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Jochen Schmidt zählte 1999 zu den Mitbegründern der Berliner Lesebühne "Chaussee der Enthusiasten", bei der er bis 2017 wöchentlich auftrat und neue Texte las. Er veröffentlichte Erzählungen ("Triumphgemüse", "Seine großen Erfolge", "Meine wichtigsten Körperfunktionen", "Weltall. Erde. Mensch", "Der Wächter von Pankow"), Romane ("Müller haut uns raus", "Schneckenmühle", "Zuckersand"), Reiseliteratur ("Gebrauchsanweisung für die Bretagne", "Gebrauchsanweisung für Rumänien", "Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland"), eine "Gebrauchsanweisung fürs Laufen" und "Schmidt liest Proust", das Tagebuch eines Lektürejahrs. Mit der Künstlerin Line Hoven arbeitete er für "Dudenbrooks", "Schmythologie" und "Paargespräche" zusammen. Gemeinsam mit David Wagner schrieb er die deutsch-deutsche Kindheitserkundung "Drüben und drüben". Zuletzt erschien der Roman "Ein Auftrag für Otto Kwant".
Neulich berichtete mir meine Mutter am Telefon, in der Zeitung habe gestanden, ein Junge, der antiautoritär erzogen worden sei, habe seinen Vater so sehr geärgert, daß der ihn erstochen habe. (Zu seinen Großeltern sei er aber nett gewesen.) "Und deiner Meinung nach ist jetzt der Junge schuld?" fragte ich. "Natürlich!" Allerdings müsse man dem Mann zugute halten, daß die Idee mit der antiautoritären Erziehung von der Mutter gekommen sei, und die habe sich längst umgebracht. Das Beispiel verdeutlicht schön das Niveau unserer familieninternen Debatte über Kinderpsychologie, Gewalt in der Familie und moderne Erziehungskonzepte. Deshalb war ich sofort interessiert, als mein Blick in der Apotheke, wo ich für uns und die Kinder neue Suspension gegen Madenwürmer kaufte, auf die "Baby und Familie" fiel, eine Gratiszeitschrift, die auf der Titelseite mit einem Artikel warb: "Erziehen ohne Brüllen – Mütter und Väter verraten, wie sie cool bleiben". Es reicht mir ja längst nicht mehr, auf dem Spielplatz mit Fremden und auf Geburtstagspartys mit Freunden ausschließlich über unsere Kinder zu reden, ich will auch noch in meiner übrigen Zeit dazulernen. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich mir natürlich eine amüsante Bad-Writing-Lektüre und peinliche Erziehungstips versprochen, doch wie wurde ich enttäuscht, in den Artikeln der "Baby und Familie" wird fast ausschließlich die richtige Meinung vertreten, also meine, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich finde es bemerkenswert, daß man schon im Gratiszeitungs-Segment vom gleichwürdigen Umgang mit Kindern lesen kann, sollte sich bei uns tatsächlich langsam etwas ändern? Aber nicht nur der Hauptartikel sprach mich an, ich war auch froh über die vielen nützlichen Tips und Informationen, die man ganz nebenbei bekam, Rezepte für "Vitamine in der Kita-Box" oder "Eintopf für kluge Kids", Antworten auf quälende Fragen ("Warum ist der Kopf verformt?"), einen Text über den neuen Achtsamkeits-Trend am Wickeltisch "Kinästhetik Infant Handling" (Achtsamkeit, Blickkontakt, eine Balance finden zwischen zu leicht und zu fest, säubern in Seitenlage, "Die Hand wandert vom Kopf an den Rücken, die andere unter die Achsel. Mit einer Dreh-Beuge-Bewegung über den Ellbogen kommt das Baby in den Sitzstütz. Dabei hält es seinen Kopf und sein Gewicht selbst." Weil wir davon erst jetzt erfahren haben, ist meine Freundin untröstlich, sie denkt, wir hätten unseren Kindern schon ihr Leben versaut), 5 Tips gegen Schwangerschafts-Dehnungsstreifen (Wechselduschen und Massage mit dem Luffa-Handschuh), wie man den Joghurt mit einem Smiley aus Blaubeeren schmücken kann (Naturjoghurt, denn in einem Fruchtjoghurt stecken 11 Würfelzucker), wie man einen "Saug-Kescher" baut, mit dem man unter der Couch saugen kann, ohne daß "Kleinstspielzeug" in den Staubsauger rutscht (man stülpt einfach einen Nylonstrumpf über das Rohr), wie man das Volumen seiner Sommerkleidung in der Tüte "um bis zu 75 Prozent" reduzieren kann, indem man die Luft aus der Tüte saugt (warum ist meine "Sommerkleidung" in keiner Tüte?)
