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Ist die Unzufriedenheit im Osten berechtigt? Eine Diskussionsrunde macht klar: eher nicht

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
Zum Kurator'innen-Profil
Dirk LiesemerMittwoch, 28.08.2019

Wer glaubt, dass die Menschen im Osten konsequent vom Westen benachteiligt werden, sollte sich diese einstündige Gesprächsrunde anhören. Anlass sind natürlich die anstehenden Wahlen in Sachsen und Brandenburg. So weist gleich einmal der Historiker Michael Lühmann, der am Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen forscht, darauf hin, dass die Menschen in Sachsen vielleicht einmal über ihr Wahlverhalten seit 1990 nachdenken sollten. Im Freistaat wurde nämlich ununterbrochen die CDU in die Regierung gewählt. Auch Frank Richter, der ehemalige Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen, sieht dieses Problem der falschen Adressierung. Viele Probleme seien hausgemacht und hätten mit der Wiedervereinigung nichts zu tun. Man denke etwa an den Niedriglohnsektor. Im Einzelnen, sagt Richter, möge es immer Gründe für die Unzufriedenheit geben, in der Summe könne er sich den geballten Frust nicht erklären. Klar wird auch noch mal, dass es sich vor allem um eine bestimmte Gruppe handelt, von der die Probleme ausgehen: Männer um die fünfzig Jahre. Was also tun? Wirtschaftliche Maßnahmen reichten nicht, ist sich die Runde einig, wichtiger seien bessere Bildung und politische Kulturarbeit. Übrigens stammen alle Diskutanten aus dem Osten, was offenbar zu einer Zugangsvoraussetzung zu derartigen Runden geworden ist. Und nicht zu vergessen: die engagierte Diskutantin Anja Maier von der taz, die übrigens für die Unzufriedenheit einige gute Gründe sehen kann.

Am liebsten hätte ich hier übrigens einen anderen Beitrag gepiqd, der aber nur mittelbar erklärt, was in Sachsen los ist und nicht zur "Seite Eins" passt: Alexa Hennigs großartiges Feature: Süße Krankheit Elbhang. Eine Milieustudie des gut situierten, sich distinguiert gebenden Dresdner Bürgertums. Die politischen Erschütterungen der vergangenen Jahre zeigen sich dort in besonderer Weise und die Menschen haben neue Foren etabliert, um ihre heftigen Konflikte erfolgreich oder jedenfalls zivilisiert auszutragen.

Ist die Unzufriedenheit im Osten berechtigt? Eine Diskussionsrunde macht klar: eher nicht

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Kommentare 4
  1. Kerstin A.
    Kerstin A. · vor 5 Jahren

    Ach ja, so lange es zB einen gesetzlichen Mindestlohn für den Westen und für den Osten gibt, Führungspositionen in Wirtschaft, Politik, Justiz, Wissenschaft, Bildung und Kultur mehrheitlich bis zu 100% mit Westdeutschen besetzt sind, ostdeutsche Bundesländer als "Niedriglohnparadiese" für Investoren von der Politik angeboten werden, 30 Jahre nach der sog. deutschen Einheit sich Ostdeutsche immer wieder auf angebliche Stasi-Mitarbeit überprüfen lassen müssen und die westdeutschen Kolonialherrschaften auch 30 Jahre später in deren üblichen Arroganz meinen, der Ostdeutsche könne nicht bis Drei zählen, haben Ostdeutsche alles Recht der Welt, sich nicht mit den Brotkrümmeln von westdeutschen Tischen zu begnügen ....

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

      Verstehe ich nicht, sollte ihrer Meinung nach der Mindestlohn wieder abgeschafft werden? Und was den Niedriglohnsektor angeht: In der Runde wird ziemlich klar gesagt, dass dieser nicht der Wiedervereingung geschuldet ist, sondern der Politik der jeweiligen Landesregierung. Ihnen ist auch schon klar, wer fordert, dass Bewerber und Angestellte im Öffentlichen Dienst (und nur die) noch bis 2030 auf frühere Stasi-Mitarbeit geprüft werden? Das fordern unter anderem schon die Opfer der DDR-Diktatur (also Ostdeutsche). Ansonsten habe ich auch keinen Westdeutschen kennengelernt, der sagt, die Ostdeutschen könnten nicht bis drei zählen. Längst hat sich herumgesprochen, dass die Ostdeutschen gut ausgebildet waren. Vielleicht sollten wir den Austausch hier mal mit etwas weniger Schaum vor dem Mund betreiben, würde für die Debatte sicher hilfreich sein.

  2. Kerstin A.
    Kerstin A. · vor 5 Jahren

    Fakten - bei der letzten Bundestagswahl und der letzten EU-Wahl gab es für die AfD auf eine Stimme aus dem Osten zwei Stimmen aus dem Westen. Die AfD-Hochburgen liegen in NRW, Baden-Württemberg und Bayern. "Braun wählen" ist somit kein "ostdeutsches Phänomen" oder "ostdeutsches Problem". Sondern typische "Normalität" im Westen, siehe NPD, Die Republikaner, DVU, Pro NRW ....

  3. Andreas P.
    Andreas P. · vor mehr als 5 Jahre

    Da fällt mir jetzt eigentlich nur noch Brecht ein:
    Nach dem Aufstand des 17. Juni
    Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands
    In der Stalinallee Flugblätter verteilen
    Auf denen zu lesen war, daß das Volk
    Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe
    Und es nur durch verdoppelte Arbeit
    zurückerobern könne. Wäre es da
    Nicht doch einfacher, die Regierung
    Löste das Volk auf und
    Wählte ein anderes?

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