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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Der Generalmajor a. D. Harald Kujat behauptet in diesem Interview und anderswo, dass Russland verhandeln wollte und will und der Krieg schon längst beendet sein könnte.
Der Grund, warum er weiter tobt: der Westen verhinderte es immer wieder.
Ist das Friedensheuchelei? Ist das bewusste Lüge? Eine unbequeme Wahrheit? Der Geltungsdrang eines einst viel beschäftigten Militärs im Ruhestand? Oder eine Mischung verschiedener Motive und Haltungen?
Da ich wegen einiger Aussagen im Gespräch gefragt worden bin und da dieser Beitrag beispielhaft für den Umgang vieler im Umfeld von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer ist, könnte es nützlich sein, dieses hier auf piqd zu diskutieren:
Der Ukrainekrieg ist nicht nur eine militärische Auseinandersetzung;
so Harald Kujat,
er ist auch ein Wirtschafts- und ein Informationskrieg. In diesem Informationskrieg kann man zu einem Kriegsteilnehmer werden, wenn man sich Informationen und Argumente zu eigen macht, die man weder verifizieren noch aufgrund eigener Kompetenz beurteilen kann.
Das stimmt einerseits, aber Leute wie Kujat oder Wagenknecht kritisieren stets und vehement westliche Medien und schweigen weitgehend über die russischen. (Im ganz unten verlinkten Vortrag des Osteuropahistorikers Klaus Gestwa gibt es einen guten, erschreckenden Vergleich russischer und westlicher Medien.)
Ohne Beweis, ohne Quellenangabe behaupten Kujat, Wagenknecht u. a. aus der "Friedensbewegung" vieles, was sie nicht verifizieren können, machen also das, was sie westlichen Medien vorwerfen:
Nach zuverlässigen Informationen hat der damalige britische Premierminister Boris Johnson am 9. April in Kiew interveniert und eine Unterzeichnung verhindert.
Ihre Quellen erweisen sich oft als wenig stichhaltig. So versucht Kujat einen Riss zwischen deutschen und amerikanischen Experten zu konstruieren. Er beruft sich dabei auf
Fiona Hill, einer ehemals hochrangigen Mitarbeiterin im nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses. Sie ist sehr kompetent und absolut zuverlässig.
Leider muss man sich beim erwähnten Artikel in Foreign Affairs registrieren lassen, aber Fiona Hill argumentiert ähnlich in diesem frei zugänglichen Interview. Interessanterweise beruft sie sich auf eine deutsche Beobachterin – im Beitrag wie im Interview.
Von einer Spaltung in dogmatische deutsche kalte Krieger und kompetente amerikanische Experten kann keine Rede sein. Hat das Herr Kujat falsch gelesen? Warum ist das nicht längst korrigiert, sondern wird wiederholt?
Die deutsche Expertin, auf die sich Fiona Hill beruft, ist Sabine Fischer von der in Berlin sitzenden Stiftung für Wissenschaft und Politik, die auch die Bundesregierung berät. Hier findet man ihren ausführlichen Kommentar, in dem sie darlegt, warum alle Verhandlungsversuche scheiterten.
Ähnliche Argumente mit zahlreichen Belegen findet man in diesem Beitrag Krieg und Verhandlungen von Hans-Henning Schröder aus der renommierten Zeitschrift Osteuropa.
Wer immer noch glaubt, das wäre Zufall, ein Missverständnis, Fahrlässigkeit bei Quellenbelegen für den ist dieses vom SPIEGEL moderierte Streitgespräch zwischen Sahra Wagenknecht und dem Sicherheitsexperten Carlo Masala aufschlussreich.
In dem hinter einer Bezahlschranke verborgenen Beitrag behauptet Sahra Wagenknecht, der Westen torpedierte die Verhandlungen. Der damalige britische Premier Boris Johnson überbrachte bei seinem Besuch in Kiew die Botschaft. Willig beendete Kiew daraufhin die angeblich vor dem Abschluss stehenden Gespräche.
Kühl widerspricht der Politikprofessor an der Universität der Bundeswehr und Wagenknecht kann ihre Behauptung nicht belegen.
Das ist kein bedauerlicher Fehler, sondern Methode: Das Streitgespräch erfolgte vor ihrer "Friedensdemonstration" in Berlin. Obwohl sie vor dem Sicherheitsexperten Carlo Masala keinen Beleg (wohlgemerkt: Beleg, kein Beweis) für die kurz vor dem Abschluss stehenden Verhandlungen vorlegen konnte, behauptete sie das erneut als allgemein bekannte Tatsache, die jeder, der wissen will, weiß.
Aufschlussreich ist dieser Vortrag vom Osteuropahistoriker Klaus Gestwa, in dem er weitverbreitete Vorurteile und Falschbehauptungen argumentierend widerlegt. In Varianten findet man sie bei Kujat, aber auch bei anderen in seinem Umfeld. Hier die Zeitleiste:
00:00 - Intro - Prof Dr. Klaus Gestwa stellt sich vor
01:46 - These 1 - Die NATO hat Russland bedroht – Putin musste sich verteidigen.
06:52 - These 2 - Die Ukraine gehört historisch gesehen zu Russland.
