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Technologie und Gesellschaft

Die problematische Gedankenwelt des Silicon Valleys

1E9 Magazin
Denkfabrik für die Zukunft: Magazin, Community und Events rund um neue Technologien.
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1E9 MagazinFreitag, 07.05.2021

"Think Big!", "Move Fast and Break Things!", "Fail Better!" und viele weitere Sinnsprüche aus dem Silicon Valley haben es in der Start-up- und Technologie-Welt weit gebracht. Schließlich würde jedes Land und jede Region gerne das nächste Google, Facebook oder Uber hervorbringen. Oder?

Der deutsche Literaturwissenschaftler Adrian Daub, der als Professor an der Stanford University forscht und lehrt, lernte das Valley von Innen kennen, aber mit der Perspektive eines Beobachters. In seinem Buch Was das Valley denken nennt beschäftigte er sich damit, wo die oft erstaunlich simplen Vorstellungen der amerikanischen Tech-Industrie über den Lauf der Welt eigentlich herkommen. Das Denken des Valleys fasst er im Interview mit 1E9 so zusammen.

Adrian Daub: Das Valley versteht unter denken den Versuch, die Gründe für den Erfolg ganz bestimmter Personen, Unternehmen oder Wirtschaftssektoren zu finden – und uns diese Gründe als einzigen möglichen Weg in die Zukunft zu verkaufen. Das geht einher mit einer starken Verknappung dessen, was Erfolg, Veränderung oder Freiheit bedeutet. Gewisse Begriffe werden verabsolutiert, so dass am Ende der Eindruck entsteht, die Plattformen, denen das Silicon Valley seinen Reichtum verdankt, die aber andere arm halten, seien unvermeidlich, universell und global plausibel.

Daub erklärt, wie die kalifornische Hippie-Kultur der 1960er sowie die Werke von Nietzsche, René Girard, Joseph Schumpeter oder auch Ayn Rand die heutige radikal-libertäre und doch irgendwie linke Denkweise beeinflussten. Die Autorinnen und Autoren wurden dabei allerdings oft eher missverstanden, meint der Wissenschaftler. So zum Beispiel Schumpeters Konzept der schöpferischen Zerstörung im Kapitalismus. Adrian Daub:

Allerdings hat er den Begriff der „schöpferischen Zerstörung“ sehr vorsichtig eingesetzt. Er bezog ihn vor allem auf Monopolisten, denen von Herausforderern das Wasser abgegraben wird. Er hat damit aber, soweit ich ihn verstehe, nicht staatliche Monopole wie die Post gemeint – und auch nicht die Taxifahrer in einer Stadt oder Hunderttausende von Tante-Emma-Läden. Für das Silicon Valley sind aber genau die plötzlich die bösen Monopolisten und irgendwelche Schnösel aus San Francisco die Herausforderer, die eigentlich von Milliardären bezahlte trojanische Pferde sind.

Schumpeter habe außerdem nicht behauptet, Disruption sei per se gut für die Gesellschaft. Er machte sie nur als Merkmal des Kapitalismus aus, das irgendwann sogar zu dessen Ende und zum Sozialismus führen werde, weil die Gesellschaft die ständigen Umbrüche nicht mehr erträgt. 

Gründer, die sonst durchs Raster fallen

1E9 interviewte Adrian Daub gemeinsam mit Julia Kümper und Verena Würsig, die gemeinsam einen neuartigen Start-up-Inkubator namens Ventreneurs starten. Damit wollen sie Menschen das Gründen ermöglichen, die im bisherigen System durchs Raster fallen. 


Sie wollen damit auch zeigen, dass der Mythos vom wagemutigen Entrepreneur, der viel riskiert und die ausgetretenen Pfade verlässt, um mit einem erfolgreichen Start-up die Welt zu einem besseren Ort zu machen, oft ein Etikettenschwindel ist. Denn in der Tech-Industrie überwiegen weiße, männliche Gründer aus der finanziell gut ausgestatteten Mittelschicht, die eigentlich nicht allzu viel zu verlieren haben.

Julia Kümper: Umso schlimmer ist deswegen, dass diese Vorstellung des erfolgreichen Entrepreneurs die Schablone für alle Menschen geworden ist, die ein Unternehmen gründen wollen. Ich fände es vollkommen in Ordnung, wenn wir sagen würden: Das ist eine:r der 30 Typen von Held:innen, die wir mit Gründung verbinden. Doch im Moment wird dieser Mythos für alle als Ziel angesehen.
Die problematische Gedankenwelt des Silicon Valleys

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