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Kurator'in für: Technologie und Gesellschaft Fundstücke
Promovierte Literaturwissenschaftlerin. Schwerpunkte: Digitaler Journalismus, Journalistenausbildung und Medienkompetenz. Chefredakteurin der Berliner Gazette (https://berlinergazette.de) und Professorin für digitalen Journalismus an der Macromedia University of Applied Sciences. Kann sich die Namen ihrer Student*innen merken.
Aufgrund toxisch ineinandergreifender und sich gegenseitig anheizender ökonomischer und ökologischer Krisen, die von Imperialismus und Kapitalismus verursacht werden – zuletzt: Covid-19-Pandemie, Nahrungsmittelknappheit, Horrorsommer (Hitzewellen, Überschwemmungen usw.), Energienotstand, Stagflation – verlieren immer mehr von uns die Mittel, die notwendig sind, um das Leben lebenswert zu machen, das Überleben zu sichern, den Kampf ums Überleben zu führen. Und das, obwohl wir, wer auch immer “wir” sind, jeden Tag arbeiten. Und es scheint, dass uns das Bewusstsein für unsere kritische Situation nicht zuletzt deshalb fehlt, weil wir ständig arbeiten – in der einen oder anderen Form, bezahlt oder unbezahlt, formell oder informell, freiwillig oder unfreiwillig.
Natürlich ist es problematisch, produktive oder reproduktive, bezahlte oder unbezahlte, zwanghafte oder freie, manuelle oder kognitive, formelle oder informelle, illegalisierte oder invisibilisierte, maschinengestützte oder halbautomatisierte Arbeit in einen Topf zu werfen und zu sagen, dass wir alle im selben Boot sitzen. Denn die Gefahr, die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Ungleichheiten zu beschönigen, besteht darin, die Ängste und Probleme der weißen Mittel- und Arbeiter*innenklasse im Globalen Norden zu sehr zu betonen. Warum sollte man dann noch alle oben genannten Formen der Arbeit zusammen betrachten wollen?
Nehmen wir zum Beispiel scheinbare Nicht-Arbeit, z. B. selbstbestätigende Aktivitäten (über Posts in sozialen Netzwerken), die Informationen über uns und unsere Wünsche generieren und dem sogenannten “Form-of-Life-Mining” unterworfen werden. Oder CAPTCHA-Routinen, die als reine Sicherheitsmaßnahme getarnt sind und die Nutzer*innen von “kostenlosen” Webdiensten auffordern, sich als Menschen zu identifizieren; dies unterscheidet diese Nutzer*innen von Bots und zwingt sie stillschweigend dazu, Aufgaben zu erledigen, die intelligente Maschinen noch nicht erledigen können. Ermöglicht durch energieintensive und umweltschädliche Cloud-Infrastrukturen, erinnern uns beide Fälle daran, dass wir immer häufiger als Arbeitskräfte oder als Bereitsteller*innen von Arbeitskraft eingesetzt werden, ohne unsere Zustimmung zu geben, ohne ein Bewusstsein zu entwickeln (als arbeitende Subjekte) und in immer mehr Fällen, ohne bezahlt zu werden.
Wenn ich dies in Erinnerung rufe, geht es nicht nur um die Frage der Bezahlung. Vielmehr soll damit betont werden, dass es in einem früheren historischen Moment möglich gewesen wäre, “Arbeit” und andere “lebensschaffende Tätigkeiten” zu trennen, während wir dies heute nicht mehr können. Heute ist alles beides. Darüber hinaus bedeutet es, das zunehmende Ungleichgewicht zwischen dem Bewusstsein der Arbeiter*innen und alten sowie neuen Formen der kapitalistischen Ausbeutung von Arbeit und Natur zu relativieren. Kurz gesagt, während der Kapitalismus seine Ausbeutungsmechanismen anpasst, diversifiziert und ausweitet, hält das individuelle und kollektive Bewusstsein der ausgebeuteten Arbeiter*innen nicht Schritt.
Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma ist die Praxis des Commoning, also das Vergemeinschaften und Vergesellschaften von im Privatbesitz kontrollierter Infrastrukturen. Shintaro Miyazakis "Digitalität tanzen! Über Commoning & Computing" bietet in dieser Hinsicht leichtfüßige Inspiration. Sein kurzes und bündiges Buch, das übrigens als Open Access online verfügbar ist, "ruft dazu auf, die alternativen Rhythmen des kooperativen, solidarischen Zusammenlebens (Commoning) operabel zu machen und die Digitalität so zum Tanzen zu bringen."
Miyazaki "macht ein Leben vorstellbar, in dem Profit und Eigentum keine Rolle mehr spielen, sondern das nachhaltige Zusammenspiel der Bedürfnisse unserer lebendigen Ökosysteme mit jenen aller Menschen oberste Priorität hat."
Quelle: Shintaro Miyazaki Bild: pexels.com www.transcript-verlag.de
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und welche Parteien bzw. Politische Strömungen vertreten ansatzweise diese Überlegungen? Wer im politischen Leben bedenkt überhaupt, dass zb Arbeit und Selbst/Ausbeutung nicht alternativlos wären?