13:38 - These 3 - Niemand kann genau sagen, was Putin will.
18:53 - These 4 - Die Ukraine ist kein demokratischer Staat, sondern wird vom Westen und von Oligarchen gesteuert.
22:36 - These 5 - Die Krim und der Donbas gehören historisch gesehen zu Russland.
30:17 - These 6 - Wer Waffen liefert verlängert den Krieg.
36:56 - These 7 - Russische Medien lügen auch nicht mehr als westliche.
41:56 - These 8 - Die Ukraine und der Westen hätten den Krieg längst über Verhandlungen beenden können
Unter dem Vortrag findet man einen Link zu Quellen.
Für mich ist es dieser Vortrag das Beste, wenn man schnell die üblichen Fehler und unbelegten Behauptungen bei der Einschätzung des Krieges zusammengefasst und widerlegt haben möchte und gleichzeitig kann man mithilfe der vielen Links unter dem Video seine Kenntnisse quellengestützt erweitern.
Wem das zu konservativ-etabliert ist, der kann Ähnliches beim linken Paul Schäfer in den Blätter für deutsche und internationale Politik finden. (Oder hier in einem piq von Kollege Jürgen Klute.)
Übrigens gibt es Indizien, dass Harald Kujat mit offiziellen russischen Stiftungen und Institutionen verbunden ist.
Quelle: Harald Kujat, Sahra Wagenknecht u. a. www.emma.de
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Foreign Affairs legt jetzt mit einem ausführlichen, frei zugänglichen Artikel über die Friedensverhandlungen, die Anfang Mai 2022 abgebrochen wurden, nach: https://www.foreignaff...
Autoren sind Samuel Charap (RAND Corporation) und Sergey Radchenko (Johns Hopkins University School of Advanced International Studies in Europe).
Sie führen u.a. bisher unveröffentlichte Entwurfstexte mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine an, die genauer formuliert und somit weit umfangreicher wären, als die gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags. Im Falle erneuter Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine durch Russland bedeuteten sie allerdings tatsächlich Krieg westlicher Garantiemächte mit Russland.
Die russische Seite hatte sich, wie es sich darstellt, nur aus taktischen Gründen – weil Russlands „blitzkrieg“ (Foreign Affairs) schiefging und um mit harter Position gesichtswahrend fortgesetzten Druck auszuüben – auf Verhandlungen mit der Ukraine eingelassen.
Die Analyse der Vorgänge basiert neben Statements ukrainischer und russischer Amtsträger (zumeist nicht auf Englisch und daher im Westen wenig bekannt) auch auf Interviews mit einigen der damals Beteiligten; die Quellen werden geschützt. Für die Autoren sind die Erkenntnisse daraus „überraschend und könnten bedeutende Konsequenzen für künftige diplomatische Anstrengungen zur Beendigung des Krieges haben“.
Die RAND Corporation ist ein Thinktank, der die US-Streitkräfte berät. Samuel Charap war Co-Autor einer früheren Studie, auf die dieser Pick hinwies: https://www.piqd.de/fu...
Ja, Gestwa ist wirklich informativ. Danke dafür …..
WEGEN ARTIKELN WIE DIESEM MUSS PIQD BLEIBEN
Es ist mit überschaubarem Aufwand nahezu unmöglich, zu zentralen Themen im Netz eine so breit recherchierte und fundierte Sammlung von Fakten zu finden. Wie steht es um Piqd nun? Tut sich etwas? Können wir etwas tun?
Zu Klaus Gestwa: Seinen Vortrag hatte ich neben weiteren Publikationen bereits auf www.piqd.de/community/... empfohlen. Der Historiker gibt meiner Meinung nach wirklich eine umfassende und schlüssige Darstellung der Fakten, die von Opponenten angezweifelt werden, weil er auf jegliche Interpretation geschichtlicher Entwicklungspfade verzichtet.
Schnell daher gesagte Halb- und Unwahrheiten treffen den Nerv vieler Leute leider zuallererst. Es ist die kritische Grundhaltung (man soll nicht alles glauben), aber das Übel ist ja, dass die meisten es gar nicht so genau wissen möchten. Gefühle der Angst in unsicheren Zeiten tun das Übrige.
Die Tagesmedien können da immer nur einzelne Denkanstöße liefern. Das Format von Piqd ist ganz besonders dafür geeignet, durch Verknüpfung verschiedener Inhalte Anregungen zu geben, tiefer in die Materie einzusteigen. Gut wäre es, Beiträge aus der Wissenschaft hier noch öfter zu verlinken.
Danke für diese ausführliche Darlegung der von Sahra Wagenknecht wissentlich verbreiteten Unwahrheiten. Denn das sind tatsächlich Unwahrheiten und eben keine unterschiedlichen Wertungen eines politischen Geschehens aus verschiedenen Blickwinkeln.
Ein Blick über den Tellerrand würde in der Frage vielleicht eher helfen ...
"United West, divided from the rest: Global public opinion one year into Russia’s war on Ukraine" - https://ecfr.eu/public...
... als den Apologeten der Regierungs-Thinktanks das Wort zu reden !
Gottlob gibt es dieser Tage noch "Leute wie" Kujat, Schwarzer und Wagenknecht ...