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Liebe, Sex und Wir

Die Ehe: Früher Gulag, heute Auslaufmodell

Judka Strittmatter
freie Journalistin und Autorin
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Judka StrittmatterFreitag, 06.05.2016

Zum Brückentag ein Blick ins Archiv: Dieser SPIEGEL-Artikel von 1978 gibt einen radikalen Rückblick und eine ebenso ausfallende Vorschau auf die Zukunft der Ehe oder die Ehe der Zukunft – je nachdem. Er stützt sich dabei auf die Thesen des kanadischen Historikers Edward Shorter. Als der seine Abhandlungen schrieb, war das Internet noch nicht erfunden – unter Umständen wären sie dann noch defätistischer ausgefallen. "Die Kernfamilie zerfällt – um, wie ich glaube, durch das freischwebende Paar ersetzt zu werden, eine eheliche Dyade, die dramatischen Spaltungen und Fusionen ausgesetzt ist”, heißt es bei Shorter. Aber war die Ehe überhaupt je das optimale Arterhaltungsmodell? Shorters Ausführungen stimmen einen da weder nach hinten noch nach vorne positiv. Soll heißen: Es wird zwar in der Zukunft schwer, aber früher war es das auch. So wurden “Bräute ausgesucht wie die Ochsen auf dem Viehmarkt, nach Größe und Stärke. Eine schöne Figur und feine Gesichtszüge zählten nicht, wohl aber waren Krampfadern von Belang, denn die minderten die Arbeitsfähigkeit”. Und wie sonst kam es wohl zu Bauernregeln dieser Art? "Zwei schöne Tage hat der Mann auf Erden: Wenn er seine Frau nimmt und wenn er sie begräbt.” DER SPIEGEL ordnet ein: "Eine neue Frau brachte neuen Besitz" – deshalb die lieblose Weisheit. Eines aber ändert sich scheinbar nie, auch in 239 Jahren nicht. So taucht bei Shorter ein französischer Arzt auf, der etwa 1777 über die Bauern schrieb, sie seien zu abgearbeitet für körperliche Freuden: "Dringend benötigte Ruhe verdrängt die Lust." Könnte aus jetztzeitigen Ehe-Schlafzimmern stammen, der Satz. 

Die Ehe: Früher Gulag, heute Auslaufmodell

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