Story aufgebaut ist. Das Ergebnis sind Grafiken, die – kühl kalkuliert – vor Augen führen, warum etwa die weitgehend stumme, von Musik untermalte Eröffnungssequenz aus dem Pixar-Film Up so mitreißend geworden ist: Alles nur eine Frage von emotionalen Hochs und Tiefs, perfekt verteilt über die Drama-Kurve.

Die Einsicht, dass populäre Werke sich in mancher Hinsicht ähneln, ist nicht neu. Star Wars und der Herr der Ringe zum Beispiel basieren auf der klassischen Heldensage. Neu ist die Möglichkeit, mit Software, die eigenständig Muster erkennt, jede Erzählung auf Erfolg zu programmieren – zumindest, solange Erfolg sich an Einschaltquoten, Netflix-Abozahlen und verkauften Kinokarten festmacht.

McKinsey und MIT betonen, ihr Ansatz, mit KI die Dramaturgie zu perfektionieren, solle Drehbuchautoren nur helfen, „in einer Welt mit anscheinend unendlich großer Publikumsnachfrage“ aus der Masse herauszustechen. Doch es wird wohl eher andersherum laufen: Produzenten werden darauf drängen, jede Geschichte mithilfe von Algorithmen zu optimieren, bis sie mit höchster Wahrscheinlichkeit den Massengeschmack trifft. So lange, bis wir alle die Nase voll haben vom Immergleichen und vor allem das Originelle, Überraschende belohnen.

Hollywoods Zukunft: Drehbuchautoren als Handlanger der KI

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Kommentare 9
  1. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor 7 Jahren

    Was für ein Zufall. Von der Kollegin Elisabeth Dietz gestern gepiqd: https://www.piqd.de/re...
    Andere Branche, selbes Verfahren.

    1. Karsten Lemm
      Karsten Lemm · vor 7 Jahren

      Hatte ich noch nicht gesehen – aber kein Wunder: Überall, wo sich aus Daten Muster herauslesen lassen, bieten sich Anwendungsgebiete für lernfähige Algorithmen. Die große Frage ist für mich, ob die Maschine dabei dem Menschen assistiert und ihm die Arbeit erleichtert; oder im Gegenteil der Mensch am Ende nur noch den Vorgaben der Algorithmen folgt.

  2. Silke Jäger
    Silke Jäger · vor 7 Jahren

    Das wird sich ganz bestimmt nicht nur auf die Filmindustrie auswirken. Oder die Literatur. So gerne ich Geschichten habe, aber mir macht es schon Angst, dass sie dazu eingesetzt werden können, dass wir zwischen Schein und Wirklichkeit immer schlechter unterscheiden können. Mit dem Durchbruch von VR wird das eine irrsinnige Herausforderung. Ich erkenne darin eine riesige Manipulationsmaschine. Bevor ihr fragt: Ja, Kulturpessimistin.

    1. Ralph Diermann
      Ralph Diermann · vor 7 Jahren

      ...ach, wie bei jedem Trend wird es auch da einen Gegentrend geben. Irgendwann werden wir so übersättigt sein von Stories mit dem im Artikel beschriebenen "emotional arc", dass wir uns sehnen nach Filmen und Serien, die das Prinzip mit Schwung in die Tonne treten. Ist ja schon heute so, siehe der Erfolg vieler Netflix-Serien zum Beispiel.

    2. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor 7 Jahren

      @Ralph Diermann Um die Literatur und den Film tut es mir leid. Aber vielleicht hast du recht und das ist nur ein Trend, der sich wieder legen wird. Es kommt wirklich darauf an, wie die Prüfmechanismen bei der Produktion sind und wie die Rollenverteilung. Ob KI Werkzeug bleibt oder ob die menschlichen Storyteller zu Handlangern werden. Drehbuchschreiber in Screenrooms sind auch schon ohne KI eigentlich Fließbandarbeiter. Diese Schicht wird vielleicht ganz verschwinden und nur noch die menschlichen Editoren übrigbleiben.

      Wovor ich aber Angst habe sind die Auswirkungen von maschinell erstellten Geschichten, mit denen etwas verkauft oder Wissen vermittelt werden soll. Vor allem, wenn das in Virtual Reality übersetzt wird. Solange ich weiß: Hey, Kino, alles Kunst, habe ich noch Chancen abzugleichen. Aber zB Erfahrungsberichte von "echten" Patienten, deren Geschichten emotional optimiert wurden, sind schon was anderes. Vor allem, wenn damit zB wirkungsloser überteuerter Hustensaft verkauft werden soll (im harmlosen Fall). Am besten noch inkl. Quellenangabe zur gesponserten Studie. Die Hersteller werden das nutzen, wenn man damit Interaktionsraten hochkriegt. Bin ich sicher.

    3. Karsten Lemm
      Karsten Lemm · vor 7 Jahren

      @Silke Jäger Guter Punkt: Unternehmen (und autoritären Regimen) werden solche Algorithmen sicher auch dazu dienen, das Publikum gezielt zu manipulieren. Vielleicht helfen dann wiederum Algorithmen – die „gute KI“ –, diese Machenschaften zu enttarnen.

    4. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor 7 Jahren

      @Karsten Lemm Ja, u.a. ein Merkmal von Fake News: erzeugt starke emotionale Reaktionen. Bots können das auch.

  3. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 7 Jahren

    Jetzt sind sie da, die Brecht kommen sah: "Geschlecht erfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können."

    1. Karsten Lemm
      Karsten Lemm · vor 7 Jahren

      …und sie kommen aus den Wolken: das Cloud-Abo für 9,99 Euro im Monat.

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