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Technologie und Gesellschaft

Mit Gentechnik könnte sich der Mensch neu erschaffen.

1E9 Magazin
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1E9 MagazinMontag, 27.01.2020

Der renommierte Genetiker Wolfgang Nellen von der Universität Kassel erklärt im Interview mit 1E9, inwiefern Fortschritte der Genforschung zur Erschaffung von optimierten Supermenschen führen könnten. 

Dabei geht es zum einen um Genome-Wide Association Studies - also um Studien, bei denen beispielsweise überprüft wird, ob bestimmte Eigenschaften von Menschen mit bestimmten Genvariationen in Verbindung stehen. Mit diesen GWAS wurden schon angebliche Tanz-Gene, Reichtums-Gene oder auch Hundeliebhaber-Gene gefunden. Doch Wolfgang Nellen warnt:

Ich finde, GWAS sind eine tolle Methode. Man muss nur wissen, wo ihre Grenzen sind. Vor allem muss man sich immer im Klaren darüber sein, dass man über Korrelationen redet – und Korrelationen sind etwas anderes als Kausalitäten.
Ich erinnere an den Zusammenhang zwischen der Anzahl von Störchen und der Geburtenrate. Da findet man wunderbare Korrelationen, da es auf dem Land nicht nur mehr Störche, sondern – im Verhältnis zur Einwohnerzahl – auch mehr Babys gibt. Natürlich könnte man daraus schließen, dass der Storch die Kinder bringt. Es ist aber nicht richtig.

Dennoch könnten GWAS in Verbindung mit Experimenten dabei helfen, Genvarianten zu identifizieren, die für menschliche "Schwächen" verantwortlich sind, um diese dann "wegzuoptimieren" - etwa mit der Methode CRISPR/Cas9, die auch als Genschere bezeichnet wird. Für Aufsehen sorgte hier der chinesische Wissenschaftler, der die ersten CRISPR-Babys erschaffen haben will, die durch einen Eingriff in die Keimbahn immun gegen HIV sein sollen. 

Trotz der Fortschritte bei GWAS und CRISPR schätzt Wolfgang Nellen, dass es noch 30 bis 40 Jahre dauern wird, bis sich herausstellt, ob sich Menschen wirklich gentechnisch optimieren lassen. Allein schon wegen der komplexen Zusammenhänge zwischen Genen und menschlichen Eigenschaften.

Man hat sehr viele Gene gefunden, die etwa mit dem, was wir als Intelligenz definieren, zusammenhängen könnten. Eine der gängigen Studien spricht von 300, eine andere sogar von 1000 Genen. Ein einzelnes Gen hat vielleicht einen Anteil von 0,1 Prozent an der Intelligenz. Ein Gen zu „optimieren“ würde daher kaum etwas bringen. Vielleicht kommt bei zehn Genen mehr heraus. Aber vielleicht müssen all diese Gene auch in einer ganz bestimmten Kombination vorhanden sein.
Wir sind noch ziemlich weit davon entfernt, diese Netzwerke genau zu durchschauen und den Beitrag einzelner Gene zu identifizieren. Aber ich denke, dass langfristig gewisse „Optimierungen“ möglich sein könnten. Weitere Versuche wird es auf jeden Fall geben.
Mit Gentechnik könnte sich der Mensch neu erschaffen.

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