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Kurator'in für: Pop und Kultur Fundstücke Medien und Gesellschaft
Freier Journalist in Hamburg. Liebste Arbeit: Interviews führen; übelste Arbeit: Interviews abtippen.
Flohwalzer-Virtuose. Erste selbstgekaufte Kassette: Roxette - "Tourism". Krautrock, afrikanischer Blues und Souljazz waren da noch fern. Schätzt "Handgemachte Musik", und hört natürlich trotzdem HipHop, Dub und Ambient.
Drei Stunden und 45 Minuten. So lange dauert es aus dem Zentrum von Hamburg bis ins niedersächsische Vierden - eine Strecke von 60 Kilometern, für die ein Auto keine Stunde brauchen würde. Aber Friederike Gräff hatte sich entschieden, den ÖPNV zu nutzen, fünf Mal umzusteigen - und darüber zu schreiben. Es wird wenige überraschen, dass ihr Fazit ernüchternd ausfällt:
Es ist möglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln ... Man muss nur in der Lage sein, sein Leben darauf einzustellen und eine Existenz als Privatier führen.
Denn: Gräff ist vormittags losgefahren. Am späten Nachmittag oder gar abends hätte sie ihr Ziel, ein 800-Einwohner-Dorf, in dem sie eine Datscha an einer alten Mühle bewohnt, gar nicht erst erreicht.
Gräffs Text ist die beste Reportage, die ich zum Thema "Mobilitätswende" seit langem gelesen habe. Die Autorin zeigt all die Widersprüche auf, mit denen umweltbewusste GroßstädterInnen so hadern. Sie hat keine Ahnung von Landwirtschaft und kann nur raten, ob die Bauern auf den Feldern nebenan Gift versprühen. Sie verzweifelt am lokalen Verkehrsbetrieb, der den Busverkehr reduziert hat - weiß aber, dass die Leute vor Ort gar nicht unglücklich sind. Denn: 90 Prozent besitzen ein Auto.
Die Grünen haben das Problem erkannt - aber ob sie ihr "Nahverkehrs-Grundangebot" mit Sharing-Modellen für Linienverkehr-unrentable Strecken durchsetzen können/wollen?
Herrlich die Anekdote mit dem Mini-Bus, der Gräff und den Fotografen im Nirgendwo abholt:
Selbst aus der Ferne scheint mir, dass die Fahrerin uns überrascht ansieht. Es ist die Linie Nummer 865, auch wenn das schwierig zu erkennen ist, weil der Bus nicht beschildert ist. Hinten sitzen zwei Schulkinder, die uns interessiert angucken, als seien sie Teil einer Kleinfamilie, die nun zwei Tramper mitnimmt.
Schlau ist auch Gräffs Analyse ihrer Stadtflucht:
Ich nutze das Land als Pause, als Kulisse meiner Pause.
Quelle: Friederike Gräff Bild: Miguel Ferraz taz.de
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Naja, es gäbe auch andere Möglichkeiten. Laut google kommt man innerhalb von 1 Stunde 26 Minuten ins Nachbardorf, von wo man die verbleibenden 3 km mit dem Klapprad oder E-Scooter fahren könnte.
Gerade auf dem Land muss das Fahrrad in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen: durch sichere Radwege lässt sich der Einzugsbereich und damit die Wirtschaftlichkeit von Bahnhöfen massiv vergrößern. Ich sage mal von ca. 700m fußläufigem Einzugsradius zu 5km auf sicheren Radwegen.