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Wie Offenheit Menschen zum Schweigen bringt
Kulturwissenschaftler, Autor, Internettheoretiker
Seit 2005 ist er mit verschiedenen Projekten im Internet aktiv. Er gründete twitkrit.de und die Twitterlesung, organisierte verschiedene Veranstaltungen und betreibt den populären Podcast wir.muessenreden.de. Anfang 2010 begann er das Blog CTRL-Verlust zuerst bei der FAZ, seit September auf eigene Faust, in dem er über den Verlust der Kontrolle über die Daten im Internet schreibt. Seine Thesen hat er im Oktober 2014 auch als Buch veröffentlicht: Das Neue Spiel, Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust.
Dass die positive Erzählung des Internets in der Krise ist, ist kein Geheimnis. Und doch habe ich den Eindruck, dass die Krise selbst noch nicht wirklich verstanden wurde.
Viele würden sie spätestens bei den Enthüllungen Edward Snowdens verorten: Seht ihr, wie vermachtet und totalitär das Internet ist? Ich würde dagegenhalten, dass da nichts radikal Neues herausgekommen ist. Offenheit bedeutet auch Überwachbarkeit — keine neue Erkenntnis.
Andere sehen bereits im Gründungsmythos des Silicon Valley das falsche Versprechen. Die „kalifornische Ideologie" war nur ein Vehikel des Neoliberalismus, sagen sie. Das mag stimmen, überrascht jetzt aber auch wenig. Wir leben im Kapitalismus. Dass das Internet eine Ausnahme machen würde, haben wohl nur die wenigsten geglaubt.
Nein, all das greift die Idee der offenen Vernetzung nicht grundsätzlich an, sondern thematisiert nur vorhersehbare Seiteneffekte.
In seiner Antrittsvorlesung bei der Universität Innsbruck zeigt Leonhard Dobusch hingegen einen Widerspruch der Netzideologie auf, der direkt ins Mark der Offenheit zielt und sie viel grundsätzlicher in Frage stellt.
Am Beispiel der Wikipedia arbeitet Dobusch heraus, dass Offenheit nicht automatisch bedeutet, dass jede/r sich beteiligen kann, sondern es auch zum Gegenteil führen kann. Die Diskussionskultur, die damit in der Wikipedia entsteht, schreckt andere ab, verhindert ihre Beteiligung. Damit ist eines der Hauptversprechen offener Ansätze - nämlich ihre egalisierende und inkludierende Wirkung - radikal in Frage gestellt.
Diese Erkenntnis bleibt nicht auf die Wikipedia-Community beschränkt. Schon die Piratenpartei hat sich an diesem Widerspruch zerlegt, als sie sich unfähig erwies, Trolle und Rechtsradikale auszuschließen und so alle konstruktiven Kräfte vertrieb.
Und diese Erkenntnis umtreibt die derzeitige Debatte um HateSpeech, FakeNews und dem Aufstieg der rechten Hetzer durch soziale Medien.
Es wird Zeit zu verstehen, wie Offenheit Menschen zum Schweigen bringt.
Quelle: Leonhard Dobusch netzpolitik.org
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Danke für diesen Text. Mir fiel beim Lesen gleich ein anderer ein, der sich auf allgemeinerer Ebene mit dem Thema Offenheit beschäftigt und die Idee der offenen Stadttore als Analogie für ein sinnvolles Management der Offenheit heranzieht. Vielleicht eine gute Ergänzung. https://www.brandeins....
Wir kommen wohl nicht darum herum, Offenheit zu organisieren und Grenzen zu definieren.