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*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)
Der Tag ist lang, es ist Sommer und das Fernsehen hat zu unterhalten längst aufgegeben. Was soll man also tun. Die Welt zurrt sich in den Buchstaben einer Bibliothek zusammen und in den Lexikonseiten des Internets, die ich besuche, wenn ich über unbekannte Wörter stolpere. Die Lexika sind Ausweg und Erweiterung zugleich, denn meine Welt endet, wo meine Sprache endet, sagt Wittgenstein.
Reisen wäre sicher schön, doch ist es zu teuer und der Aufwand (Rollstuhl und der ganze Scheiß) zu groß. Man kommt noch schneller ins Schwitzen als Früher, als ich noch zu Fuß unterwegs war, und auf anfahrende Züge aufspringen konnte. Damals war alles physische Aktualität, und die Bücher, die ich mitnahm, weil man ja irgendwas zu lesen mitnehmen muss, blieben meist unangetastet in den Beintaschen meiner Cargohose. Wozu auf Papier starren, wenn am Zugfenster Gegend vorbeizieht? Das hat sich gründlich geändert. Ich reise inzwischen im Kopf und schwimme auf Papier.
Das gute am Lesen ist, dass es Zeitreisen möglich macht. Aktualität verliert aktuell für mich an Bedeutung, was zu einer Überlagerung der Ebenen führt. Alle Zeit scheint jetzt zu sein. Jedenfalls war ich zuletzt mit Anne Carson in Italien zu einem Phänomenologenkongress, aber auch zu Besuch bei den griechischen Wurzeln unserer Kultur, und mit Jehuda Amichai war ich im israelischen Unabhängigkeitskrieg. Auch hier traf ich auf Ursprünge, diesmal die jüdischen, die sich in der Zeit erhielten.
Auch wenn der Gott Amichais ein ferner ist, so ist er doch als Echo präsent, er ist weniger Glaubensinhalt, als Kultur. Das Buch, das ich las, und lese heißt „Offen Verschlossen Offen“ , ist im Jüdischen Verlag bei Suhrkamp erschienen, und enthält eine Auswahl von Gedichten des 1924 in Würzburg geborenen israelischen Dichters und ein Nachwort des israelischen Wissenschaftlers Ariel Hirschfeld, das die produktive Differenz zwischen Herkunft und Heimat, sowie zwischen Verwurzelung in Israel und universellen Ausdruck im Werk des Dichters betrachtet. Im Gedicht: „Das waren noch Tage der Gnade“ heißt es in der zweiten Strophe:
Religionen üben keine Gnade, sie erinnern nur
an leere Zeit; mit dem Glockenton, mit dem Ruf des Muezzins,
mit der Shabbat-Sirene, dem Schofar, dem Klopfen an den Türen
in den Tagen der Umkehr: An Gott können sie nicht
erinnern, und auch an seine Gnade nicht.
Und gerade diese Unmöglichkeit, die Amichai hier beschreibt, enthält auch ihr Gegenteil, das Erinnern im Nichterinnern. Übersetzt wurden die Gedichte von Anne Birkenhauer und fünf Texte sind auch im hebräischen Original abgedruckt.
Die eingangs erwähnte Anne Carson hielt in diesem Jahr im Rahmen des Berliner Poesiefestivals die Rede zur Poesie. Und da wir uns in einem Coronajahr befinden, das von uns verlangt, möglichst weit Abstand zu halten, hielt sie diese Rede von Canada aus. Zum Glück ist sie im Internet nachzuhören und im Buch , das im Wallstein Verlag erschienen ist, nachzulesen, im Original und einer Übersetzung von Anja Utler.
Innerhalb dieser Rede findet sich ein Bezug, eine Art Selbstzitat, zu dem Buch, das ich zuletzt von ihr gelesen habe. Das Buch heißt „Irdischer Durst“, wurde von Marie Louise Knott aus dem Kanadischen Englisch übersetzt, ist bei Matthes & Seitz erschienen und enthält vier Zyklen, die die Möglichkeit lyrischen Sprechens breit demonstrieren, vom Fragmentarischen der Antike bis zum Prosagedicht der Moderne und dem Aphoristischen der Gedankenlyrik. Sie schafft das auf einhundert Seiten und der Leser oder die Leserin folgt ihr auf einem Ritt durch die Formen. In der Lektüre verlieren sie wunderbarerweise das Exemplarische und gewinnen eine kristalline Einzigartigkeit.
Im vorletzten Zyklus, der „Canicula di Anna“ heißt, reißt der Horizont am weitesten auf. Eine Gruppe von Phänomenologen findet sich in einem Renaissancesujet vor der Übermalung durch Michelangelo. Die Gegenwart verschwindet und taucht wieder auf, oszilliert, begleitet eine Figur namens Anna, die in allen Zeiten sich findet.
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