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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Als im Jahre 1991 der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Hans Mayer (1907-2001), der in der DDR so schikaniert worden war, dass er in den Westen ging, in seinem Erinnerungsband "Der Turm von Babel" aus dem Jahr 1991 davor warnte, die DDR nicht nur vom Ende her zu denken, war die Aufregung groß.
Der Shoah-Überlebende blieb dabei: Die DDR ist
eine deutsche Wunde, die noch lange nicht heilen wird.
Trotz seiner negativen Erfahrungen, die den Shoah-Überlebenden und Hitlerflüchtling – wie es damals hieß – zur "Republikflucht" zwang, beharrte er auf positive Ansätze und garantierte, dass die Auseinandersetzungen mit diesem kurzlebigen Staat noch lange gehen werden.
Seitdem haben wir nach über 30 Jahren wellenförmig Auseinandersetzungen über die DDR, ihren Untergang und die Neuvereinigung, die als Anschluss vollzogen worden war.
Im Oktoberheft von "Merkur - Deutsche Zeitschrift für Europäisches Denken" diskutiert die 1985 geborene Claudia Gatzka, die vom Geburtsdatum her eine Enkelin, ja sogar Urenkeln von Hans Mayer sein könnte, wieder einmal die DDR und deren Folgen:
Der Orient: eine Hervorbringung des Westens – mit dieser kühnen These verewigte sich Edward Said Ende der 1970er Jahre im Kanon postkolonialer Theorie. Orientalism nannte er die Denkweise, den »Orient« zum Anderen des »Okzidents« zu machen und dabei diesen zur Norm zu erheben und jenen als korrekturbedürftig darzustellen.
...
Orientalismus produzierte so ein Bild »des Orients«, das die westliche Dominanz über diesen Raum rechtfertigte.
...
Knapp ein halbes Jahrhundert später hat der Literaturwissenschaftler Dirk Oschmann mit dem Titel Der Osten: eine westdeutsche Erfindung einen Bestseller gelandet und Kontroversen ausgelöst. Er kritisiert den westdeutschen Diskurs über Ostdeutschland »in Form von konstant negativen Identitätszuschreibungen und Essentialisierungen« als binär und monolithisch.
Die Literaturwissenschaftlerin, die keine Erinnerungen an die DDR und die deutsche Teilung haben kann, endet ihren Essay mit einem Plädoyer für neue Erzählungen:
Solche Geschichten müssten Orientalisierung und Okzidentalisierung in der Zeitgeschichte als Hervorbringungen des Systemkonflikts beiderseits des Eisernen Vorhangs erkunden und ihre Nachwirkungen seit 1990 erforschen. Sie müssten Forschungen stärker popularisieren, die Lebensformen, Ordnungsvorstellungen und Kommunikationen über den Eisernen Vorhang hinweg untersuchen und nicht nur die Bundesrepublik, sondern auch die DDR in globale Zusammenhänge einbetten. Und sie müssten verräumlichte Geschichte im Stile Walter Benjamins als eine Methode begreifen, an konkreten Orten verschiedene Zeitschichten freizulegen, die nicht in Himmelsrichtungen weisen, sondern die Bandbreite an Möglichkeiten aufzeigen, unter denen modernes Leben möglich war, nicht nur global, sondern auch in Deutschland und Europa.
Die Literatur ist in markanten Beispielen da schon weiter als die historische Forschung.
So erhielt gerade, am 4. November 2023, Lutz Seiler den höchsten deutschen Literaturpreis, der nach Georg Büchner benannt ist.
In seiner Rede, die es aber nur hinter einer Bezahlschranke gibt, zeigt er, wie er immer von konkreten Orten ausgeht, etwa vom Uranabbaugebiet der DDR, wo er aufwuchs.
"Alles hohl da unten." Unsichtbar, in der Tiefe war der Raum, der fortan vor unseren Augen herausgeschleudert wurde und wuchs zum Abraum, zur Haldenlandschaft. "Eine Welt aus Zwang, diese ganze politische Welt ... Uran, Pechblende, Isotop 235! Weithinabreichende Neurose!" Gottfried Benns "Ptolemäer" erschien 1947, in einer fiebrigen Aktion von zügelloser Brutalität hatte die Sowjetisch-Deutsche Wismut AG gerade die ersten der am Ende über 200 000 Tonnen Uran aus der Erde gegraben – im Kampf für den Frieden, wie es hieß. Das Manhattan-Projekt im Zerrspiegel des Ostens, wenn man so will, aber Oppenheimer kannte von uns keiner, dafür Berija und Molotow, die Namen jener Gespenster-Generäle, die den Geheimbund der Wismut kommandierten wie eine Untergrundarmee, in der das Wort Uran weder geschrieben noch ausgesprochen werden durfte: "Alles hohl da unten."
Der 1963 geborene Lutz Seiler erlebte nicht nur die DDR und deren Auf-, Um- und Abbruch 1989/90, sondern gestaltete ihn so, dass er, wie Claudia Gatzka vorschlägt, an konkreten Orten mehrere Zeitschichten offenlegt.
Es ist der Hauptgrund dieses piqs.
STERN 111 ist der Name für ein DDR-Radio und der Hörfunk spielte auch eine Rolle in Seilers erstem Roman KRUSO, für den er den Deutschen Buchpreis 2014 erhielt.
sowie die Webseite von Lutz Seiler.
Nachtrag: Mittlerweile gibt es die großartige Rede auf der Akademieseite ohne Bezahlschranke.
Quelle: Lutz Seiler, Claudia Gatzka u. a. Bild: Eberhard Thonfeld... www.sueddeutsche.de
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Danke danke, ein großartiger Text..Deiner und der von Seiler!
Wismut ist ein eigenes, sehr dunkles Kapitel, von dem die meisten Westdeutschen, meiner Erfahrung nach, noch nie etwas gehört haben. Genausowenig wie von den abgebauten Bahngleisen übrigens.