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Kurator'in für: Europa Fundstücke Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953, geboren in Bünde/Westfalen. Nach dem Studium der evangelischen Theologie in Bielefeld und Marburg/Lahn ab 1989 Leiter des Industrie- und Sozialpfarramtes des Kirchenkreises Herne. Von 2007 bis 2009 Referent für Sozialethik an der Evangelischen Stadtakademie Bochum. Von 2009 bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments (DIE LINKE). Mein persönliches Highlight im EP: Ich war Berichterstatter für die Zahlungskontenrichtlinie, die jedem legal in der EU lebenden Menschen das Recht auf ein Bankkonto garantiert. Seit 2014 freiberuflich tätig. Publizist. Diverse Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Publikationen, seit Dezember 2016 Herausgeber des Europa.blog und seit Juni 2020 auch Herausgeber des "Ruhrpott Podcast".
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Fatma Aydemir hat den Abschiedsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim türkischen Präsidenten Erdoğan zum Anlass genommen für einen kritischen Rückblick auf das politische deutsch-türkische Verhältnis. Sie bezeichnet das Verhältnis als toxisch – aus meiner Sicht zu recht.
Aydemir erinnert daran, dass die Türkei sich während der 16jährigen Kanzlerinnenschaft von Merkel Schritt für Schritt zu einem auktokratischen Regime entwickelt hat, ohne dass das die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Ankara belastet hat.
Diese toxische Beziehung hat, so Aydemir, allerdings eine lange Tradition. Bereits seit Beginn der Zuwanderung türkischer Arbeitsmigranten (es waren anfangs nur Männer) wurden rechte Gruppierungen zielgerichtet von deutschen Konservativen unterstützt:
„Zufällig feiert gerade auch das Anwerbeabkommen mit der Türkei 60-jähriges Jubiläum. Mit ihm kamen ja nicht nur Arbeiter_innen, sondern auch politische Subjekte. „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein nationalistischer Staat. Die dort lebenden Deutschen, sind, genau wie wir Türken, Nationalisten und Feinde des Kommunismus,“ erklärte eine türkische Broschüre in den 1960ern den neu ankommenden Arbeiter_innen. Und so waren es während des Kalten Kriegs vor allem linke Migrant_innenorganisationen, die in der BRD kritisch beäugt wurden. Rechte bauten indessen munter ihre Strukturen auf und wurden gar von deutschen Politiker_innen unterstützt.“
Aydemir fürchtet, dass diese toxische Beziehung auch unter der neuen vermutlichen Ampelregierung fortgesetzt wird.
Die toxische deutsch-türkische Beziehung betrifft allerdings nicht nur die Bundesrepublik, sondern die gesamte EU, wie Aydemir auch anmerkt. Am greifbarsten wird das am Beispiel des so genannten Flüchtlingsdeals von Angela Merkel aus dem Jahre 2016. Mit diesem Deal hat Merkel zwar die Zuwanderung von Flüchtlingen deutlich verringern können, aber sie hat damit Erdoğan auch einen Hebel in die Hand gegeben, die EU zu erpressen.
Und, das sei hier noch ergänzt, im Windschatten des Flüchtlingsdeals setzt die türkische Regierung den Krieg gegen die kurdischen Bevölkerungsteile in der Türkei fort und sie ist zudem völkerrechtswidrig in Teile der kurdischen Siedlungsgebiete in Nordsyrien einmarschiert. Ohne die deutsch-türkische Kumpanei wäre dies vielleicht nicht möglich gewesen, aber ohne Zweifel wäre es sehr viel schwieriger gewesen.
Die Wurzeln für die von Fatma Aydimir dankenswerterweise erinnerte und aufgezeichnete Kumpanei liegen allerdings noch viel weiter zurück als 60 Jahre. Auch daran sei hier noch kurz erinnert. Schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entdeckte der Sultan des damaligen osmanischen Reichs das im Westen des Habsburger Reiches, mit dem sich der Sultan schon lange im Krieg befand, aufstrebende aber noch kleine Preußen und gewährte Preußen vor allem militärische Entwicklungshilfe. Im 1. WK waren das von Preußen dominierte deutsche Kaiserreich und das osmanische Reich Verbündete und die kaiserlicher Armee sicherte den Völkermord der türkischen Armee an den Armeniern ab. Und Kemal Atatürk, der Gründer der heutigen Türkei, war 1917/18 – zwar nur für kurze Zeit – Militärataché im damaligen deutschen militärischen Hauptquartier in Spa (Belgien).
Quelle: Fatma Aydemir Bild: Murad Sezer/reuters taz.de
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es sah - daran muss man auch erinnern - auch mal ganz anders aus: die Türkei demokratisch und aufstrebenden kurz vor der EU-Mitgliedschaft (=zt sogar besser geeignet als etwa Ostbkockstaaten), die EU mit einem islamischen Staat als Teil glaubhafter globaler Player für Demokratie und den Westen... sogar unter Erdogen hatte es vielleicht noch Chancen gegeben, im Syrienkrieg hätte die Türkei ohne Gesichtsverlust in großer Geste zusammen mit den Kurden gegen den IS und Assad kämpfen und siegen können...
ach ja.
Die CDU bzw. die Konservativen hat lange zu lange den EU-Beitritt der Türkei verhindert, die Integration der Deutschtürken erschwert. und jetzt fällt es uns allen auf die Füße.
dennoch: mit der Türkei verbindet gerade uns Deutsche (=und zwar unabhängig von der o.g. toxischen Beziehung) viel. Die hier lebenden Türken bilden mit allen anderen das moderne Deutschland.
und trotz Grauen Wölfen und (einem Teil von) DITIB etc. stellen Sie für die Türken in der Türkei eine Alternative dar.
Bin ich also optimistisch? ja. bin ich immer.
Und wünsche den Demokraten in der Türkei und hier viel Glück.