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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
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Seit mehr als einem Jahrzehnt haben etliche Städte in Belgien eine für deutsche Verhältnisse sehr weitreichende Verkehrswendepolitik verfolgt. In Brüssel dürfen beispielsweise keine schweren Lastwagen mehr durch die Stadt fahren. Flächendeckend – mit wenigen Ausnahmen – gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Fußgänger:innen, Radverkehr und Autoverkehr sind rechtlich gleichgestellt. Jede Straße ist entweder mit großzügigen Fahrradspuren versehen oder für den Radverkehr freigegeben. Auf einer ganzen Reihe kleinere Straßen hat der Radverkehr Vorrang vor dem Autoverkehr. Auf breiten Straßen mit Bus- und Taxispuren sind diese Spuren auf für den Radverkehr freigegeben. Zumindest in Brüssel wurde zugleich der ÖPNV ausgebaut und verbilligt (eine Jahresticket für junge Menschen von 12 bis 24 und für Senioren ab 65 kostet 12 Euro). Dieser klimafreundlichen Verkehrspolitik liegt ein Perspektivwechsel zugrunde: In der Vergangenheit wurden Städte aus Sicht der Berufspendler:innen betrachtet. Sie sollte möglichst schnell mit dem Auto zum Arbeitsplatz gelangen und möglichst dicht an ihrem Arbeitsplatz eine Parkgelegnehit finden. Die veränderte Verkehrspolitik nimmt die Perspektive der Einwohner der Stadt ein und fragt, wie sich die Lebensqualität für die Einwohnerinnen verbessern lässt: weniger Lärm, weniger Abgase und Staub, weniger Verkehr, weniger Fläche für Autos und dafür mehr Fläche zum Leben. Bei den belgischen Kommunalwahlen am 13. Oktober 2024 erhielt diese klimafreundliche Verkehrspolitik aber landesweit einen Dämpfer. Der folgende Artikel von Ann De Boeck, der am 15. Oktober 2024 in der flämischsprachigen belgischen Zeitung De Morgen unter dem Titel „Hoe Koning Auto terugsloeg in het stemhokje“ erschien, setzt sich mit dieser Entwicklung auseinander. Die Veröffentlichung der deutschsprachige Übersetzung an diesem Ort erfolgt mit Zustimmung des Chefredakteurs von De Morgen, Remy Amkreuz.
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Ergänzung vom 19.10.2024: Auch in Belgien gibt es eine fossile Wirtschaftslobby: vor allem die frankophonen Liberalen (MR), wenn auch nicht so stark wie in der Bundesrepublik. Reinhard Boest hat sich in einem Artikel für das Belgieninfo noch einmal die Wahlergebnisse und deren verkehrspolitischen Folgen für die belgische und europäische Hauptstadt Brüssel angeschaut: Nach den Kommunalwahlen: Kehrtwende in der Brüsseler Verkehrspolitik. Zurückdrehen lässt sich die Verkehrswende, die längst zu einer wahrnehmbaren Verbesserung der Lebensqualität geführt hat, nicht mehr. Dafür sind die für eine Verkehrswende nötigen Infrastrukturveränderungen längst viel zu weit vorangeschritten. Mehr als eine Verzögerung im Bereich der "soften" Faktoren wird es wohl kaum geben. Schließlich schreitet auch die Klimakrise immer schneller voran und erfordert einen schnellst möglichen Verzicht auf ene fossile Energienutzung und eben neue intelligente und klimafreundliche Mobilitätskonzepte. Wie die aussehen können, kann man in Brüssel erfahren, wie auch in vielen anderen europäischen Städten.
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Von Ostende bis Löwen: Überall in Flandern haben die Befürworter von 30er-Zonen, „Knips“ und teuren Parkplätzen eine Ohrfeige von den Wählern erhalten. Ein Signal, dass die Verkehrspolitik überdacht werden muss. "Der Säuregehalt muss sinken."
