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Kopf und Körper

"Spinnst Du?" – Ein erfrischendes Gespräch über Depression

Charly Kowalczyk
Journalist

Ich bin in Singen am Hohentwiel geboren und lebe in Potsdam. Schreibe Radiofeature für den Deutschlandfunk und für die Sender der ARD. Bin Mitgründer des Bremer Hörkinos. Seit nun fast 19 Jahren stellen wir in Bremen ein Radiofeature der Öffentlichkeit vor.
www.bremer-hoerkino.de

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Charly KowalczykMontag, 14.02.2022

In meiner Familie spielen Depressionen und verschiedene psychische Erkrankungen schon ewig eine Rolle. Vielleicht seit Generationen, obwohl es damals als "Schwermut" oder "Melancholie" bezeichnet wurde. Aber bis heute sind seelische Erkrankungen bei uns nicht wirklich wegzudenken, sie gehören zur DNA meiner Familie. Zumindest erkläre ich mir so mein persönliches- und auch berufliches Interesse an diesem Thema. Ich höre mir Sendungen darüber im Radio an, schaue Beiträge im Fernsehen und lese, was so alles darüber in Zeitungen und Zeitschriften steht.

Nun hörte ich mir eben im Hessischen Rundfunk, HR 2, ein Interview mit der Podcasterin und Journalistin Sonja Koppitz an, die selbst hin und wieder an Depressionen leidet. Sie hat ein Buch geschrieben, 350 Seiten lang: "Spinnst Du? Warum psychische Erkrankungen ganz normal sind." Zumeist sind Gespräche über seelische Krankheiten ein wenig anstrengend. Moderatorinnen und Moderatoren fragen sehr, sehr vorsichtig. Eine Schwere liegt über dem Thema – und über dem Gespräch. Dieses Interview im Hessischen Rundfunk war aber so schön leicht, so kurzweilig, fast frisch, ohne dabei oberflächlich zu sein. Eine echte Kunst. Der Moderator fragte so, wie sich kaum jemand zu fragen traut. Erst war ich darüber ein wenig irritiert. Dann hatte ich den Eindruck, diese Art zu fragen schafft Menschen Zugang zu diesem Thema, was immer noch tabuisiert ist.

"Sind psychische Erkrankungen ganz normal in unserer Gesellschaft, in der Welt?"

"Ja, es kommt drauf an, wen sie fragen. Also für mich sind psychische Erkrankungen ganz normal, weil ich seit Jahren mit einer wiederkehrenden Depression lebe, leben muss. Also für mich ist das Alltag und für viele andere ist es nicht ganz normal, weil ich immer wieder merke, es gibt immer wieder Berührungsängste, weil eine Depression ist ja nur eine psychische Erkrankung unter ganz vielen und da stoße ich immer wieder auf Ängste, grade im Dialog mit anderen Menschen, mit Mitmenschen. Für mich sind psychische Erkrankungen ganz normal, weil sie jeden treffen können, der eine Psyche hat, das ist nun mal jeder von uns."

"Jetzt mal ganz blöd gefragt, Frau Koppitz, heißt das, dass eigentlich jeder eine Schraube locker hat oder dass unsere Gesellschaft das als Normalität akzeptieren sollte, dass manche Leute nicht so funktionieren wie die Gesellschaft oder der Anspruch es gerne hätte?"

"Ja, was heißt schon Schraube locker. Wir sind ja alle unterschiedlich, jeder hat eine andere Prägung, eine andere Veranlagung, jeder ist auch anders vulnerabel... und jeder hat ein unterschiedliches Immunsystem, also das ist eine Diversität. Es wäre komisch, wenn da alle gleich ticken würde, sag ich mal. Das ist immer eine Definitionssache von dem Wort normal und ab wann ist es dann pathologisch? Ab wann ist man krank? Da gibt es einen Diagnose-Katalog mit unheimlichen vielen Dingen, die man abhaken kann als Arzt oder als Ärztin, aber wer legt es denn fest? Letzten Endes entscheidet der Leidensdruck."

Der Stand der Forschung sei so, erzählt Sonja Koppitz im Gespräch, wie wir heute eine Depression definieren würden, mit diesem Diagnose-Katalog mit Symptomen, könnte in vielleicht zwanzig Jahren völlig anders sein. Vielleicht ist dann alles noch viel differenzierter. Alles sei im Fluss. Die Forschung schreitet voran. Immerhin wissen wir in etwa, dass jeder fünfte Erwachsene mindestens einmal im Leben eine depressive Episode erlebt. Natürlich gibt es immer eine Dunkelziffer, insofern kann es niemand wirklich genau wissen. Aber die Schätzungen bewegen sich in der Größenordnung. Die Journalistin spricht auch darüber, wie schwierig es ist, einen Termin bei einer Fachärztin zu bekommen. Wie wenige Therapieplätze es hierzulande gibt. Und dass es fast unmöglich ist, zeitnah einen Platz in einer psychiatrischen Klinik zu ergattern. Ja, das ist leider so. Und wann und ob man geheilt ist, sei eine Frage, die man nicht einfach beantworten könne. Sonja Koppitz erklärt es für sich so:

"Ich kann bei mir persönlich in dem Sinne nicht von geheilt sprechen. Ich weiß, dass es immer wieder kommt. Ich bin so weit geheilt, dass ich damit umgehen und damit leben kann."

Der Moderator Alf Haubitz fragt zurecht: Wenn so viele Menschen davon betroffen sind, warum gibt es denn immer noch diesen Stempel, dieses Stigma "Ach, der ist depressiv, mit dem können wir nicht rechnen"?

"Ja, ich frag mich das auch immer wieder. Ich glaube, das ist das trickreiche bei diesen psychischen Erkrankungen, dass man die nicht sehen kann. Man kann sie nicht anfassen. Man kann sie nicht messen. Ich kann jetzt kein Blut abnehmen und im Blutbild sieht man dann, ja, ganz klar, das ist eine Depression! Ach, die hat eine Schizophrenie! Der nächste hat eine Abhängigkeitserkrankung. (...) Und ich glaube, es wird von vielen in der Gesellschaft immer noch nicht für voll genommen, grad die Depressionen, die wird ja manchmal auch als Waschlappenkrankheit abgestempelt."

Sonja Koppitz spricht so selbstverständlich über Depressionen, dass ich den Eindruck habe, dass sie es allein dadurch schon enttabuisiert. Das finde ich sehr erfrischend. Ich habe, nachdem ich mir das Interview angehört habe, auch mal in ihren Radioeins-Podcast "Spinnst Du?", Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), reingehört. Auch da hat sie so einen leichten Ton gefunden. Echt gut. Ach ja, vielleicht gelingt es durch diesen Ton, den Menschen die Scham zu nehmen.

"Spinnst Du?" – Ein erfrischendes Gespräch über Depression

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