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Technologie und Gesellschaft

Das Schicksal der Uiguren – die wahre China-Dystopie

Michael Seemann
Kulturwissenschaftler, Autor, Internettheoretiker
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Michael SeemannSamstag, 25.05.2019

In China liegt die Zukunft! Das chinesische Jahrhundert hat begonnen! China ist riesig! Alleine der Markt! All die Leute, all die Kaufkraft!

Doch China ist auch anders. Und dann doch irgendwie auch ähnlich. Sie haben zum Beispiel weitgehend dieselbe Technologie, wie wir sie haben. Aber sie setzen sie anders ein. Sie setzen sie ausgerechnet so ein, wie sie bei uns in den dystopischen Cyberpunk-Romanen der 90er eingesetzt wird. Und zwar ganz ohne Scheu, teils mit begeisterter Unterstützung der Bevölkerung.

Ich finde es immer schwierig, dieses Narrativ des dystopischen Chinas mitzugehen. Diese Sichtweise ist eurozentristisch und oft unreflektiert und selbstgerecht, etwa in Bezug auf das chinesische Social-Credit-Scoring. Auch im Westen haben wir Unmengen formale und nichtformale, verdeckte und nicht so verdeckte Kontrollinstitutionen, die soziale Hierarchien produzieren, signalisieren und sanktionieren.

Aber bevor mir die ersten Kulturrelativismus vorwerfen, möchte ich auf eine andere Sache zu sprechen kommen, bei der mir scheint, dass Kritik an China vollkommen und ohne Einschränkung berechtigt ist. Und das ist sein genereller Umgang mit ethnischen Minderheiten und mit den Uiguren im Besonderen. 

Hier tut sich ein wahrlich dystopischer Überwachungsalbtraum auf. Im Gegensatz zum Social-Credit-Scoring geht es hier nicht um interpersonale Transparenz zur Erhöhung von Vertrauen in der Gesellschaft, sondern um die brachiale Unterdrückung einer muslimischen Minderheit. Der gesamte Apparat heute verfügbarer Überwachungsmechanismen konzentriert sich wie ein Brennglas auf diese Minderheit, schlicht, um sie davon abzubringen, ihre Bräuche zu pflegen und sie bis aufs Kleinste zu kontrollieren.

Bei unserem Katzenjammer im Westen über den "Überwachungskapitalismus" vergessen wir gerne, dass zur Überwachung nicht nur die Beobachtung, sondern auch die auferlegte Verhaltensänderung gehört.

In diesem Stück der New York Times kann man nachlesen, was das bedeutet. Bonus: Dazu dieser Thread

Das Schicksal der Uiguren – die wahre China-Dystopie

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Kommentare 1
  1. Christian Rebehn
    Christian Rebehn · vor mehr als 5 Jahre

    Sehr geehrter Herr Seemann,
    vielen Dank für diesen Piq! Leider ist die Nachrichtenlage gerade zum Thema Xinjiang mehr als dünn (selbst in chinesischen Medien) und immer mit Vorsicht zu genießen da man davon ausgehen muss dass die Schreibenden keine eigenen Erfahrungen vor Ort gemacht haben. Mir liegt die Region sehr am Herzen: vor einigen Jahren hatte ich das Glück, eine zeitlang dort zu leben und dabei ausschließlich freundliche und glückliche Menschen kennenlernen dürfen - die Rechte der Uiguren wie auch der zahlreichen anderen Minderheiten in XJ wurden dabei besonders geachtet und geschützt. Man findet sich dort zunehmend in die Rolle am Schnittpunkt von Kulturen und Wirtschaftsräumen ein. Ich erlebte weiterhin eine kulturell-gesellschaftliche Ordnung die, z.B. wegen der erzwungenden Säkularität, in gewisser Hinsicht deutlich ausgewogener und zielführender schien als bekannte Modelle und Denkmuster.

    Der Artikel bezieht sich auf die Lage in Kashgar, das aufgrund seiner Lage in der schwer kontrollierbaren Grenzregion zu Ländern wie Afghanistan und Tajikistan leider eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Auch anderswo wurde jedoch damals schon penibel kontrolliert, überwacht und waffenstarrend geschützt. Profitiert haben von der Terrorprävention alle; wirtschaftlich hingegen sind die immigrierten Hanchinesen leider die großen Gewinner.

    Ich hoffe sehr, dass das Thema in Zukunft umfangreich und objektiv behandelt wird. Damit wird zum einen die Chinesische Regierung wie schon im Falle Tibets internationaler Überwachung ausgesetzt, zum anderen aber auch hoffentlich Verständnis für diese wunderschöne und einmalige Region aufgebaut. Ich danke Ihnen für Ihren Beitrag dazu!

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