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Kurator'in für: Volk und Wirtschaft Medien und Gesellschaft Technologie und Gesellschaft Fundstücke
Leitet das Digital-Team im Wirtschaftsressort der Süddeutschen Zeitung, was nicht heißt, dass er nur Nerd-Kram piqt. Studierte in Erlangen und Portland Politikwissenschaft und Amerikanistik, schrieb in Nürnberg, Berlin, New York und München. Interessiert an allem Politischen. Am Absurden sowieso. Süchtig nach Longreads.
Die Aggressionen im Netz sowie die immer wiederkehrende, immer dämliche Selbstdemontage vieler Prominenter und Nicht-Wirklich-Prominenter werfen eine Frage auf: Warum tun sich Menschen das an, besonders wenn sie eben eigentlich keine Trolle sind? Sind sie wirklich dazu gezwungen und wenn ja: Von wem?
Der Autor und Social-Social-Web-Versteher Max Read schrieb 2020, er habe eine Antwort in Richard Seymours Buch "The Twittering Machine" gefunden. Die Rezension fügt dem gängigen Diskurs, laut dem Social-Media-Konzerne "mit Algorithmen" unsere Gehirne manipulieren und uns zum ständigen Scrollen verführen, einige kluge Gedanken hinzu. Seymour versucht, unsere Gier nach den Handybildschirmen psychoanalytisch zu erklären - und zwar mit dem Todestrieb. Anders gesagt: Wir selbst sind es, die an die Geräte wollen. Und zwar, um uns selbst zu vergessen, um dem analogen Leben zu entfliehen, vor allem aber dem quälenden Verstreichen der analogen Zeit.
Das klingt esoterisch und ist es an einigen Stellen auch. Aber der Text taugt als Versuch, jenseits von simplen technisch-biologischen Erklärmustern wie "Dark Patterns" und "Manipulation" durch die behavioristische Sekte der Silicon-Valley-Programmierer zu blicken. Zwar wurde die Buchbesprechung auf dem Höhepunkt des wilden politischen Gepostes während der Corona-Einschränkungen 2020 geschrieben (diese Phase war in den USA durch die Diskussion um Black LIves Matter und Gewalt auf den Straßen noch brisanter und brutaler als in Deutschland). Doch die Grundfrage, die Rezensent Read und Buchautor Seymour stellt, bleibt auch in Zeiten des Abstiegs von Social Media relevant: Was, wenn wir die Bildschirme lieben, einfach weil sie uns betäuben, um uns selbst aus dem Weg zu gehen?
Seymour’s book suggests something worse about us, their Twitter and Facebook interlocutors: That we want to waste our time. That, however much we might complain, we find satisfaction in endless, circular argument. That we get some kind of fulfillment from tedious debates about “free speech” and “cancel culture.” That we seek oblivion in discourse
Wobei es noch genauer gesagt gar nicht um "Realität" geht, sondern um Zeit, Lebenszeit:
Seymour compares the Twittering Machine to the chronophage, “a monster that eats time.” We give ourselves over to it “because of whatever is disappointing in the world of the living"
Es ist Tatsache, dass das Leben viele Menschen so ermüdet, dass sie Doomscrollen und Rumdaddeln bevorzugen, quasi als kleineres Übel. Hauptsache keine Zeit im Analogen verbringen. Und weil dieser Gedanke zu einigen unangenehmen Fragen über uns selbst führt, ist er viel unheimlicher als die Geschichte von der supermanipulativen Trickmaschine aus Kalifornien.
Quelle: Max Read EN www.bookforum.com
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Interessant auch den der Begriff todestrieb doch arg übertrieben sein dürfte und vorallem falsche Erwartungen weckt.
Nein jedem Literaturwissenschaftler ist das Phänomen bekannt: es nennt sich Eskapismus :-).