Es befriedigt mich immer festzustellen, daß im Laufe meines Lebens nach und nach alles, was ich schon immer wußte, von Forschern eines Max-Planck-Instituts bestätigt wird. Jetzt haben laut "Baby & Familie" Forscher vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig herausgefunden, daß beim kreativen Tagträumen Hirnareale aktiv sind, die für Konzentration zuständig sind, Tagträumen könne also wirklich helfen, "Lösungen für Probleme zu finden". Interessiert verfolge ich auch neue Durchbrüche beim Kampf um die perfekte Windel. Man könnte ja meinen, da seien, wie bei Hollywood-Filmen, längst alle Möglichkeiten ausgereizt, und es gebe nur noch Wiederholungen. Aber es gibt jetzt Pampers mit verbessertem Auslaufschutz "für Nächte, die noch mehr Schutz brauchen". Die "Pampers Baby-Dry" haben dry, nein, drei absorbierende Kanäle: "So wird die Feuchtigkeit gleichmäßig verteilt, ohne daß die Windel durchhängt und ihr Baby wacht zwei Mal so fröhlich auf, wie es eingeschlafen ist." Vielleicht sollte ich die mal als Kopfkissen nehmen, wenn ich wieder nachts wachliege und tagträume. Aber Erwachsenen rät eine Schlaftrainerin aus der Gode-Tied-Kurklinik in Büsum, bei Schlafstörungen das Schlafzimmer umzuräumen: "Kerstin Trick muß lachen, als sie sich daran erinnert: 'Staubsauger, Bügelwäsche, Bügelbrett und Bügeleisen standen bei uns immer noch im Schlafzimmer.'" Wo denn sonst? Im Bügelzimmer?
Aber ich habe das Heft ja wegen der harten Themen mitgenommen: Das Baby einfach schreien lassen? Früher: Aber sicher! Die Kleinen bloß nicht verwöhnen! Und Schreien kräftigt die Lungen. Heute raten Bindungsforscher (Von dem Beruf hat mir kein Berufsberater etwas verraten!) feinfühlig auf das Weinen zu reagieren. Weil die Babys sonst keine sichere Bindung aufbauen und nicht die Erfahrung machen, für sich selbst etwas erreichen zu können. (Meine Mutter behauptet bis heute, es schade nichts, wenn Babys "sich müde schreien". Man soll Kinder auch nichts entscheiden lassen, sonst kommt man ja zu gar nichts mehr und außerdem würden sie es nur ausnutzen. In einer Rubrik berichten Leser, die das anders sehen, was ihre Kinder entscheiden dürfen: "Karoline hat die Farbe von unserem neuen Auto ausgewählt und nun haben wir ein weißes Auto mit pinken Streifen." Damit könnte ich leben, solange sie nicht ihr Spielzeug und ihre Kinderbücher selbst aussuchen wollen.) Ich als Infektler muß natürlich jeden Artikel über Erkältungskrankheiten lesen, um vielleicht doch noch mal von einem Gegenmittel zu erfahren. Weil heute viele Kinder unter drei Jahren in den Kindergarten gehen, häufen sich Dauerinfekte, da sie "Bauklötzer, Puppen oder Tischkanten und Stuhllehnen ausgiebig mit dem Mund untersuchen." Im ersten Winter werden sie "höchstwahrscheinlich mehr Zeit krank zu Hause als in der Betreuung verbringen", sagt eine Ärztin. Aber: "Häufige Infekte stärken das Immunsystem." Solange die Babys gestillt werden, haben sie natürlich noch eine "Leihimmunität". Aber das funktioniert wahrscheinlich nur bei Babys.
Zum Schluß kommt noch eine Mutmacher-Kolumne über Sex nach der Schwangerschaft, wenn er nicht mehr will, weil er immer noch von der Geburt traumatisiert ist, bei der er anwesend war. "Manchmal helfen auch kleine neue Rituale, die Anziehungskraft zu beleben. Das können kleine Liebesbotschaften auf Post-its sein, die mal am Spiegel haften oder neben der Kaffeemaschine liegen. Manche Paare teilen sich ihre Wünsche in einem Schatzkästchen mit." Wir teilen uns unsere Wünsche immer mit, indem wir uns wortkarg und beleidigt geben, damit der andere darüber nachdenkt, was er falsch gemacht hat und von selbst drauf kommt, was man sich stattdessen gewünscht hätte. Vielleicht sollte ich auch ein Schatzkästchen einführen, da lege ich dann solche Zettel rein: "Ich wünsche mir, daß du deine Teebeutel nicht immer in die Spüle wirfst, sondern gleich in den Müll, weil ich das sonst immer tun muß und ich das nasse Ding so ungern anfasse. Dann klappt es vielleicht auch wieder im Bett."
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