Von Ann De Boeck, 15. Oktober 2024
Kämpfen noch alle für die Verkehrssicherheit? Diese Frage stellt sich nach dem Wahlsonntag. Vielerorts mussten Bürgermeister und Stadträte, die hart mit den Autofahrern ins Gericht gingen, eine Enttäuschung schlucken. Gewonnen haben diejenigen, die all die 30er-Zonen, Verkehrspläne, Streckenkontrollen und Blitzer in Frage gestellt haben.
Nehmen wir Ostende, wo der frühere Vooruit-Vorsitzende (Vooruit = der Name der sozialdemokratischen Partei in Flandern) John Crombez mit seinem Plädoyer gegen die „Geldschneiderei“ der 30er-Zonen einen überwältigenden Sieg errang. Nach Lubbeek, wo der Sieger Theo Francken (N-VA = National-flämische Allianz) damit prahlte, dass seine Gemeinde so ziemlich die einzige ohne Blitzer, Streckenkontrollen oder hohe Geschwindigkeitsbegrenzungen sei. Oder nach Middelkerke, wo Jean-Marie Dedecker aus seinem gallischen Dorf gegen die „Hexenjagd auf die Autofahrer“ wetterte.
Für andere war es ein bitteres Erwachen. Nicht, dass Mo Ridouani (Vooruit) das viel Schlaf geraubt haben dürfte, die Grünen wurden in der Leuvener Koalition hart abgestraft. Der Einbruch von zehn auf fünf Sitze wurde unter anderem auf die Politik des grünen Mobilitätsstadtrats David Dessers zurückgeführt, der die 30er-Zonen ausweitete und das Parken verteuerte.
„Wenn man den Fundamentalisten spielt, bekommt man solche Ergebnisse. Ich bin schon froh, dass die anderen Partner in der Koalition nicht für die Politik der Grünen bestraft wurden“, sagte der ehemalige Bürgermeister Louis Tobback (Vooruit).
Nicht belohnt
In Brüssel-Stadt haben die Grünen sechs Sitze verloren. Mobilitätsstadtrat Bart DHondt war dort der lokale Hüter des Verkehrsplans, wurde aber nicht dafür belohnt. Bürgermeister Philippe Close (PS = frühere Name von Vooruit) kickte die Grünen aus der Koalition. Bart Somers (Open Vld = flämische Liberale), der „Champion im Bereich des Strafvollzugs“ von Mechelen, überlebte zwar die Aufregung um die Streckenkontrollen und die Warnwesten in seiner Stadt, aber er kam nicht ganz ungeschoren davon. Die Stadtratsliste verlor ihre absolute Mehrheit.
War Filip Watteeuw, der Vater des Genter Verkehrsplans, nun ein Segen oder ein Fluch für die Grünen in Gent? Die Grünen gewannen, aber sie erwiesen sich nicht als unverzichtbar, wie sie gehofft hatten. Mit seiner stark ideologisch geprägten Sicht auf die Mobilität, zum Beispiel gegen SUVs in der Stadt, hat Watteeuw heftige Befürworter und Gegner. Schon innerhalb der Grünen glauben einige, dass sein Ansatz die Wähler verschreckt hat.
Vielleicht tragen die Mandate von Grünen und Open Vld die Folgen der Krise ihrer nationalen Parteien in sich. Aber auch der cd&v-Bürgermeister von Tielt, Luc Vannieuwenhuyze, musste beispielsweise seinem Konkurrenten weichen, der den Mobilitätsplan von Tielt verwässern will. Ein Stück weiter, in Deinze, musste der für seine ehrgeizige Radverkehrspolitik gelobte Bürgermeister und Radaktivist Jan Vermeulen (cd&v) seine Schärpe an die Nummer 3 der Liste abtreten [in Belgien kann man seine Stimme einer kompletten Liste geben oder eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern aus der Liste wählen; dadurch kann man die von den Parteien vorgeschlagen Rangfolge der Mitglieder auf der Liste verändern].
