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Kurator'in für: Europa Fundstücke Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953, geboren in Bünde/Westfalen. Nach dem Studium der evangelischen Theologie in Bielefeld und Marburg/Lahn ab 1989 Leiter des Industrie- und Sozialpfarramtes des Kirchenkreises Herne. Von 2007 bis 2009 Referent für Sozialethik an der Evangelischen Stadtakademie Bochum. Von 2009 bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments (DIE LINKE). Mein persönliches Highlight im EP: Ich war Berichterstatter für die Zahlungskontenrichtlinie, die jedem legal in der EU lebenden Menschen das Recht auf ein Bankkonto garantiert. Seit 2014 freiberuflich tätig. Publizist. Diverse Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Publikationen, seit Dezember 2016 Herausgeber des Europa.blog und seit Juni 2020 auch Herausgeber des "Ruhrpott Podcast".
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Laut UN-Generalsekretär António Guterres könnte es in nächster Zeit zur größten Hungerkatastrophe seit 1945 kommen. Diese Entwicklung ist zunächst eine unmittelbare Folge der Coronapandemie (unterbrochene Lieferketten), des Klimawandels (Dürre und Überflutungen, die Ernten dezimieren) und des russischen Krieges gegen die Ukraine (russische Blocks ukrainischer Getreideexporte, afrikanische Länder beziehen bis zu 80 % ihres Getreideverbrauchs aus Russland und der Ukraine).
Peter Samol legt in seinem Artikel, der in der luxemburgischen Zeitung woxx erschien, dar, dass es zu kurz greift, die drohende Hungerkatastrophe allein mit den drei genannten aktuellen Krisen erklären zu wollen. Für Samol liegt der eigentliche Grund für die jetzt wieder sich zuspitzenden Hungersnöte in den ungleichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den europäischen und nordamerikanischen Industrienationen und vor allem afrikanischen Ländern. Am Beispiel der industrialisierten Agrarwirtschaft und dem sogenannten Land Grabbing erläutert Samol, wie die bestehenden globalen Wirtschaftsbeziehungen mehr noch als die aktuellen Krisen zur erneuten Zunahme von Hungersnöten beitragen.
Quelle: Peter Samol www.woxx.lu
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Noch eine Anmerkung:
Ich hatte heute gerade das Spiegel-Interview mit Nouriel Roubini gepigt (www.piqd.de/subscripti...). In der komplexen Analyse der Bedrohungen für unsere Zukunft kommt die Dritte Welt nicht vor, es geht um die Beziehungen der Top-Player. Auch im Internet habe ich auf die Schnelle kein entsprechendes Statement gefunden.
Die USA sind gegen Flüchtlingsströme gut abgeschottet. Es kann aber nicht in deren Interesse liegen, dass Westeuropa bei Verschärfung des Hungers geschwächt würde. Ohne Nordamerika wird es Europa nicht schaffen, an der herrschenden Welthandelsordnung etwas Grundsätzliches im Sinne von mehr Gerechtigkeit zu ändern.
Zu Zeiten der Einführung des E10-Kraftstoffs wurden die Auswirkungen auf die Nahrungsmittelsituation sehr intensiv diskutiert. Warnungen wurden nicht erhört. Es ist richtig, dass eine Gesamtbilanz aus globaler Perspektive schwer zu ziehen ist. Wurde es jemals ernsthaft versucht? Es wird ja selbst bezweifelt, dass Bioethanol im Sprit die CO2-Bilanz verbessert (www.faz.net/aktuell/wi...). Ein sehr ausführlicher Artikel erschien auf www.zeit.de/auto/2012-....
Diese Debatte ist nach meinen Eindrücken verstummt. Bei dem Thema geht es nur noch um unsere Wirtschaft und die Preise, z. B. www.tagesschau.de/wirt.... Genauso wie beim günstigen russischen Gas. Es sind alles Waffen für Kriegstreiber.
Will nicht sagen, dass wir an der Armut im Süden allein schuldig sind. Dort gibt es auch Geschäftemacher. Interessieren würden mich zuerst mal folgende Gesamteinschätzungen:
- Wieviel Kilokalorien an Nahrung gehen in die Tanks, und wieviel davon kommen aus dem Norden und aus dem Süden?
- Welche finanziellen Erträge werden an den Warenbörsen aus Spekulationen mit Nahrungsgütern erzielt, vgl. www.piqd.de/seite-eins... ?
Neue internationale Regelungen sind unumgänglich. Die demokratischen Staaten müssen vorangehen. Auf China, das in Afrika schon lange sehr aktiv ist und jetzt auch in der Ukraine (vgl. www.piqd.de/medien-ges...), dürfen wir nicht hoffen. Entwicklungszusammenarbeit ist wichtig, erfordert neben (Staats)geldern großes Engagement in der Hilfe zur Selbsthilfe in der Nahrungsmittel-Selbstversorgung.
Ich bin immer skeptisch, wenn von "der eigentlichen Ursache" von irgendwas geschrieben wird. Hunger hat tausend Gesichter und Alles ist multikausal. Schlechte Regierungen, Klimakrise, Spätfolgen des Kolonialismus, Strukturen im Agrarsektor, Zunahme der Bevölkerung, mangelnde Bildung, Mangel an Zugang zu Familienplanung, Kriege (nicht nur Putin, auch lokale Konflikte), Eurozentrismus, globale und nationale Ungleichheit der Verteilung und der Produktion &cpp - alle wirken zusammen. Diese Sicht trägt die Gefahr der Defokussierung und damit des Zerstreuens von Handlungsimpulsen mit sich. Etwas als "eigentliche Ursache" zu bezeichnen stellt eine etwas unreflektierte Fokussierung her.
Trotzdem ist natürlich eine Analyse der Handelsstrukturen wichtig und kann weiterbringen, kann unsere Sicht auf die Dinge klarer und unser Handeln wirksamer machen.
Die Frage, warum so viele afrikanische Länder einen so hohen Anteil ihrer Ernährung importieren, anstatt sie selber zu produzieren, ist in der Tat fundamental. Der Artikel bringt die gesamte Kritik an den aktuellen Handelsstrukturen in einem antikolonialistischen Rundumschlag. Aber er nennt keine Zahlen und das ist für mich eine große Schwäche - die behaupteten Zusammenhänge werden damit nicht greifbar, können nicht eingeordnet werden.
Im Übrigen kann ich nur mit dazu aufrufen, das world food programme oder ähnliche organisationen finanziell zu unterstützen. Jeder Euro bringt Menschen einen Tag weiter.
Wenn der UN-Generalsekretär richtig warnt, heißt das, dass der Gewaltherrscher im Kreml mit der Getreideblockade nicht die Ursache für die Hungersnot darstellt, sondern deren Verschärfung.
https://www.spiegel.de...
(Die Getreideblockade erfolgte nach dem Warnruf des UN-Generalsekretärs.)
Der Gewaltherrscher im Kreml legt Widersprüche einer Weltwirtschaft im Umbruch offen.