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Literatur

Die ideale Wohnung

Die ideale Wohnung

Jochen Schmidt
Schriftsteller und Übersetzer
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Jochen SchmidtFreitag, 01.07.2016

Wenn man von seinem idealen Wohnraum träumt, wie würde der wohl aussehen? Nur wenige bekommen ja im Leben die Gelegenheit, ihren Traum Wirklichkeit werden zu lassen, und das Ergebnis sieht dann nicht unbedingt schmeichelhaft aus, sondern so wie der Palast der Ceauşescus in Bukarest. Ich hätte nichts dagegen, in ein Haus von Frank Lloyd Wright zu ziehen, des ersten amerikanischen Architekten, der "das traditionelle Handelsdefizit der Ideen von Belang gegenüber Europa und der Welt umkehrte". Wirklich beurteilen kann man Architektur ja erst, wenn man darin wohnt oder arbeitet, trotzdem lese ich gerne darüber und oft wird der Leseplan von dem beeinflußt, was bei Jokers auf dem Wühltisch liegt, in diesem Fall das Buch von Robert McCarter über Frank Lloyd Wright. Woher hatte dieser Mann seine unfaßbare Produktivität? Es ist immer wieder interessant, verwirrend und rätselhaft, nach den Einflüssen auf Künstler und Architekten zu suchen, man versteht aber trotzdem nie ganz, was sie zu ihren einzigartigen Ideen inspiriert hat. Etwas bleibt immer im Dunkeln. Wrights Kindheit war jedenfalls davon überschattet, daß er immer den Blasebalg beim Orgelspiel des Vaters pumpen mußte. Seine Mutter behauptete später, sie habe seine Laufbahn vorbestimmt, indem sie ihm vor seiner Geburt Radierungen gotischer Kathedralen über die Wiege gehängt habe. Er selbst erinnert sich an Fröbel-Spielzeug, also aus der Kristallographie abgeleitete Gegenstände zum räumlichen und taktilen Lernen, die von Fröbel als "Gaben" bezeichnet wurden. (Angeblich haben auch Braque, Mondrian, Kandinsky, Klee, Gropius und Le Corbusier mit Fröbel-Gaben gespielt. Was wohl aus einem wird, wenn man stattdessen Playmobil hatte?) Als er die Familie verläßt, um in Chicago zu lernen, sieht Wright zum ersten Mal elektrisches Licht. Die Stadt hatte Ende des 19.Jahrhunderts zwei deutschsprachige Tageszeitungen. Er wird einen neuen Haustyp schaffen, einfallendes Sonnenlicht, offener Raumplan, Verzicht auf den Salon, Familienaktivitäten in einem einzigen, großen Wohnraum, Einbaumöbel, maschinell hergestellte Möbel. Später kommt das Präriehaus mit seiner Wechselwirkung zwischen Haus und Landschaft. Platz hatte man ja in Amerika, Henry Ford propagierte damals eine 120 Kilometer lange Stadt. Im Larkin-Building in Buffalo (inzwischen abgerissen) gab es spezielle Bürostühle, die das Putzen beschleunigten. Die leitenden Angestellten saßen im Erdgeschoß, im Blickfeld der Angestellten darüber. Die Eßtische in der Kantine waren so gestaltet, daß man keinen Stuhl ans Kopfende stellen konnte, dadurch saßen alle gleichberechtigt nebeneinander. Während der Arbeitszeit wurde häufig aus Emersons Werken vorgelesen. Wright hat sich ständig beeinflussen lassen und kannte alle relevanten Strömungen seiner Zeit. Auf Reisen nach Europa (u.a. zur Darmstädter Mathildenhöhe), oder nach Japan, wo er Häuser kennenlernte, deren Raumpläne auf die Größe der Tatami-Matten ausgerichtet waren. Fußbodenheizung, ein Konzept aus Korea, Verwebung von Haus und Garten. Für sich selbst hat er eine Form des Lebens und Arbeitens gesucht, die aus der Architektur ermöglicht wurde. In Taliesin, seinem Wohnsitz ab 1911, mit Wohn- und Ateliergebäuden, waren die Türhöhen auf seine geringe Körpergröße angepaßt. Jeder, der über 1,70 war, galt für ihn als über die Norm der Natur hinausgeschossenes Unkraut. Wenn ihn sein 1,93 großer Schwiegersohn besuchte, sagte er: "Setz dich, du verdirbst die Dimensionen des Raums." Ein schmerzhafter Widerspruch bestand zwischen diesen herrlichen, für stetige Produktivität gedachten Gebäuden, die einen dazu verleiten können, sie gar nicht mehr zu verlassen, und Wrights katastrophal verlaufenem Privatleben, das an Schicksalsschlägen und Kalamitäten durch Ehefrauen und Exfrauen so reich war, daß man gar nicht anfangen will, das alles aufzuzählen. Trost durch Arbeit und Bauen! Z.B. das Johnson-Wax-Gebäude (Ein Hersteller von Bohnerwachs engagiert einen Meisterarchitekten seiner Zeit, heute wohl undenkbar), mit spektakulären Beton-Pilzen, in tellerartige Scheiben auslaufende Säulen. (Vorbild soll der Staghorn-Kaktus aus Arizona gewesen sein). Ein schönes Foto zeigt Bauherr und Architekt bei einem Belastungstest, bei dem eine Pilzsäule, noch allein im Freien stehend, mit Sandsäcken beladen wurde. Angeblich hat die Firma durch das neue Gebäude ihre Produktivität und die Verbleibequote der Angestellten gesteigert. Wie schön wäre es, wenn heute jeder Mensch die Wahl seines Arbeitsplatzes von dessen Architektur abhängig machen könnte.

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