Sehr versöhnlich
Natürlich gibt es Ausnahmen. Aber es scheint sicher zu sein, dass Politiker, die Autofahrern „wehtun“, in der Wahlkabine regelmäßig einen Preis dafür zahlen mussten. Diejenigen, die sich dabei am vehementesten profiliert haben, scheinen am härtesten getroffen worden zu sein.
Das ist ein bemerkenswerter Trend, denn an sich will niemand, dass Kinder auf dem Schulweg überfahren werden. Auch die physikalischen Gesetze sind klar: Wenn ein Radfahrer von einem Auto mit 50 km/h angefahren wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er stirbt, sechsmal so hoch wie bei einem Zusammenstoß mit 30 km pro Stunde. Doch viele Wähler scheinen dies in der Wahlkabine kaum zu berücksichtigen.
Die Wähler scheinen sogar jemandem wie Mathieu Mas zu verzeihen, dem Stadtrat in Oudenaarde, der letztes Jahr einen 22-jährigen Radfahrer mit dem Auto totgefahren hat. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft fuhr er zu schnell und war betrunken. Während er noch auf seinen Prozess wartet, wurde er am Sonntag zum Wahlsieger der größten Liste in Oudenaarde, was ihm die Chance gibt, Bürgermeister zu werden.
Was ist hier los? Ist unsere Verkehrspolitik überholungsbedürftig? „Mobilitätspolitik ist immer eine Kombination aus Essig- und Honigmaßnahmen“, sagt Mobilitätsexperte Dirk Lauwers (UAntwerpen, UGent). „Aber der Honig, der die Menschen dazu bringen soll, die richtigen Entscheidungen zu treffen, fehlt zu oft. So hat beispielsweise die Qualität der öffentlichen Verkehrsmittel abgenommen. Gleichzeitig scheinen viele Menschen den Essig nicht zu verdauen. Der Säuregehalt muss also sinken.“
Etwa durch gezieltere Eingriffe. „Anstatt eine Straße dauerhaft für den Autoverkehr zu sperren, könnte man sie nur während der Hauptverkehrszeiten der Schulen autofrei machen.“ Außerdem geht es darum, die Maßnahmen ansprechender zu verpacken. „Man sollte nicht einfach Betonblöcke auf die Straße stellen, um Autos fernzuhalten, sondern dort einen Spielplatz oder einen Radweg anlegen. Das wirkt weniger negativ.“
An sich sieht der Mobilitätsexperte Kris Peeters die Wahlergebnisse noch nicht ganz so düster, sagt er. „Man könnte genauso gut sagen, dass Städte wie Gent und Leuven, aber auch Mortsel und Geel zum Beispiel, ihre Mobilitätspolitik fortsetzen können. Alles andere ist vor allem eine Diskussion darüber, wen die Wähler am sympathischsten fanden.“
Dennoch glaubt er, dass die Politiker eine wichtige Lektion lernen könnten. „Wer anfängt, hier und da über eine Kürzung zu reden, ist erledigt. Nur wer es schafft, die Maßnahmen in eine attraktive Geschichte über Lebensqualität einzubetten, wird sie verkauft bekommen.“
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Wer seine Bürger in abstrakte Schemata einteilt, hier Radfahrer, da Fußgänger, dort (böse) Autofahrer, wird letztendlich in der Wirklichkeit langfristig scheitern. Bürger sind lebende Menschen, mal Fußgänger und mal Autofahrer etc.. Und man muß ihnen keine attraktive Geschichten über Lebensqualitäten erzählen. Sie haben einen eigenen Kopf, mit denen sie sich zw. realen Lebensqualitäten entscheiden. Aus ihrer wirklich eigenen Perspektive.
Hier wird auch viel zu viel Verständnis aufgebracht für diese populistische Art der Politik und zt ignoriert, wie vehement von vielen Seiten extrem gegen liberale konsensorientierte (Grüne) Politik gehetzt wird.
Und wie stark diese konzertierte Aktionen etwa durch Russland betrieben wird.
Klar "Honig" hilft, aber mündige Bürger kommen auch so zurecht - sind sie ja in Belgien die letzten Jahrzehnte!
Und auf einmal soll es zu säuerlich sein?