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Kurator'in für: Technologie und Gesellschaft
Das ehemalige Team der WIRED Germany hat mit 1E9 einen inoffiziellen Nachfolger gestartet. Auch bei 1E9 geht es um einen optimistischen, aber dennoch kritischen Blick auf Zukunftstechnologien und ihren Einfluss auf unser Leben: von KI über Blockchain bis zum autonomen Fahren oder Biotechnologie. Garniert wird das mit SciFi und Popkultur.
Neben den Journalistinnen und Journalisten, die für 1E9 arbeiten, kommen auch viele engagierte und fachkundige Mitglieder der 1E9-Community zu Wort. Denn 1E9 soll die interdisziplinäre Debatte über Technologie voranbringen.
Zugegeben, sie sehen schon etwas unanständig aus: Große Stäbe, die heftig im Wind vibrieren. Die Entwicklung des spanischen Start-ups Vortex Bladeless könnte, wenn sie so funktioniert wie erhofft, dennoch eine kleine Revolution darstellen. Denn bei den schwingenden Stäben handelt es sich um Windkraftanlagen, die komplett ohne Flügel auskommen.
Sie könnten dort aufgestellt werden, wo die klassischen Windräder keinen Platz haben oder unerwünscht sind. Denn im Gegensatz zu den Flügeltürmen sind die Vibratoren nahezu lautlos und für Tiere vollkommen ungefährlich. Vorbild war für sie übrigens kein Sex-Spielzeug, sondern eine Katastrophe, sagt ihr Erfinder David Yañez: der Einsturz der Tacoma-Narrows-Brücke.
Die zwischen 1938 und 1940 im US-Bundesstaat Washington erbaute Brücke kam durch ihre Konstruktion selbst bei leichtem Wind ins Flattern, wodurch die Fahrbahn auf- und abschwang. Durch starke Winde wurden die Schwingungen am 7. November 1940 so stark, dass die Fahrbahn nach rund 45 Minuten einfach zerriss. „Als ich an der Uni studierte, vor vielen, vielen Jahren, stieß ich auf das Video dieses Einsturzes“, sagt Yañez. Es habe ihn vollkommen fasziniert. Denn, obschon es ein Desaster zeigte, zeigte es auch „dass es viel ungenutzte Energie gibt und dass das Phänomen [das die Brücke einstürzen ließ] dafür genutzt werden kann, diese Energie zu nutzen.“
Die Funktionsweise seiner Kraftwerke ist recht einfach. Wie die Brücke wird auch die Turbine vom Wind umweht. Dabei kommt es zu einem Phänomen namens Vortex Shedding, bei dem der Wind abwechselnd rechts und links am Zylinder zieht. Dieser ist ganz bewusst lose installiert und beginnt dadurch, ganz ähnlich der Fahrbahn der Brücke, zu schwingen. Diese Schwingungen treiben einen aus Permanentmagneten und Spulen konstruierten Wechselstromgenerator an. Dadurch entsteht Strom – rund 30 Prozent dessen, was ein Windrad gleicher Größe erzeugen würde.
Dass diese Idee nicht nur in der Theorie funktioniert, wollten David Yañez und einige Mitstreiter bereits 2014 bei einem Unternehmerwettbewerb beweisen – und konstruierten erste Prototypen, die zeigten, dass auf diese Weise tatsächlich Strom erzeugt werden kann. „Von da an haben wir das Konzept mithilfe von Förderprogrammen und der Unterstützung von Firmen und Forschungseinrichtungen langsam weiterentwickelt“, so Yañez. Denn trotz der simplen Funktionsweise hätte es viele Überraschungen und Probleme mit der Physik und den Materialien gegeben, die das im Kern nur sechs Personen kleine Team zu Beginn nicht verstand oder derer es sich gar nicht bewusst war.
Seit diesem Jahr ist das Team um den Erfinder Yañez soweit, erste Kleinserien zu produzieren. Mehrere Exemplare der derzeit zwischen 85 Zentimeter und 2,75 Meter großen Turbinen sind schon in einem Dauertest. Ebenso werden erste Universitäten, Gemeinden und Forschungsunternehmen mit Vorserienexemplaren beliefert, um sie dort unter realen Bedingungen zu erproben. Denn zwar geht das Team davon aus, dass seine Vortex-Blade-Turbinen kaum Wartung brauchen und durchaus rentabel arbeiten, aber wirklich bestätigen lässt sich das erste mit einem Echtwelttest.
Potentielle Kunden, die gerne herausfinden wollen, ob, wie gut und nachhaltig die Vibrator-Energieerzeuger funktionieren, gibt es offenbar zu Hauff. Das Start-up habe bereits zahlreiche Anfragen. „Einige wollen möglichst kleine und andere möglichst große [von unseren Turbinen]“, so der Entwickler. Es gäbe Segelsportler, die sie auf ihren Booten installieren wollen, aber ebenso Behörden und Universitäten, die damit Forschungs- und Wetterstationen an Orten versorgen wollen, wo Solarpaneele zu wenig oder zu unzuverlässig Strom liefern.
Auch große Energieunternehmen haben bereits Interesse am Start-up und dessen Technik angemeldet. Darunter der norwegische Öl- und Gas-Riese Equinor, der eine Förderkooperation mit den Spaniern eingegangen ist. Er will helfen, herauszufinden, ob und wie sich die Technik weiterentwickeln lässt – vor allem in Sachen Größe. Langfristig will auch das Start-up seine Turbinen skalieren. Zunächst auf bis zu 140 Meter. Wobei auch mehr machbar sein soll. Dadurch könnten die Vibrator-Energieerzeuger tatsächlich zu einer ernsthaften Alternative zu Windrädern oder auch Solarparks werden.
Quelle: Michael Förtsch Bild: Vortex Bladeless 1e9.community
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