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Technologie und Gesellschaft

Unpiq: WhatsApp und der falsche Held der Facebook-Resistance

Michael Seemann
Kulturwissenschaftler, Autor, Internettheoretiker
Zum User-Profil
Michael SeemannDienstag, 02.10.2018

Und mal wieder muss ich Facebook vor unsinniger Berichterstattung verteidigen. Ehrlich, ich mag den Dienst nicht besonders. Ich halte ihn für einen Haufen historisch gewachsenen Tech-Mülls, der auch noch grottenschlecht gemanaged wird. Es gibt so viel berechtigte Kritik, die man üben könnte. Aber Tech-Journalisten und den Lesern da draußen scheint es wichtiger zu sein, gute Geschichten mit Helden und Bösewichten (Zuckerberg) zu erzählen, sodass dabei immer wieder vollkommener Quatsch bei rauskommt.

Neuster Fall ist dieses tragischen Heldenepos um Brian Acton, einer der beiden WhatsApp-Gründer. Er darf auf Forbes allen Ernstes öffentlich seine Tränen um den Verkauf der Privatsphäre seiner Nutzer trocknen - mit den 19 Milliarden Dollar, die er von Facebook dafür genommen hat.

Dann stellt er sich noch als den gescheiterten Kämpfer für Privacy und als Gegenspieler zu Mark Zuckerberg dar. Und Leute kaufen das, als hätten sie all die Meldungen und Skandale vergessen, die WhatsApp vor dem Facebook-Kauf wegen übelster Sicherheits- und Privacypraktiken bekommen hat. Wir erinnern uns: der wesentliche Wachstumsfaktor und einzige Grund für dessen Erfolg war das dreiste Abgreifen der Smartphone-Telefonbücher und der daraus möglich gewordene Import des Socialgraphs.

Bei Forbes darf er das ganz anders erzählen. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wäre der Grund für das Wachstum gewesen und Facebook habe das nie verstanden. So eine dreiste Lüge. Die e2e-Verschlüsselung wurde erst nach dem Facebook-Kauf eingefädelt und erst anderthalb Jahre später überhaupt erst ausgerollt. Ich kann mich noch an Skandale um WhatsApp erinnern, dass sie damals sogar alle persönlichen Daten komplett unverschlüsselt über den Äther gesendet haben.

Ja. Heute hat WhatsApp ein ziemlich gutes Sicherheits- und Privacy-Standing. Aber Facebook stand dem ganz offensichtlich nicht im Weg. Ganz im Gegenteil.

All das ist recherchierbar. Aber wenn es gegen Facebook geht, scheint mittlerweile alles egal zu sein.

Unpiq: WhatsApp und der falsche Held der Facebook-Resistance

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Kommentare 2
  1. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor 6 Jahren

    Top! Kritische Stimmen zu Actons Doppelmoral haben ich durchaus wahrgenommen, aber selbst in diesen Texten fehlte die Aufarbeitung der Privacy-Fails in der Vor-Facebook-Zeit von Whatsapp. Sehr wertvoll, dass hier nochmal aufgedröselt zu bekommen. Ich hatte das ehrlicherweise auch schon wieder vergessen.

    1. Simon Hurtz
      Simon Hurtz · vor 6 Jahren

      Danke auch von mir, die Privacy-Vorgeschichte von Whatsapp war mir nicht bewusst. Jason Koebler hat sich auch schon über die Heroisierung aufgeregt: https://motherboard.vi...

      Ein paar Punkte, die aus meiner Sicht für Acton sprechen:
      - Er hat ohne Not auf 850 Millionen Dollar verzichtet. Er hätte einfach nur noch ein bisschen warten müssen, so wie es Jan Koum getan hat.
      - Er hat 50 Millionen in die Signal-Foundation gesteckt.
      - Er ist mit Moxie Marlinspike befreundet, dem vermutlich fähigsten Kryptografie-Experten, bei dem ich mir nicht vorstellen kann, dass er sich mit Blendern und Selbstdarstellern einlässt.
      - Er sagt nicht, dass E2E *der* Grund für das Wachstum gewesen sei, sondern dazu beigetragen habe. Das halte ich für plausibel.
      - Er gesteht zu, dass Zuckerberg E2E unterstützt habe, andere Facebook-Manager aber dagegen gewesen seien. Das bestätigt sogar David Marcus, der Acton in seiner Reaktion ansonsten eher beleidigt:
      "Yes, Jan Koum played a key role in convincing Mark of the importance of encryption, but from that point on, it was never questioned. I witnessed Mark defending it a number of internal meetings where there was pushback — never for advertising or data collection reasons but for concerns about safety — and even in Board Meetings."
      https://www.facebook.c...
      - Überhaupt: dieses Marcus-Statement. Das ist so dermaßen daneben, dass ich fast schon wieder mit Acton sympathisiere.

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